Blockchain, VR, KI: Echte Innovationen oder nur heisse Luft?

Trend-Technologie Blockchain

Die noch junge Blockchain soll die Welt der Finanzen und Transaktionen schneller, preiswerter und fälschungssicherer zu machen. Ohne das Zutun sogenannter Intermediäre, sondern automatisiert und abgesichert durch kryptografische Schlüssel, Hash-Algorithmen und Vernetzungsmechanismen. «Wir forschen intensiv an Blockchain-, KI- und VR-Möglichkeiten», berichtet Jean-Claude Nuesperli, Leiter Applikationsmanagement und Digitalisierung am Amt für Jugend und Berufsberatung der Bildungsdirektion des Kantons Zürich. «Blockchain-Lösungen haben ein enormes Potenzial.» In komplexen Vertragssituationen mit mehreren Beteiligten, wo Planung, Steuerung und zeitnahe Kontrolle wichtig seien, könnten auf der Blockchain basierende sogenannte Smart-Contracts-Projekte entscheidend dazu beitragen, völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Mit seinem proaktiven, euphorischen Ansatz zählt Nuesperli allerdings zu einer Minderheit. Computerworld hat die Probe aufs Exempel gemacht und etwa 60 Schweizer IT-Chefs und -Manager quer durch alle Branchen schriftlich angefragt ob, und wenn ja, welche Blockchain-Projekte bei ihnen dieses Jahr auf der Agenda stehen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die allermeisten Entscheider beschränken sich aufs Abwarten und Beobachten. Konkrete Projekte sind hingegen Fehlanzeige. Ein Grund für die Zurückhaltung: Bislang hat sich noch keines der miteinander konkurrierenden Verfahren wirklich durchgesetzt und als Standard etabliert. Besser sieht es bei Virtual Reality und bei der mittlerweile reiferen künstlichen Intelligenz aus, an der Forschung und Industrie aber auch schon seit Jahrzehnten arbeiten.

Wo die Blockchain Gewinn bringen kann

Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) im ostdeutschen Potsdam hat mehrere Märkte für den gewinnbringenden Einsatz von Blockchains identifiziert. Hierzu zählen der Energiesektor, das Internet der Dinge mit seinen Millionen Sensoren und die Logistik (HPI-Studie 2018: Blockchain, Hype oder Innovation). Blockchains könnten die Bezahlung von Energie an Stromtankstellen für Elektroautos vereinfachen und per App ermöglichen. Hierfür wird ein Blockchain-Wert mit einer Energieeinheit gekoppelt und abgerechnet. Der deutsche Energiekonzern RWE arbeitet zurzeit zusammen mit dem Start-up Slock.it an einer Lösung für dieses Bezahlproblem.
Noch weiter reichende Einsatzmöglichkeiten sieht das HPI in der Logistik. Besonders sensible Güter könnten etwa mit IoT-Sensoren ausgestattet werden, die Informationen an die Blockchain senden. Ausfall- und Fälschungs­sicherheit sowie Nachverfolgbarkeit seien durch die Blockchain gewährleistet. Mit einer solchen Lösung, einer intelligenten, automatisierten Supply Chain, will das ETH-Spin-off Modum.io noch dieses Jahr starten. Zwei Schweizer Pilotkunden stehen bereits in den Startlöchern.

Intelligente Pakete

Marc Degen, Mitglied des Aufsichtsrates (Board of Directors) bei Modum.io und CEO von Hotelcard International, schildert seine Vision des intelligenten Pakets: Pharmazeutische Produkte, die über grössere Distanzen transportiert werden, bestückt Modum.io zuvor mit einem Sensor. Dieser erfasst während des Transports Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichtexposition, alles Parameter, die für einen sachgemässen Transport entscheidend sind, und sendet die Daten an das Backend in der Blockchain. Degen spricht von einem fälschungssicheren «Trusted Event». Ein sachgemäss durchgeführter Transport, dem Sender und Empfänger vertrauen können, ohne sich gegenseitig zu kennen.
Marc Degen, Mitglied des Aufsichtsrates bei Modum.io
Quelle: Modum.io
Im Schadensfall greifen Versicherer auf die in der Blockchain gespeicherten Transportdaten zu und berechnen darauf fussend die Schadensersatzsumme. Bei etwa 200 Millionen pharmazeutischen Transporten pro Jahr allein in Europa sieht Degen für das System ein riesiges Potenzial. Measurement as a Service nennt er seine Dienstleistung. Mit «Trusted Events» à la Modum.io liessen sich im Prinzip beliebige Supply Chains messen, automatisieren und für Versicherer fälschungssicher betreiben. Ein Pilotversuch mit zwei grossen Schweizer Unternehmen soll noch in diesem Jahr starten.
Wie sehen die Zukunftsaussichten der Blockchain-Technologie aus? Insgesamt wohl gut bis sehr gut. Einer Technologie, die gleichzeitig hohe Erträge, Kosteneinsparungen und Effizienz­steigerungen verspricht, sei zwar immer mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen, schreibt das HPI. Allerdings könnten mit der richtigen Strategie tatsächlich Geschäftsprozesse schlanker und effizienter gestaltet werden. Zurzeit mangele es jedoch noch an den notwendigen Standards und an der Interoperabilität zwischen den Systemen, resümieren die Forscher.



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