Street-View-Urteil
08.04.2011, 16:14 Uhr
Verbände sind besorgt
Google muss laut Bundesverwaltungsgericht alle Gesichter bei Street View unkenntlich machen. Die Verbände ICTswitzerland und Swico sehen in dem Urteil falsche Signale für den Standort Schweiz.
ICTswitzerland, der Dachverband der helvetischen ICT-Organisationen, und Swico, der Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz, haben sich zum Street-View-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) geäussert: Für die Schweiz als Wirtschafts- und Innovationsstandort sei der vorliegende Entscheid nicht förderlich, heisst es. So nehmen ICTswitzerland und Swico das Street-View-Urteil laut eigenen Angaben «mit Besorgnis zur Kenntnis».
Strengere Massstäbe?
Konkret befürchten die Verbände, dass man hierzulande künftig auf Google Street View verzichten muss. Zwar ist ihrer Ansicht nach «Datenschutz ein wichtiges Gut, auch bei digital gespeicherten Bildern.»Das BVG-Urteil setze bei Street View aber einen strengeren Beurteilungsmassstab an, als bei anderen Anbietern von digitalen Bilddaten. Der Entscheid tangiere auch die bisherige Schweizer Medienordnung: «Bilder und Filme der Medien erfassen bei öffentlichen Anlässen und Reportagen im öffentlichen Raum ebenfalls unbeteiligte Passanten oder Zuschauer», erklären die beiden Verbände. Diese könnten auch später im WWW abgerufen werden, ohne dass sie vorher anonymisiert würden. Google muss hingegen «darum besorgt sein, sämtliche Gesichter und Kontrollschilder unkenntlich zu machen, bevor die Bilder im Internet veröffentlicht werden», wie das BVG-Urteil festhält. Weiter muss der Suchmaschinenriese im Bereich von sensiblen Einrichtungen wie beispielsweise Gefängnissen, Spitälern oder Frauenhäusern «nebst den Gesichtern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Person, etc.» so verwischen, dass die abgebildeten Personen nicht mehr erkennbar sind.
Weitere Klagen könnten folgen
Der Schutz der öffentlichen Sphäre wird damit - entgegen der Entwicklung der neuen Medien - unverhältnismässig vorangetrieben, sind ICTswitzerland und Swico überzeugt. Das Urteil werfe auch rechtliche Fragen bei öffentlichen Webcams und Newsportalen auf. Mit weiteren Klagen zum Recht am eigenen Bild ist zu rechnen, so die helvetischen Verbände.
Google hat bereits kurz nach dem BVG-Entscheid angekündigt, die Urteilsbegründung zu prüfen. Der Internetriese will im Zuge dessen untersuchen, «was das Urteil für Street View in der Schweiz bedeutet und welche Möglichkeiten der Berufung bestehen», so damals Peter Fleischer, Global Privacy Counsel bei Google. Die Causa Street View könnte in der Schweiz also noch lange nicht endgültig entschieden sein - beispielsweise wenn Google den BVG-Entscheid bis ans Bundesgericht weiterziehen sollte.
Harald Schodl