21.09.2016, 17:55 Uhr

Brüssel verbannt Roaming-Gebühren

Die EU-Kommission will die ungeliebten Roaminggebühren für die Nutzung des Handys im EU-Ausland total abschaffen. Schweizer Handynutzer werden hingegen nicht von der neuen Regelung profitieren.
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Die EU-Kommission will die ungeliebten Roaminggebühren für die Nutzung des Handys im EU-Ausland total abschaffen. Schweizer Handynutzer werden hingegen nicht von der neuen Regelung profitieren. Das gebührenfreie Roaming solle wie geplant Mitte Juni 2017 starten. «Wir wollen, dass Roaming auf Dienst- und Urlaubsreisen ohne zeitliche Begrenzung ohne Zuschläge möglich ist», erklärte der EU-Digitalkommissar Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel. Allerdings sieht die EU-Kommission Massnahmen vor, um einen Missbrauch dieser Regelung zu vermeiden. Die Nutzung einer SIM-Karte und der Roamingfreiheit soll an den Wohnsitz gebunden sein. Bei vermutetem Missbrauch soll der Telekomanbieter den Nutzer vorwarnen und das gebührenfreie Roaming eventuell abschalten dürfen. Indikatoren für einen Missbrauch könnten etwa lange inaktive SIM-Karten sein, die praktisch nur im EU-Ausland aktiviert werden. «Wir haben unterschiedliche Preise in Europa», begründete Oettinger diese Massnahme. Es dürfe nicht dazu kommen, dass sich zum Beispiel jemand eine SIM-Karte in Lettland kaufe und die Karte nur in Irland benutze, wo die Preise sechseinhalb Mal höher seien als in Lettland. «Das lettische Telekomunternehmen wäre dann nach wenigen Tagen pleite», sagte Oettinger.

Positive erste Reaktionen

Im Falle unvorhergesehener negativer Effekte - sowohl für die Anbieter wie auch für die Mobilfunkkunden - kann das gebührenfreie Roaming gemäss dem Vorschlag aus Brüssel temporär ausgesetzt werden. Die Vorschläge der EU-Kommission werden jetzt dem Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) zur Prüfung vorgelegt. Bis zum 15. Dezember soll die Vorlage verabschiedet werden. Positiv äusserte sich der konservative EU-Parlamentarier Herbert Reul: «Die EU hält ihr Versprechen an die Nutzer.» Lob gab es auch von Constanze Krehl (SP). Der Druck aus dem EU-Parlament habe gewirkt. Kritik kommt hingegen vom grünen EU-Abgeordneten Michel Reimon. Er bemängelte, dass die Kontrolle über Roaminggebühren den Telekomanbietern obliegt. «Wenn ein Anbieter beschliesst, dass man im europäischen Ausland unverhältnismässig viel telefoniert oder streamt, kann er ganz einfach Strafzahlungen einfordern».

Eigentlich ein Rückzieher

Mit diesem neuen Vorschlag macht die Brüsseler Behörde einen Rückzieher. Ursprünglich sahen ihre Pläne vor, Roaming nur für 90 Tage im Jahr und lediglich 30 Tage am Stück zu ermöglichen. Konsumentenschützer sowie Abgeordnete aus dem EU-Parlament hatten diese Fristen als zu kurz kritisiert. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ordnete daher vor knapp zwei Wochen an, den ursprnglichen Entwurf zu berarbeiten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Situation in der Schweiz

Schweizer zahlen weiter Roaminggebühren

Weil die Schweiz nicht zur EU gehört, profitieren Schweizer Telekomanbieter auch nicht von den regulierten Einkaufskonditionen. Aus diesem Grunde müssen die Schweizer weiterhin Gebühren für die Nutzung des Handys oder Tablets über Mobilfunknetze im Ausland zahlen. Die massive Senkung der Roaminggebühren in der EU ab 2011 hatte indes indirekt Auswirkungen hierzulande. So kam es wiederholt zu politischen Vorstössen: Zuletzt sagte der Bundesrat den hohen Roaminggebühren im Rahmen der Teilrevision des Fernmeldegesetzes den Kampf an: «Schweizer Kundinnen und Kunden sollen zukünftig von tieferen Preisen, besseren Konditionen und mehr Wahlmöglichkeiten profitieren können.» Dabei sei auch die Festlegung von Preisobergrenzen «im Rahmen internationaler Abkommen grundsätzlich möglich». Zudem soll der Bundesrat von den Anbietern die sekundengenaue Abrechnung bei Anrufen fordern dürfen. Heute runden die Anbieter diese Werte teilweise auf.

Schwerer Stand

Die Vorschläge der Regierung dürften im Parlament allerdings einen schweren Stand haben: Alle grossen Parteien sind dagegen. Sie befürchten einen Rückgang von dringenden Investitionen, etwa in den Netzausbau. Die Swisscom sehe keinen Bedarf einer zusätzlichen Regulierung in der Schweiz, sagte eine Konzernsprecherin auf Anfrage. Der «blaue Riese» hatte Pauschalabos lanciert, in denen gewisse Roamingvolumen enthalten sind. Dadurch sei die Nutzung von Handys und Tablets im Ausland stark gestiegen. Diese Senkung der Roamingtarife koste die Swisscom 100 Millionen Franken Umsatz. Auch die Konkurrenten Sunrise und Salt hatten wiederholt die Roamingtarife gesenkt. Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) begrüsste den Entscheid der EU. Die Vorschläge des Bundesrats gehen ihr indes zu wenig weit. Der Bundesrat soll nicht nur intervenieren können, sondern müssen, wenn die Roaminggebühren von Schweizer Telekomanbietern zu hoch seien.



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