26.09.2006, 09:45 Uhr

Quo vadis Mobile Payment?

Mobile Payment, also elektronisches Zahlungssystem, das die Abwicklung von Bezahlvorgängen über Handy ermöglicht, ist seit Jahren ein heisses Thema. Durchgesetzt hat es sich bislang aber nicht.
Klaus Jansen-Knor ist Director Central & Eastern Europe von Mobile 365.
Das Mobiltelefon ist das Kommunikationsmedium Nummer eins und hat in Nutzung und Verbreitung das Festnetz längst überholt. Kontinuierlich wachsende Übertragungsgeschwindigkeiten ? von WAP und GPRS zu UMTS ? ermöglichen massive Inhalte und Anwendungen. Hochauflösende Bildschirme präsentieren bewegte Bilder auf dem Handy in verblüffender Qualität. Die mobilen Endgeräte von heute bieten Speicherkapazität und Rechenleistung, die mit der PC-Generation von vor drei Jahren vergleichbar sind. Das Handy mausert sich zum mobilen Alleskönner: Es fungiert als MP3- und Videoplayer, Kamera und Photoalbum, als Spielekonsole sowie als Organizer, der sich blendend mit MS Outlook oder Lotus Notes versteht. Der moderne Mensch trägt in der Regel drei Dinge in der Tasche: einen Schlüssel, mindestens ein Handy ? und eine Geldbörse.
Nun werden Stimmen laut, das Handy auch als Alternative zur Geldbörse oder Kreditkarte einzusetzen. Wie schön ist die Vorstellung sich Bargeld, Karten und Pin-Nummern zu sparen und einfach alle Einkäufe per Handy zu bezahlen.
Mobile Payment, also ein elektronisches Zahlungssystem, das die Abwicklung von Bezahlvorgängen über SMS, MMS oder mobiles Internet ermöglicht, ist seit Jahren ein heisses Thema. Bislang blieben die Entwicklungen in diesem Bereich aber immer weit hinter dem zurück, was Analysten prognostizierten. Tatsache ist, dass es für Mobile Payment ein enormes Wachstumspotential gibt; genauso auch viele Herausforderungen.
Was spricht für Mobile Payment? In jedem Handy steckt eine SIM-Karte. Dieses Subscriber Identity Module ist ein kleiner Chip in Briefmarkengrösse und ermöglicht die eindeutige Identifikation, Authentifizierung und Autorisierung des Nutzers im Netz. Genau diese Merkmale sind zwingende Voraussetzung für sicheres elektronisches Bezahlen. In diesem Sinne ist die Bezahlung der Telefonrechnung übrigens selbst bereits Mobile Payment.

Verschiedene Ansätze

Auf dem Markt existieren aktuell eine Vielzahl unterschiedlicher Mobile-Payment- Ansätze. Das System, mit dem der Kunde für solche Inhalte und Services bezahlt, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Handy stehen ? also Klingeltöne, Wallpaper, Games etc. ? heisst Premium-SMS. Dieses Verfahren ermöglicht die durch die Netzbetreiber abgesicherte Transaktion von Kleinstbeträgen, so genannte Micropay-ments bis zu etwa sieben bis acht Franken, und wird von den Nutzern bereits akzeptiert. Als der wesentliche Vorteil dieses Bezahlsystems gilt, dass sich die Transaktionsbeträge auf der Telefonrechnung des Kunden wieder finden. Der Netzbetreiber rechnet im Auftrag des Anbieters ab und behält dafür einen Anteil der Umsätze ein.
«Echtes» Mobile Payment, also das Bezahlen mit dem Telefon und Abrechnung über die Telefonrechnung, hat sich trotz der guten Eignung des Handys als Zahlungsmittel noch nicht durchgesetzt. Das Bezahlen über das Telefon dagegen ist bereits hier und dort möglich, wie beispielsweise an bestimmten Fahrkartenschaltern oder einigen Zigarettenautomaten. Das Handy fungiert hier allerdings als Kanal, nicht als Medium und setzt deshalb eine individuelle Registrierung jedes einzelnen Kunden über ein Callcenter voraus. Das Payment wird demnach nicht über das Handy durchgeführt, sondern nur initiiert ?- die Transaktion findet traditionell über Bankeinzug oder Kreditkarte statt. Wenn wir heute über Mobile Payment reden so betrifft das also zumeist Anwendungen,
die auf existierende Bezahlsysteme aufsetzen.
Dieser kleine aber auch entscheidende Unterschied zwischen dem echten «Bezahlen mit dem Telefon» als Quasi-Kreditkarte und «Bezahlen über das Telefon» durch die Veranlassung einer Kreditkartenzahlung ist noch nicht vollständig durchgedrungen. Hier allerdings wird eine exakte Differenzierung zukünftig notwendig.
Damit sich mobiles Bezahlen etablieren kann, muss das Handy als Bezahlsystem unabhängig vom Mobilfunknetzbetreiber und vom individuellen Vertragsmodell funktionieren, das heisst mit einem Vertragshandy ebenso wie mit einer Prepaid-Karte.

Keine Innovationen

Mobile Wallets ? also vorbezahlte Guthaben auf der SIM-Karte ? sind Systeme, die theoretisch funktioniert haben. In der Praxis jedoch hatten sie keinen Erfolg. Warum? Dies könnte an der Tatsache liegen, dass «bezahlen» alleine kein Produkt ist, das sich gut verkauft.
Welche Produkte und Leistungen werden dem Handybesitzer überhaupt mobil zum Kauf geboten? Produkte und Leistungen des Mobilfunknetzbetreibers selbst sind überwiegend Klingeltöne, Games oder Newsdienste. Produkte und Leistungen von Dritten, die sich der technischen Infrastruktur der Netzbetreiber bedienen, gleichen sich grösstenteils und umfassen ebenfalls Klingeltöne und Games, aber auch Chat-Dienste. Darüber hinaus ist eine interessante und vielfältige Palette von Angeboten kaum sichtbar und deren Nachfrage dementsprechend überschaubar ? sie wird im Wesentlichen von Netzbetreibern und Dritten befriedigt. Gibt es aktuell Innovationen und neue, aufregende Dinge, die mobil bezahlt werden wollen? Bislang Fehlanzeige.

Keine globale Lösung

Gäbe es diese Angebote, dann wäre Mobile Payment eine «globale» Lösung, die für Swisscom-Kunden ebenso verfügbar ist, wie für Kunden von Orange oder Sunrise. Zudem wäre es dann egal, ob man an der Parkhausschranke, am Zigarettenautomaten oder an der Supermarktkasse mobil bezahlen möchte. Zwingende Voraussetzung dann ist aber eine echte Payment-Kompetenz.
Hier genau wird das eigentliche Problem deutlich: Die Unternehmen, die Mobile Pay-ment am einfachsten anbieten können ? also die Netzbetreiber ?, stehen miteinander im Wettbewerb um Kunden, und das ist kein gutes Klima für einen gemeinsamen und erfolgsversprechenden Ansatz. Andere Unternehmen wie Banken oder Kreditkarteninstitute haben das Thema noch nicht strategisch erschlossen. Wiederum andere Unternehmen wie Medienhäuser oder Content-Anbieter nutzen das eingeschränkte Angebot der Mobilfunknetzbetreiber für Dritte und beschränken sich auf Premium-SMS.

Unabhängige Plattformen

Deshalb geht der Trend momentan zu Bezahlsystemen, die bereits existierende Mechanismen nutzen und als eine einheitliche Anwendung vermarkten. Eine anbieterunabhängige Abrechnungsplattform bietet Content-Anbietern zu den unterschiedlichen Abrechnungssystemen der Netzbetreiber weltweit Zugang und lässt Produkte und Services direkt über die normale Mobilfunkrechnung jedes Kunden abrechnen. Die unterschiedlichen Verfahren der Netzbetreiber werden adaptiert und in der -Umsetzung für den Anbieter wesentlich vereinfacht. Der Konsument nutzt innerhalb dieses Konzeptes nach wie vor die Möglichkeiten, die ihm sein Netzbetreiber -offeriert: Premium-SMS, WAP-Billing oder Web-Payment. Payment in dieser Diktion ist also die Aggregation unterschiedlicher Pay-mentverfahren innerhalb einer Pay-ment-Anwendung für Spezialisten, die ihre -Produkte und Dienste über Mobil-funktechnologie direkt den Endkunden anbieten, ohne auf die proprietären Plattformen der einzelnen Mobilfunknetzbetreiber zurückzugreifen.
Klaus Jansen-Knor



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