Entwicklerinnen und Developer gesucht

Am liebsten von der ETH

Über 20 Nobelpreise, berühmte Namen und Ikonen der IT: Die ETH zählt zu den Top-Hochschulen der Welt. Einige ihrer Abgänger leisteten wichtige Beiträge für die IT. Etwa der Mathematiker John von Neumann, der die nach ihm benannte Referenz-Rechnerarchitektur entwickelte. Die gut ausgebildeten IT-Spezialisten der technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne sind begehrt. Fragt man IT-Unternehmen, wo sie ihre Fachkräfte finden, lautet die erste Antwort meist: «Wir rekrutieren Ingenieure von der ETH.» Vergangenes Jahr schlossen 317 IT-Fachkräfte an der ETH Zürich ab, vom Bachelor bis zum promovierten Wissenschaftler. Allerdings verliessen die meisten Bachelorabsolventen die ETH nach ihrem Abschluss nicht, sondern hängten ihren Masterabschluss an, was die ETH im Übrigen auch empfiehlt. Zudem ging ein (eher kleinerer) Teil der Masterstudierenden nicht direkt in die Wirtschaft, sondern hat ein Doktorat angehängt. Es bleiben also nicht so viele Fachkräfte für den Arbeitsmarkt übrig, wie sich das manche in der IT-Branche wünschen würden.
Das ist auch den Software-Anbietern bewusst. Zudem schätzen sie die verschiedenen Denkweisen und Lösungsansätze. «Wir stellen daher auch Fachkräfte anderer Hochschulen ein, etwa von der Uni Zürich, der Fachhochschule Rapperswil oder der FHNW», sagt beispielsweise ti&m-CEO Wüst. Darüber hinaus evaluiert das Unternehmen derzeit eine Kooperation mit der Hochschule Luzern. Auch im Ausland arbeitet der IT-Dienstleister mit verschiedenen Hochschulen zusammen, etwa mit der Universität von Mailand. An spanischen Universitäten führen Fachleute von ti&m Kurse durch. Derzeit versuche man, Ähnliches in der deutschen Hochschullandschaft aufzubauen. Das bringt nicht nur weitere Fachkräfte ins Unternehmen, es ergeben sich noch weitere Vorteile. «Durch den Austausch treffen sich bei uns Leute verschiedener Orte und bringen unterschiedliche Ideen mit. Die Durchmischung ist spannend und bringt uns bei der Arbeit weiter», sagt Wüst.

Hohe Hürden für Quereinsteiger

Früher galt die IT als interessantes Berufsfeld für Quer­einsteiger. Doch die Zeiten haben sich geändert. Software-Projekte werden vielschichtiger, weshalb auch die Ansprüche an das Rüstzeug heutiger Bewerber steigt. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Software-Projekte beschäftigt beispielsweise Ergon Informatik im Bereich Software-Entwicklung keine Quereinsteiger. «Wir bauen anspruchsvolle Software für komplexe Geschäftsprozesse und benötigen dafür gut ausgebildete Engineers», erklärt Gabriela Keller, CEO des Software-Herstellers. Aus diesem Grund sucht man vordergründig nach Hochschulabgängern mit Abschluss in Informatik. Für Security Engineers seien zudem Zertifikate von Vorteil wie das Certified Information Systems Security Professional (CISSP). «Neben der fachlichen Kompetenz ist für uns auch das persönliche Engagement sehr wichtig. Soft Skills, auf die wir Wert legen und die zu unserer Firmenkultur gehören, sind unter anderem proaktives Vorgehen, Team-Player-Verhalten, Bodenständigkeit und Hilfsbereitschaft», betont Keller. Ihr Unternehmen setzt neben klassischen Inseraten auf der firmen­eigenen Website auf Jobbörsen und Karriere­messen sowie Kontaktmöglichkeiten an den Hochschulen. Bei Spezialprofilen greife man bei Bedarf auf externe Personal­vermittler zurück. Hinzu komme die klassische Mund-zu-Ohr-Propaganda. «Oft vermitteln uns unsere Mitarbeiter Experten aus ihrem Bekanntenkreis», ergänzt Keller.
“Oft vermitteln uns unsere Mitarbeiter Experten aus ihrem Bekanntenkreis„
Gabriela Keller, Ergon Informatik
Bei Zühlke können sich Quereinsteiger bewerben, sofern sie Erfahrung in dem vom Unternehmen gewünschten Profil mitbringen. So arbeiten etwa Physiker bei Zühlke, wobei diese bereits viel mathematisches, statistisches und informationstechnisches Verständnis für die Software-Entwicklung mitbringen, wie Kleeb einräumt. Fachlichen Exoten erteilt er eine Absage. Quereinsteigern respektive Berufsumsteigern schlagen Anbieter wie die Wirtschaftsinformatikschule Schweiz eine Brücke in die Software-Welt. In einer zweijährigen berufsbegleitenden Ausbildung können sich berufserfahrene Menschen zum Informatiker/-in Berufsumsteiger/-in mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis Richtung Applikationsentwicklung qualifizieren.

Die nächste Generation im Fokus

Kleeb setzt zudem auf die nächste Generation von Spe­zialisten: Lernende, die in den ICT-Berufen ihre Zukunft sehen. Der Zühlke-Manager betont die Wichtigkeit des dualen Ausbildungssystems, denn dieses fördere die akademische und praktische Art der Ingenieurskunst. «Lösungen entstehen schneller durch Diversität», sagt Kleeb. Die Berufslehre brauche daher wieder mehr Wertschätzung. «Das Wissen, dass unser duales System sehr viele Karriere­wege ermöglicht, ist etwas verloren gegangen.»
Dem will der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz entgegenwirken und die Lehre verstärkt ins Bewusstsein von Unternehmen, aber auch von Schülern rücken. Um die Attraktivität der ICT-Berufslehren zu fördern, leistet der Verband einiges. Er veranstaltet etwa die Berufsmeisterschaften ICTskills oder Events wie die Award Night, an der die besten ICT-Lernenden ausgezeichnet werden. Darüber hinaus bietet der Verband Informationen für Berufsinteressierte, Betriebe sowie Berufsinformationszentren. Die Anstrengungen scheinen sich auszuzahlen: «Die Lehre bleibt auch im Bereich ICT sehr gefragt in der Wirtschaft. Die anhaltende Nachfrage seitens der Lernenden und die Schaffung von Lehrstellen durch Unternehmen belegen dies», argumentiert Serge Frech, Geschäftsführer beim Verband ICT-Berufsbildung Schweiz. Das Gros der Absolventen schliesse eine Lehre im Bereich Applikations-/Software-Entwicklung ab. Dennoch sieht man beim Verband Handlungsbedarf. Im Herbst des letzten Jahres publizierte ICT-Berufsbildung Schweiz die Studie «ICT-Fachkräfte­situation Bedarfsprognose 2026». Wie die Swiss Software Survey zeigt auch diese eine alarmierende Entwicklung auf, wonach der Schweizer Wirtschaft in den nächsten Jahren rund 13'500 Entwickler fehlen werden. Selbst durch die Anstellung ausländischer Fachkräfte könne der Bedarf nicht gedeckt werden, prognostizieren die Studienautoren. Frech geht sogar davon aus, dass sich die Lücke aufgrund der Wirtschaftsentwicklung und des Strukturwandels noch vergrössern werde. Das Schweizer Bildungssystem könne den Bedarf auch nicht gesamthaft aus eigener Kraft stemmen. «Selbst wenn wir alle heutigen Absolventenzahlen verdoppeln würden, gelänge uns dies nicht.»
“Die Berufslehre ist der grösste und stärkste Zubringer an Fachkräften„
Serge Frech, ICT-Berufsbildung Schweiz
Um dem Mangel an Fachkräften zu begegnen, schlägt er eine Ausweitung des Lehrstellenangebots vor. Einen guten Beitrag leisten auch die Anbieter sogenannter Basislehrjahre. In diesen werden Lernende während ein bis zwei Jahren ausgebildet und anschliessend den Betrieben als produktive Fachkräfte übergeben. Wenn es nach Frech ginge, sollte dieses Modell weiter skaliert werden. Der Geschäftsführer nimmt zugleich seine Verbandskollegen in die Pflicht. Die Berufslehre sei der grösste und stärkste Zubringer an Fachkräften. Daher brauche es einen kräftigen Berufsbildungsverband mit starken regionalen Ablegern. Denn für die Schaffung von Lehrstellen seien schwer­gewichtig die regionalen Organisationen gefragt – da diese das Netzwerk vor Ort haben. «Der Organisations- und Professionalisierungsgrad ist jedoch zu niedrig angesichts der Bedeutung und Grösse des Berufsfelds ICT», mahnt Frech.



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