21.10.2011, 15:24 Uhr

Happy Birthday, iPod!

Apples Musikplayer iPod wird zehn Jahre alt. Auf den ersten Blick scheint es so, als hätte das Gerät seine besten Zeiten hinter sich.
Der ursprüngliche iPod aus dem Jahr 2001 mit seinen 5-GB-Kapazität bekam bald Zuwachs durch ein 10-GB-Modell. Beide Geräte verfügten über ein mechanisches Scrollrad und liefen nur am Mac
Vor gut zehn Jahren hat Apple in einer Einladung an die Presse erklärt, dass der Konzern am 23. Oktober ein digitales Gerät vorstellen wird, das kein Mac ist. Die nicht kleine Fraktion, die darauf gehofft hatte, Apple würde den Personal Digital Assistent (PDA) Newton in einer modernen und diesmal erfolgreichen Fassung wiederauferstehen lassen, war zunächst von dem zigarettenschachtelgrossen, schneeweissen Musikplayer, dessen Name sich einem nicht sofort erschloss, enttäuscht. Dabei war die Begründung für die Entscheidung «iPod statt Newton» von Apple-CEO Steve Jobs klug und berührte die Lebenswelten der nach Cupertino geladenen Pressevertreter. Denn die Mode der PDAs, die seinerzeit das Unternehmen Palm zu einem Star der Industrie gemacht hatte, war bereits wieder am Abflauen. In Meetings fanden sich wieder vermehrt Notizblöcke und Kugelschreiber auf den Konferenztischen, nachdem es immer mehr PDA-Nutzer von den digitalen Umsetzungen ihrer Eingaben auf Palm und Co gegruselt hatte. Musik wurde aber immer konsumiert - und das nicht mehr nur auf der Stereoanlage im Wohnzimmer, sondern auch auf dem Rechner im Büro und anderswo. Es war die Zeit von Napster, die Musik gerade zu zur inflationären Ware machte. Waren Tauschbörsen nun legal, illegal oder die Antwort auf diese Frage völlig egal? Musik war so beliebig verfügbar geworden, dass man für eine Stunde Streifzug durch digitale Download-Welten eine ganze Woche gebraucht hätte, um die auf die Festplatte gebannten Dateien auch nur einmal anzuhören. Und bestand nicht andererseits der Wusch, die mühsam über Jahre und Jahrzehnte erworbene CD-Sammlung auf seinem Rechner zu lagern und überall hin mit zu nehmen, jetzt, da Speicher so günstig geworden war, dass sogar der iMac mit 20-GB-Festplatte kam? Nächste Seite: Entwicklung mit Weitblick

Entwicklung mit Weitblick 

Den mobilen digitalen Musikplayer hatten vor Apple schon andere erfunden. Apple verfolgte um die Jahrtausendwende die Vision eines digitalen Lebens, in dem der Mac im Zentrum stand, als Speicherort und Verwaltungsmaschine für digitale Inhalte aller Art. Relativ spät - erst zu Beginn des Jahres 2001 - hatte Apple damit begonnen, seine Rechner mit CD- und DVD-Brennern auszustatten. Apple wäre aber nicht Apple, wenn es sich nicht durch die Software von der Konkurrenz abgehoben hätte. Daten-CDs brennen: Einfach im Finder! DVDs erstellen: Da gibt es eine simple Software namens iDVD! Die Fotosammlung kommt in iPhoto und die Musik in iTunes. Apple hatte die Jukebox-Software erst kurz zuvor übernommen, als sie noch Soundjam hiess und sich offenbar erst kurz vor der Keynote im Janaur 2001 für den Namen entscheiden. Denn einmal war Jobs der Projektname «iMusic» herausgerutscht. Dass iTunes aber weit mehr sein wird als eine Datenbank für selbst gerippte CDs offenbarte Apple im Oktober 2001 mit dem iPod. Denn die Software war die Lösung für das Problem, wie man fünf Gigabyte Musik auf einem mobilen Gerät mit einem winzigen Bildschirm und ohne Tastatur verwalten könne. Nämlich hierarchisch, nach Kategorien wie Genre, Album, Interpret und Titel zu ordnen. Dann brauchte es nichts weiter als ein Scroll-Rad und vier Tasten für den Musikgenuss, wenn man im Hintergrund auf seinem Rechner eine mächtige Zentrale hatte, die für Nachschub sorgen konnte. Das Problem der Geschwindigkeit bei der Datenübertragung hatte Apple schon zuvor mit der schnellen Schnittstelle Firewire gelöst, die in Zusammenarbeit mit Sony entstand. Während es ein quälend langsamer Prozess gewesen wäre, fünf Gigabyte per USB 1.0 zu transferieren, waren die fünf Gigabyte auf den iPod in passabler Zeit überspielt.  Weiter gehts auf der nächsten Seite. Nach heutigen Massstäben war der iPod lange Zeit ein Flop. Apple benötigte fast zwei Jahre, um die erste Million Geräte zu verkaufen. Die Gründe waren vielfältig: Die von 9/11 ausgelöste Wirtschaftskrise war nur eine Ursache. Vor allem war der iPod nur ein Nischenprodukt für Anwender eines Nischenproduktes - Firewire war auf Windows-Seite völlig unbekannt. Doch schon mit der zweiten Generation aus dem Jahr 2002, die bereits auf ein berührungsempfindliches und nicht mehr auf ein mechanisches Scroll-Rad setzte, bahnte sich der Durchbruch an, denn Apple verkaufte den iPod auch in einer USB-Version. Ab der dritten Generation von 2003 entfiel der Unterschied: Der neu eingeführte Dock-Connector kam sowohl mit einem USB- als auch mit einem Firewire-Kabel zurecht. Im Jahr 2004 brachen aber alle Dämme: Hatte der iPod vor allen Dingen an Speicherkapazität zugelegt, war aber nicht günstiger geworden, kam mit dem iPod Mini der erste iPod für die Masse. In fünf bunten Farben und mit einem Micro-Drive im 1-Zoll-Format anstatt der bisher verwendeten 1,8-Zoll-Festplatten war der Mini der erste wirklich mobile iPod.
  Die Festplattengeräte waren in den Jahren seit 2001 zwar wegen der weissen Ohrhörer immer öfter auffällige Begleitung in der Stadt, für den Sport aber nur bedingt geeignet: Die Festplatte schaltet sich bei Erschütterung vernünftigerweise ab und der Pufferspeicher ist irgendwann leer, der Jogger zum Halten gezwungen. Nächste Seite: Musikindustrie sträubt sich lange 

Musikindustrie sträubte sich lange

Die Verkaufszahlen des iPod gingen aber nicht zuletzt wegen einer Innovation durch die Decke, die Apple lange mit der Musikindustrie aushandeln musste: Der iTunes Store sollte zur marktbeherrschenden Quelle für digitale Musik werden. Apples defensive Haltung in Sachen digitaler Kopie - iTunes konnte ab Werk keine Musik vom iPod zurück auf die Festplatte spielen und konterkarierte so die Unterstellung, ein trojanisches Pferd der Raubkopierer zu sein - warf Früchte ab. Eine komplette Industrie liess sich auf ein völlig neues Geschäftsmodell ein. Im iTunes Store muss keiner ein Album kaufen, wenn er nur ein oder zwei Songs haben will, genau das war einer der Gründe für die Popularität der Tauschbörsen. Genau die sah Apple als Hauptkonkurrenten für den iTunes Store an, als dieser 2003 an den Start ging, und nicht die bald folgenden Angebote von Real Networks oder Bertelsmann, das die Überreste von Napster aufgekauft hatte. 
Die Musikindustrie hatte jedoch einen Kopierschutz durchgesetzt. Das war der Preis dafür, Musik so einfach wie möglich anbieten zu können: Jeder Song kostet nur 99 Cent, ein Album 9,99 Dollar. Nur auf fünf Rechnern darf man die mit Fair Play geschützten Stücke abspielen, aber auf beliebig vielen mobilen Geräten, also iPods. Wiedergabelisten darf man nicht öfter als zehn Mal brennen, das «Recht auf Privatkopie» goss Apple in eine technische Lösung.  Auch heute schätzt nicht jeder Künstler den iTunes Store aus den beschriebenen Gründen. Wer lieber Alben verkauft - aus künstlerischen oder kommerziellen Gründen, sei dahingestellt - schätzt den Einzel-Download natürlich gar nicht. Und dass der iTunes Store nur eine gut getarnte Tauschbörse sei, vermuteten einige Plattenfirmen und Bands selbst dann noch, als Apple zehn Millionen iPods pro Quartal verkaufte und in jedem Jahr ein Milliarde Musik-Downloads. Bis zum Sommer 2011 hatte Apple insgesamt 15 Milliarden Musik-Downloads verkauft. Nächste Seite: Die Geschichte des iPad fängt gerade erst an 

Die Geschichte des iPad fängt gerade erst an

Sieht man sich die jüngsten Verkaufszahlen für den iPod an, hält man seine Geschichte auf den ersten Blick für fertig erzählt. Im vierten Quartal 2011 verkaufte Apple nur noch sechs Millionen Geräte, ein Viertel weniger als vor einem Jahr. Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch: Der iPod ist noch lange nicht am Ende, denn er ist Teil eines weiterhin expandierenden Musikuniversums. Wer iPhone oder iPad immer dabei hat, braucht einen iPod nur noch zu speziellen Zwecken. Etwa zum Joggen den iPod Shuffle, auf den man regelmässig die 20 zuletzt gekauften Alben (oder deren Single-Äquivalent von zwei Gigabyte) spielt. Für den entspannten Musiknachmittag im Garten nutzt man einen iPod Nano, wenn man sich nicht vom Telefon stören lassen will - der Nano taugt zudem auch als Radio für den Fussballnachmittag. Ins Auto kommt ein iPod Classic, wenn man es hinkriegt, die zickige Stereoanlage dort zum Empfang der Musik zu überreden. Und wer sein Telefon nur zum Telefonieren haben möchte, kauft zwar kein iPhone, aber für Spiele oder andere Apps einen iPod touch. Allein von diesem margenträchtigsten iPod hat Apple im vergangenen Quartal drei Millionen Stück verkauft. Insgesamt hat Apple bisher 300 Millionen iPods an die Kundschaft gebracht, dazu rund 100 Millionen iPhones und bald 50 Millionen iPads. Sonys Walkman wirkt mit seinen 200 Millionen Exemplaren wie ein Zwerg aus grauer Vorzeit. Das iPhone ist die Verbindung von iPod, «revolutionärem Telefon und bahnbrechendem Internetgerät», wie es Steve Jobs im Januar 2007 seinem Publikum auf der Macworld Expo 2007 einbläute. Bis einschliesslich iOS 4.x zeigte sich das bereits auf dem Display des Smartphones und des iPad: Die App für Musik, Podcasts und Videos hiess «iPod». Im Zuge der Vereinheitlichung des Systems von iPhone, iPod touch und iPad heisst die App nun «Musik». Das mag Indiz dafür sein, dass die Marke iPod bei Apple künftig nur noch ein Nischendasein fristen wird. Doch was den iPod ausgemacht hat - die einfach Bedienung, der grosse Speicher und vor allem die Infrastruktur im Hintergrund - ist in ein weit grösseres Konzept eingezogen. Mittlerweile spielt auch die Musikindustrie mit und geht den von Apple eingeschlagenen Weg mit. Digitales Rechtemanagement ist jetzt weitgehend abgeschafft, jeder Apple-Kunde kann seine im iTunes Store und woanders gekaufte Musik im Internet lagern und auf beliebige Geräte des Apple-Universums laden - sofern sie mit dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und die aktuellen Betriebssysteme laufen haben. Die Geschichte des iPod ist also noch lange nicht zu Ende - sie fängt gerade erst an spannend zu werden. Dieser Artikel stammt im Original von unserer deutschen Schwesterpublikation Macwelt (Autor: Peter Müller).



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