Die Schweiz und der digitale Wahlkampf

Gezielt die richtigen Personen ansprechen

Das zweite Referat des Abends kam von Lisa-Christina Winter, Senior User Researcher der Firma TestingTime. Sie zeigte dem Publikum auf, welche Möglichkeiten die Kombination von Data Science und Psychologie bietet – sowohl in der klassischen Werbung als auch im Wahlkampf. Sie sprach dabei über das Thema «Psychotargeting» – also die personalisierte Werbung. Winter betonte bereits zu Beginn ihres Vortrags, dass es dabei nicht darum gehe Fake News zu streuen, sondern um die Distribution von Nachrichten an die passende Zielgruppe. Denn das Ziel dabei sei es, potenzielle Käufer oder eben auch Wähler zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Kanal mit der richtigen Botschaft zu versorgen.
Lisa-Christina Winter erklärte dem Publikum, wie das «Psychotargeting» funktioniert
Quelle: lp/Computerworld
Wie das funktioniert, erklärte sie anhand der Vorgehensweise der von ihr gegründeten Firma Hakuna MaData, die «experimentelles Marketing» für Start-ups und KMU anbietet. Und zwar werden existierende Kundendaten etwa aus dem CRM eines Unternehmens mit persönlichen Daten kombiniert, an die man beispielsweise via Facebook kommt. «Dadurch wissen wir nicht nur, welche soziodemografischen Profile unsere Käufer oder potenziellen Käufer haben, sondern auch welche Persönlichkeit. So können wir dann den Inhalt und das Design der Werbung darauf anpassen.» Herangezogen würden dazu Erkenntnisse aus der Psychologie, etwa dass extrovertierte Personen dazu neigen, häufiger Geld zu spenden als introvertierte, erklärte die promovierte Psychologin und Data-Science-Spezialistin.
Ähnlich sei auch die Skandal-Firma Cambridge Analytica vorgegangen, erklärte Winter. Nur habe das Unternehmen die Daten für ihre Analysen unter anderem ohne Zustimmung der User beschafft oder zweckentfremdet. «Seit Cambridge Analytica und GDPR ist es deshalb schwieriger geworden, solche Daten zu nutzen.» Möglich sei es jedoch nach wie vor, erklärte die Expertin, Tech-Konzerne erteilten auf Anfrage offiziell die Erlaubnis, mit diesen zu arbeiten.

Wie wichtig sind digitale Kanäle wirklich?

In der abschliessenden Diskussionsrunde konnte sich schliesslich auch das Publikum einbringen. Den Fragen der Gäste stellten sich nebst den Referenten Gilardi und Winter auch Adrienne Fichter, Autorin des Online-Magazins «Republik», und Nicolas Zahn, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Digitalisierung bei Operation Libero. Der SVP-Nationalrat Maximilian Reimann wollte von ihnen etwa wissen, wie man das Werbebudget denn nun auf digitale und analoge Kanäle aufteilen solle. Die Data-Science-Spezialistin Winter meinte, sie könne online mehr Personen aktivieren und würde deshalb alles auf digitale Kanäle setzen. Fichter würde ebenfalls das gesamte Budget in digitale Produkte investieren, beispielsweise in Video-Produktionen. Gilardi wählte die wissenschaftliche Vorgehensweise und sagte, er wolle erst die Wirkung beider Varianten untersuchen, bevor er sich festlege. Und Zahn würde fifty-fifty machen, denn er gehe davon aus, dass sich on- und offline gegenseitig verstärken müssten. Er merkte allerdings noch an, dass der Einsatz von Technologie im politischen Campaigning über die Sozialen Medien hinausgehe. Wichtig seien für ihn beispielsweise auch Elemente wie eine Webseite, E-Mails oder das CRM. Im Bereich der Freiwilligenarbeit seien digitale Tools zudem nützlich, um Leute zu koordinieren. Und nicht zu vernachlässigen sei letztlich auch die Finanzierung mittels Crowdfunding, sagte Zahn.
An der Podiumsdiskussion beteiligten sich Nicolas Zahn, Fabrizio Gilardi, Adrienne Fichter und Lisa-Christina Winter (von links). Die Moderation übernahm der Parldigi-Geschäftsleiter Matthias Stürmer (Mitte)
Quelle: lp/Computerworld
Adrian Lobsiger, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte, meldete sich gegen Ende der Veranstaltung auch noch zu Wort. In seinem Votum wies er darauf hin, dass die Quintessenz im digitalen Wahlkampf die Transparenz sei. Er warnte davor, dass Mehrheitsentscheide künftig von den Verlierern infrage gestellt werden könnten, wenn sie eine Manipulation seitens der Kontrahenten mit digitalen Mitteln vermuteten. Der Edöb forderte deshalb, dass die Datenbearbeitungsmethoden, die in der Beeinflussung der politischen Meinungsbildung stattfinden, künftig transparent aufgezeigt werden müssen. Gemäss Adrienne Fichter leistet zumindest Facebook künftig Unterstützung, um die Transparenz auf den eigenen Plattformen zu fördern. So werde künftig die politische Werbung auf Facebook und Instagram gefiltert und in einer Bibliothek hinterlegt, sodass eine Übersicht über politische Kampagnen existiert, erklärte die Journalistin.



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