Der Trend geht in die Nähe

ZHAW erforscht das IT-Nearshoring

Das CGC führt – gemeinsam mit den Umsetzungspartnern swissICT und Information Security Society Switzerland (ISSS) – seit 2019 jährliche Umfragen bei Schweizer IT-Unternehmen durch. «Wir wollen aufzeigen, aus welchen Gründen sie unterschiedliche Nearshoring-Standorte gewählt haben und welche Erfahrungen sie dabei machen», erklärt Zoller-Rydzek. «Ebenfalls wollen wir herausfinden, was die Treiber von optimalen IT-Nearshoring-Lokalisa­tionen sind.» Aus der Umfrage wird dann ein Nearshoring-Attraktivitätsindex für knapp 100 Regionen innerhalb von Europa evolviert: «Dieser erlaubt es den Firmen, ihre Near­shoring-Entscheidung objektiver und datenbasierter zu treffen.»
Der Nearshoring-Index ist frei zugänglich: «Wir sind ein Hochschulinstitut und haben entsprechend ­einen Öffentlichkeitsauftrag», erklärt Zoller-Rydzek. «Man kann sich deshalb als Schweizer IT-Firma auf unserer Website anschauen, wie eine durchschnittliche Schweizer IT-Firma die verschiedenen Nearshoring-Standorte einschätzt.» Gleichzeitig mache das CGC auch Unternehmensberatungen: «Firmen können uns sagen, was bei ihnen anders als beim Durchschnitt ist, beispielsweise was die Löhne, die Unternehmenskultur oder den Datenschutz anbelangt. Wir erstellen dann für den Kunden eine individualisierte Datenanalyse und daraus personalisierte Indizes.» In ­Anspruch genommen werde dieser Service hauptsächlich von IT-Firmen oder Firmen, die ihre IT nearshoren wollen. Meist handle es sich um IT-lastige Finanzfirmen.  

Verlagerung von Ost- nach Westeuropa

Laut Zoller-Rydzek zeige sich derzeit ein Trend weg vom klassischen Nearshoring in Osteuropa. «Die Firmen gehen eher wieder nach Westeuropa», sagt er. «Regionen wie Barcelona, Kopenhagen und Manchester sind sehr attraktiv, beispielsweise was die Verfügbarkeit von IT-Fachkräften anbelangt.» Auch seien die kulturellen Unterschiede beispielsweise zum Norden von England nochmals geringer als etwa zu Moldawien. Auch böten sich Vorteile in Dingen wie Sprache und Erreichbarkeit.
Besonders betroffen ist kriegsbedingt die Ukraine. «Diese war ein absolutes Erfolgsmodell für Nearshoring», erklärt Zoller-Rydzek. «Sie hat sehr viele sehr fähige Programmierer, die auch Highlevel-Programmiersprachen beherrschen.» Die meisten Schweizer Firmen seien im Moment sehr kulant, was dortige Auftragsarbeiten an­belangt.
Schwieriger sei es für jene, die in der Ukraine ­Nearshoring-Standorte betreiben: «Momentan gibt es ­einen Ausreisestopp für Männer aus der Ukraine», sagt er. «Schweizer Unternehmen bemühen sich deshalb um Ausnahme­genehmigungen, mit denen fähige Programmierer in die Schweiz geholt werden können.» Und jene, die es schaffen, selbst zu fliehen, würden oft mit Handkuss in der Schweiz eingestellt: «Der Krieg unterstützt ­einerseits den Trend der Nearshoring-Verschiebung nach Westeuropa und andererseits den Brain-Drain aus der ­Ukraine», so ­Zoller-Rydzek. «Und ich gehe davon aus, dass es, wenn sich der Konflikt beruhigt, eine grosse Welle von IT-Fachkräften in die Schweiz und nach Westeuropa ­geben wird – insbesondere, weil ihre Familien oft schon hier und die Löhne ­höher sind.»



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