15.01.2010, 11:43 Uhr

IDC-Kommentar zum Orange-Sunrise-Merger

Die Sunrise-Übernahme durch Orange Schweiz kurbelt die Konkurrenz für Swisscom an, meint IDC-Analyst Dan Bieler.
Dan Bieler ist Director Consulting, European Telecommunications & Networking bei IDC
Am 25. November 2009 einigten sich France Telecom und TDC darauf, ihre jeweiligen Schweizer Töchter, Orange Schweiz und Sunrise, zu fusionieren. Der Fusionsvertrag soll in der zweiten Februarhälfte 2010 unterzeichnet werden.
Stärkere Konkurrenz für Swisscom
Das fusionierte Unternehmen verfügt über 3,5 Millionen Mobilkunden und 1,1 Millionen Kunden für Festnetz- und Breitbandverbindungen; das macht einen Marktanteil von 38 % im Mobilfunkmarkt und 13 % im Festnetz-Breitbandmarkt aus. 2008 hätte die die fusionierte Firma Pro-Forma-Gesamtumsätze in Höhe von 3,1 Mrd. CHF und ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) in Höhe von 809 Mio. CHF erwirtschaftet. Die Pro-Forma EBITDA-Marge hätte sich in etwa um die 26 % für 2008 bewegt.
Durch die Fusion können sich beide Unternehmen besser gegenüber Swisscom positionieren, denn dem Schweizer Traditionsunternehmen erwächst daraus nun der wichtigste Mitbewerber, der fast doppelt so gross ist wie vorher.
Die Swisscom wird das wohl besonders im Mobilfunkbereich zu spüren bekommen, denn hier ist das Aufholszenario ausgeprägter als im Festnetzbereich. Bereits 2008 geriet das heimische Mobilfunkgeschäft des Schweizer Kommunikationsriesen immer mehr unter Druck. Die Umsätze mit Privatkunden gingen 2008 bei der Swisscom um 9,2 % zurück, im KMU-Segment (kleine und mittelständische Unternehmen) blieben die Zahlen dagegen relativ stabil. Bei den Grosskunden wurde ein Rückgang um 2,8 % verzeichnet. Auch im Mobilfunk-Großhandel fielen die Umsatzzahlen 2008 um sieben Prozent. Einer der Schlüsselfaktoren für diese Entwicklung sind die sinkenden Durchschnittserträge pro Nutzer (average revenue per user, ARPU); sie fielen im Jahr 2008 um 8,8 % auf 52 CHF (34 EUR) pro Monat. Zum Vergleich: die ARPU-Rate der Deutschen Telekom betrug 2008 15 EUR. Das zeigt deutlich, dass durch die Übernahme die Preise wohl unter Druck geraten werden, zumindest mittelfristig.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Risiken durch die Übernahme
Die Übernahme von Sunrise durch Orange Schweiz ist zwar grundsätzlich positiv - allerdings gibt es dabei auch offensichtlich Risiken:
o Operative Effizienzsteigerungen für Orange und Sunrise: Von der Übernahme erwartet man sich Synergieeffekte in Höhe von geschätzten 2,1 Mrd. EUR Kapitalwert (3,2 Mrd. CHF).
o Swisscom sieht sich einem stärkeren Konkurrenten gegenüber: Aus der Fusion geht ein stärkeres Unternehmen hervor, das sich gegen die Swisscom effektiver durchsetzen kann; die Größe des stärksten Mitbewerbers verdoppelt sich nahezu.
o Hoffentlich attraktivere Angebote für Privat- und Geschäftskunden: Die durch die Fusion wahrscheinlich entstehenden Synergien verbessern auch die finanziellen Ergebnisse der neuen Firma, verglichen zu den beiden kleineren Firmen. Im Umkehrschluss sollte es möglich sein, einige dieser Synergien in Form niedrigerer Gebühren an die Kunden weiterzugeben.
o Reales Risiko eines entstehenden Oligopols/Duopols: Nach einem anfänglich zu erwartenden Kampf könnten die beiden Konkurrenten so etwas wie "freundschaftliche" Beziehungen knüpfen, sich auf Marktsegmente und "Interessenssphären" einigen und die Konkurrenz auf ein Minimum beschränken.
Attraktivere Angebote für Privat- und Firmenkunden
Nach Meinung der IDC-Experten könnten durch die Fusion die Angebote im Schweizer Kommunikationsmarkt sowohl für Privat- als auch für Unternehmenskunden an Attraktivität gewinnen. Die durch die Fusion wahrscheinlich entstehenden Synergien verbessern auch die finanziellen Ergebnisse des neuen Unternehmens, verglichen zu den beiden kleineren Firmen. Diese Synergien könnten durchaus teilweise in Form niedrigerer Gebühren an die Kunden weitergegeben werden.
Die grössere Kundenbasis für Festnetz wie auch Mobilfunk hat zudem das Potenzial, neue, innovative Konvergenzlösungen zu fördern. Durch die Übernahme besteht die Möglichkeit, die gemeinsamen Ressourcen in innovative Tarifpakete und die Entwicklung weiterer Mehrwertleistungen, z. B. neuartige Kommunikationsmöglichkeiten wie Unified Communications, zu stecken.
Auch ein erneuter Schritt Richtung MVNOs (Mobile Virtual Network Operators), die Netzleistungen einkaufen und selbstständig an Dritte vermarkten, ist nicht ausgeschlossen. Damit würde sich der Schweizer Markt für ganz neue Mitbewerber im Mobilfunkmarkt öffnen, wie das in Ländern wie Dänemark, den Niederlanden und Deutschland ja bereits geschehen ist.
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Risiko eines entstehenden Oligopols/Duopols
Das offensichtlichste Risiko für den Schweizer Markt besteht darin, dass sich das neue Unternehmen und Swisscom mit der Zeit eine Oligopolstellung sichern. Nach einem anfänglich zu erwartenden Kampf könnten diese beiden Konkurrenten auf ein ,,freundliches Miteinander" hinarbeiten, sich also auf Marktsegmente und "Interessensphären" einigen und die Konkurrenz auf ein Minimum beschränken. Die Eidgenössische Kommunikationskommission Federal Communications Commission (ComCom), die Schweizer Regulationsbehörde, muss beide Firmen im Auge behalten, um solchen Tendenzen in der Zukunft von vornherein zuvorzukommen.
Zukunftsaussichten
Durch die angekündigte Fusion gerät wieder Bewegung in den Schweizer Kommunikationsmarkt, eine durchaus willkommene Nachricht, denn schließlich hat dieser Markt einen eher konservativen Ruf. Jede Chance auf ,,Innovationssprünge" und attraktivere Kommunikationstarife bringt für die Schweizer Wirtschaft insgesamt potenzielle Vorteile mit sich.
Für TDC ist der Deal insofern interessant, als sich das Unternehmen jetzt verstärkt auf den skandinavischen Markt konzentrieren kann, der mehr Ähnlichkeiten mit seinem angestammten Markt aufweist als die Schweiz.
Dan Bieler



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