18.02.2010, 06:00 Uhr

Im WAN entscheidet sich die Leistung

Im Weitverkehrsnetz wird der Platz langsam knapp. Bandbreitenerhöhung bringt oft nichts, WAN-Optimierung nur wenig. Application Performance Management (APM) ist oft der einzige Ausweg aus der Performance-Falle.
Mario Gurschler ist Senior Product Manager bei T-Systems Schweiz
Geschäftsprozesse reichen längst über das interne Firmennetz hinaus. Unternehmen sind in der global ausgerichteten Wirtschaft dezentral organisiert, mit Standorten in mehreren Ländern und immer mehr mobilen Usern, die von überall her, unterwegs oder beim Kunden, auf ihre Applikationen und Daten zugreifen müssen. Ob Office-Software, CRM-Lösungen, Sharepoint, Datenbanken oder Videokonferenzen - die Zahl der Applikationen, die ausserhalb des Firmen-Netzwerks genutzt werden, wächst stetig.
CIOs und IT-Verantwortliche sind zudem immer häufiger aus Compliance-Gründen zur Zent-ralisierung der IT-Infrastruktur gezwungen - die Server in den Niederlassungen lösen sich in Luft auf. Cloud Computing, die Verlagerung der IT-Infrastruktur nach ausserhalb der Firmen-Firewall, steht auf der Wunschliste so mancher Unternehmen. Virtualisierung reduziert Kosten und Server. All diese Veränderungen in der IT-Landschaft führen dazu, ein bisher stiefmütterlich behandeltes Netz genauer ins Auge zu fassen: das Weitverkehrsnetz (Wide Area Networks, WAN). Laut verschiedenen Studien nehmen Schweizer Unternehmen punkto WAN eine Führungsrolle ein - vermutlich wegen des Bankensektors und anderer global aufgestellter Unternehmen.

WAN als Schwachstelle der IT

Ein WAN erstreckt sich geografisch über die ganze Welt und umfasst eine beliebige Anzahl von Computern und Verbindungswegen. WANs werden aufgrund der globaleren Wirtschaftsstrukturen immer stärker belastet, bieten Unternehmen jedoch nicht dieselben hohen Bandbreiten wie das Local Area Network (LAN) und sind zudem teurer in Betrieb und Unterhalt. Mit anderen Worten: Wer das WAN vergisst, der gefährdet die Neuausrichtung seiner ICT-Infrastruktur und schränkt die Performance der Applikationen ein - letztlich büsst das ganze Unternehmen an Leistungsfähigkeit ein.

Leistung und Qualität sicherstellen

Wurde früher bei Engpässen im WAN schlicht die Bandbreite erhöht, reicht diese Massnahme längst nicht mehr aus. Es nützt nicht viel, nur an der Bandbreitenschraube zu drehen oder alle Daten einfach zu komprimieren: Ein WAN-Optimierer weist womöglich den falschen Anwendungen mehr Performance zu, während die wichtigen weiterhin nur zäh reagieren. Das verärgert die Anwender, schränkt die Produktivität ein und verlangsamt die Geschäftsprozesse.
Nur eine ganzheitliche Sicht auf das WAN, auf die genutzten Applikationen und die dafür jeweils notwendige Verfügbarkeit schafft die Voraussetzungen für ein leistungsfähiges WAN mit einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Application Performance Management (APM) ist eine Methode, die Leistung zu steigern und die Übertragungsqualität sicherzustellen. APM-Appliances kontrollieren nicht nur die Netzqualität, sondern optimieren gezielt die Anwendungslaufzeit. Anwendungen, die dringend benötigt werden, erhalten eine Vorzugsbehandlung: Sie werden im WAN priorisiert und mit genügend Kapazität versorgt.
Die Nachfrage nach APM-Lösungen wird daher steigen: Die Marktforscher von Gartner sagen dem weltweiten APM-Markt bis 2014 Steigerungen um 12,22 Prozent auf mehr als vier Milliarden US-Dollar voraus.

Analysieren, beobachten, optimieren

Latenz ist das Problem der Stunde. Mehr Bandbreite, mehr Server anzuschaffen, ist in den meisten Fällen überflüssig: Der Effekt geht gegen null. Der erste Schritt zur Optimierung des WAN und zu leistungs-fähigeren Applikationen sollte eine umfassende Analyse sein. Dazu gehört nicht nur die technische Sicht, auch das Anwenderverhalten beeinflusst das WAN: Zu welchen Zeiten starten datenintensive Videokonferenzen? Wer beansprucht diese oder jene Datenbank von welchem Standort aus am stärksten? Wie beeinflusst unkritischer Traffic wie E-Mail, Backups oder Surfen die geschäftskritischen Anwendungen? Bis hinauf in die Anwendungsschicht muss jedes einzelne Datenpaket analysiert werden. Auch die Konsolidierung der Firmen-IT in wenige Datenzentren kann plötzlich zu Latenzen führen. Software-Verteilung, Patch-Days und andere kurzfristig angesetzte datenintensive Aktionen bremsen das WAN ebenfalls aus.
Ein intensives Monitoring auf den Ebenen der Applikationen, des Traffics, der Service Level Agreements und der VoIP-Übertragung untermauert die Analyse mit konkreten Messdaten. IT-Verantwortliche sehen so sofort, wer mit welcher Applikation wann und warum ein Performance-Problem hat.
Danach fällt der dritte Schritt leichter: Ein erfahrener, unabhängiger Service Provider findet die passende Optimierungslösung. Zwar ist der Markt für WAN Optimization Controller (WOC) überschaubar, doch die Geräte der Hersteller weisen höchst unterschiedliche Eigenschaften und viele Funktionen in einer Box auf. Wer sich vertut, die falschen Appliances wählt, gibt viel Geld für eine kaum spürbare Verbesserung aus. Je nach IT-Landschaft und der Datenlage im WAN kosten APM-Projekte schnell einmal mehrere Hunderttausend Franken.

Mehr Leistung, weniger Kosten

WAN-Optimierung mit APM kann die Leistung der Applikationen um bis zu 1000 Prozent steigern. In Einzelfällen ist eine 50- bis 100-fache Beschleunigung möglich. Das ist kein Werbeversprechen, sondern ein Erfahrungswert. Diese Zahlen verleiten IT-Entscheider oft, APM als Feuerwehr einzusetzen, wenn die Applikationen nur zäh laufen. Doch den Ballast im WAN loszuwerden, erzielt nachhaltigere Auswirkungen auf die IT-Abteilung und das Unternehmen.
APM fördert die Neuausrichtung der IT-Infrastruktur, die IT-Zentralisierung und mildert die Risiken, denen sich Unternehmen in der globalen Marktwirtschaft mit ihrer zunehmenden Regulierungsdichte aussetzen. Mit APM können sie Vorgaben bezüglich Datenintegrität und Archivierung einfacher einhalten. Platz für neue Anwendungen wird geschaffen, unabdingbar für die technische Entwicklung des Unternehmens und die verstärkte Ausrichtung der IT auf die Geschäftsprozesse.
Unternehmen und ihre Mitarbeitenden profitieren von APM-Installationen auch durch reibungslosere Datenabläufe und eine verbesserte Funktionalität aller Applikationen. Durch den vertieften Einblick in die ICT-Landschaft lassen sich zu guter Letzt auch Investitionen zielgenau planen. Anstatt etwa extra ein
Rechenzentrum in Asien einzurichten, könnte APM die benötigte Performance auch vom Hauptsitz aus erbringen - die Investition wäre überflüssig.
Mögliche Kosteneinsparungen lassen sich nicht beziffern. Sie hängen zu sehr vom Einzelfall ab. Erfahrungsgemäss wird jedoch der Break-even einer APM-Installation meist bereits nach drei Monaten erreicht. Anders gesagt: Das erwartete Return-on-Investment-Potenzial beläuft sich auf über 250 Prozent. Die höhere Performance der Applikationen kommt zudem der Produktivität der Mitarbeitenden an allen Standorten zugute. Sie arbeiten LAN-übergreifend reibungsloser zusammen. So kann das Unternehmen global stärker denn je als geschlossene Einheit auftreten.
So funktioniert APM

Application Performance Management kombiniert die Optimierung des WAN mit Technologien, die bestimmte Applikationen und Protokolle gezielt beschleunigen. Bei Client und Server kommt stets der Original-Datenstrom an. Nur ein Teil des Weges - das WAN - wird durch geschickte Optimierung entlastet. Die Optimierungs-Engines auf Sender- und Empfängerseite merken sich, welche Pakete bereits versendet wurden. Wird eines davon erneut nachgefragt, senden sie an seiner Stelle eine deutlich kleinere Referenz auf das bereits gesendete Datenpaket.

Dieses sogenannte Byte-Caching ist sehr effektiv. Andere mehrfach genutzte Elemente wie Bilder oder Formatdefinitionen werden ebenfalls auf diese Art und Weise übertragen.

Insgesamt lässt sich so eine Datenreduktion von 60 bis 95 Prozent erzielen. Weitere Ersparnisse werden mit Datenkompression und TCP-Optimierung erzielt. Bei Letzterer werden etwa Steuerungssignale lokal von der Optimierungs-Engine beantwortet und nicht mehr über das WAN übertragen.

Bei der Application Acceleration gleichen Adaptoren gezielt die spezifischen Schwächen bestimmter Applikationen aus. Transaktionsintensive Protokolle wie CIFS (Microsoft Common Internet File System) oder MAPI (Exchange) lassen sich durch Zwischenspeicher bändigen.

WOC: Intelligenz im WAN

Mithilfe von WAN Optimization Controllern (WOC) können IT-Verantwortliche überall im Unternehmensnetzwerk einen mit dem LAN vergleichbaren Zugriff auf Anwendungen und Daten bereitstellen.

Der Trend bei WOC geht in Richtung Multifunktionalität: Sie beinhalten auch Funktionen für Skalierbarkeit, Clustering und Hochverfügbarkeit. Sind nach eingehender Netzwerkanalyse und dem Monitoring der Applikationen die geeigneten Geräte der Hersteller identifiziert, ist Installation und Betrieb für das Unternehmen keine grosse Sache mehr. Netzwerkprovider wie T-Sytems bieten APM als managed Service an.
Mario Gurschler



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