«Schlag ins Kontor» 29.11.2018, 14:30 Uhr

Die Reaktionen auf das Cebit-Aus

Die Cebit ist Geschichte. Die Reaktionen auf das abrupte Ende der einst weltgrössten ITK-Messe fielen gemischt aus - von Bedauern über Wut bis hin zu Verständnis.
Die Cebit- und Merkel-Äras gehen fast zeitgleich zu Ende
(Quelle: Deutsche Messe)
Die einst weltgrösste Computershow Cebit wird nach über 30 Jahren eingestellt - diese überraschende Ankündigung der Deutschen Messe AG sorgte gestern für Schlagzeilen. Rückläufige Buchungen für 2019 erhöhten zuletzt den Druck auf die Organisatoren. Die deutsche Wirtschaft habe in den vergangenen Jahren immer wieder thematische Überschneidungen der Cebit und der weitaus grösseren Hannover Messe beklagt, sagte Deutsche-Messe-Vorstandschef Jochen Köckler. Darüber hinaus ist Digitalisierung der Megatrend der meisten Branchen - und damit der meisten Messen. Eine Messe wie die Cebit stosse daher auf sinkende Nachfrage. Der Metallarbeitgeberverband Niedersachsenmetall sprach von einem «Schlag ins Kontor», der Branchenverband Bitkom bedauerte die Entscheidung.
«Das ist ein herber Verlust für die Wirtschaft in Niedersachsen», meinte der Chef der Unternehmerverbände des Bundeslandes (UVN), Volker Müller, und betonte: «Dass so ein Thema beerdigt wird, ist auch ein fatales Signal für den Standort Deutschland.» Ein Ende mit Schrecken sei jedoch besser als ein Schrecken ohne Ende. Mit der Cebit verliere der Messestandort Hannover eins seiner wichtigsten Standbeine - diese Ansicht teilt auch die IHK Niedersachsen (IHKN). Die Messe habe das Image des Wirtschaftsstandorts weltweit geprägt, meinte IHKN-Präsident Helmut Streiff und forderte: «Diese Kompetenz darf uns nicht verloren gehen.»
Die oppositionelle FDP im Landtag in Hannover sprach von einem «Desaster» und einer krachenden Niederlage für Niedersachsens Digital- und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlein meinte: «Während die Bundesregierung von einer Führungsrolle bei der digitalen Transformation träumt, zeigt das Ende der einst weltgrössten Digitalmesse, wo wir in Deutschland wirklich stehen: Auf dem digitalen Nebengleis.»
Sascha Lobo kommentiert das Cebit-Aus
Quelle: pd
Auch Internet-Aktivist Sascha Lobo äusserte sich auf seinem Blog: «Die Geschichte vom Ende der Cebit ist eine interessante Geschichte, denn sie handelt davon, wie man im Wasser schwimmend verdursten kann», so Lobo. Für ihn war der Faktor Umsatz entscheidend: «Vor allem aber beginnt der ganze Unternehmenskörper wie bei einer echten Drogensucht darin die Lösung für alle Probleme zu sehen. In Zeiten der Stabilität mag das noch funktionieren, und natürlich ist Umsatz an sich unbedingt überlebenswichtig. Aber eben nicht um jeden Preis, und vor allem nicht, wenn man alles auf Umsatzmaximierung setzt. In Zeiten des Wandels wirkt die Umsatzsucht fatal: Jedem Problem wird dann mit den immer gleichen Instrumenten begegnet, die sich eigentlich nur zur Steigerung des Umsatzes eignen. Alles, was keinen Umsatz bringt, wird umgekehrt sogar als Problem betrachtet.»

Fachveranstaltungen sollen Cebit ersetzen

Wie geht es nun weiter? Die «industrienahen Digitalthemen» sollen in die Hannover Messe, die weltgrösste Industriemesse, eingebunden werden. Und der Rest? Dafür sind nach Veranstalterangaben Fachveranstaltungen geplant, die sich «gezielt an Entscheider ausgewählter Branchen» richten sollen.
Dabei hatten die Organisatoren im Sommer noch vergeblich versucht, die Cebit als «Europas führendes Digital-Event» neu zu positionieren. Insgesamt lockte die Cebit in neuem Gewand aber nur 120'000 Menschen aufs Messegelände - noch einmal deutlich weniger als 2017 mit 200'000 Besuchern.
Durchhalteparolen gab's immer wieder mal
Quelle: CW-Archiv
Dennoch zogen die Cebit-Macher noch ein positives Fazit für ihr neues Konzept: Erstmals war die Messe in runderneuertem Gewand mit Festival-Charakter an den Start gegangen. Messe-Vorstand Oliver Frese sagte damals, alle Ziele seien erreicht worden.
Zu besten Zeiten um die Jahrtausendwende hatte die Messe noch bis zu 800'000 Besucher gezählt, dann ging die Kurve kontinuierlich nach unten. Ein Grund war dafür auch hausgemacht: Die Cebit wollte sich zu den Hoch-Zeiten des Personal Computers immer wieder von den als «Beutelratten» verschmähten Privatbesuchern trennen und speziell auf Business-Kunden ausrichten.
Mit den PC kamen die als «Beutelratten» verschmähten Privatanwender auf Besuch
Quelle: Deutsche Messe
Unterhaltungselektronik wie Spielekonsolen war nicht mehr gern gesehen. Und nicht zuletzt zog auch die stetig wachsende Mobilfunkmesse Mobile World Congress nach ihrem Umzug von Südfrankreich nach Barcelona immer mehr Stammkunden aus der Telekommunikations-Branche aus Hannover ab.
Die alte und neue Cebit seien nicht zu vergleichen, betonte Frese Mitte Juni. Aussteller und Partner seien allesamt zufrieden gewesen. In wirtschaftlichen Zahlen spiegelte sich diese Begeisterung allerdings nicht unbedingt wider: Event statt Messe, Streetfood statt Bratwurst - das funktionierte offensichtlich nicht.
Erstmals hatte die Cebit im laufenden Jahr im Sommermonat Juni statt im Schneeregen des März stattgefunden. Roboter und autonome Fahrzeuge wurden präsentiert, der Software-Konzern SAP steuerte mit einem Riesenrad zur lockeren Atmosphäre bei - und spendierte der Messe ein neues Wahrzeichen. Grosse Messe-Kunden wie Hewlett Packard Enterprise, Vodafone und Salesforce unterstützten den Angaben zufolge das neue Messe-Konzept. Microsoft dagegen hatte in diesem Jahr auf eine Cebit-Präsenz verzichtet.

Messechef Frese geht zum Jahresende

Oliver Frese, Cebit Vorstand, Deutsche Messe AG, www.deutschemesse.de

Die Entscheidung bedeutet auch einen tiefen Einschnitt für Frese: Der Messechef bat den Aufsichtsrat um Entbindung von seinen Aufgaben zum 31. Dezember - das Gremium erfüllte seinen Wunsch. Bernd Althusmann, Aufsichtsratschef und Niedersachsens Wirtschaftsminister, sprach von «Bedauern und Respekt». Es sei bedauerlich, einen so erfahrenen Messemacher zu verlieren, betonte der CDU-Politiker. Mit dem neuen Konzept der Cebit habe Frese «Mut, Innovationskraft und Pioniergeist» bewiesen. «Der weitere Nachfragerückgang bei der neuen Cebit ist umso bedauerlicher, gleichzeitig zeigt er aber auch, dass die Cebit-Idee in der gesamten Wirtschaft angekommen ist», sagte Althusmann.
Diese Ansicht teilt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: «Der digitale Wandel findet inzwischen überall statt, auch auf allen anderen Messen. Die Cebit ist insofern ein Opfer des eigenen Erfolges», sagte der SPD-Politiker. «Ein wichtiges Kapitel der Messen in Hannover geht zu Ende, und das ist sehr schade.»
Dennoch gilt: «Unabhängig von der positiven Resonanz, die das neue Konzept fand, muss es sich natürlich auch für den Veranstalter rechnen», betonte Bitkom-Präsident Achim Berg. Markt und Messelandschaft hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. «Das ist ein Schlag ins Kontor für den Messestandort Hannover und damit für den gesamten Wirtschaftsstandort Niedersachsen», sage der Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall, Volker Schmidt: «Die Cebit war für drei Jahrzehnte ein echtes Aushängeschild und hat massgeblich zum Renommee der gesamten deutschen Informations- und Kommunikations-Wirtschaft beigetragen.»



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