Skyguide übernimmt Vorreiterrolle 16.05.2022, 06:29 Uhr

Revolutionäres Virtual Centre

Skyguide hat mit dem Virtual Centre eine Lösung entwickelt, die das Flugverkehrsmanagement in der Schweiz viel effizienter macht. Auch andere Länder zeigen Interesse. Ein Interview dazu mit CTO Klaus Meier.
Klaus Meier ist seit 2014 Technischer Direktor der Schweizer Flugsicherungsgesellschaft Skyguide
(Quelle: Skyguide)
Der Luftraum über Europa ist stark fragmentiert. Sogar jener über der Schweiz ist zweigeteilt. Die Flugsicherungsgesellschaft Skyguide managt ihn entsprechend von zwei Flugsicherungszentren in Genf und Zürich aus. Beide verfügen bisher über eigene Rechenzentren und unterschiedliche Systeme. Das soll sich nun ändern. Mit dem neuen, von Skyguide entwickelten Virtual Centre werden die beiden Standorte zwar nicht physisch, aber digital zusammengelegt und der geteilte Luftraum so betreut, als wäre es nur einer. Skyguide verspricht sich durch diese neuartige Form von Flugverkehrsmanagement mehr Effizienz und viele weitere Vorteile. Auch im restlichen Europa, wo die Problematik eine ähnliche ist, stösst das Virtual Centre auf grosses Interesse. Computerworld hat mit Klaus Meier, Chief Technology Officer (CTO) bei Skyguide, über dieses spannende Projekt gesprochen.
Computerworld: Herr Meier, wie kommt es, dass der europäische Luftraum so stark fragmentiert ist?
Klaus Meier: Das ist historisch bedingt. In den Anfängen der Luftfahrt konnte nur per Funk mit dem Flugzeug in relativer Nähe gesprochen werden. In den 1930er-Jahren kamen die Instrumenten-Landesysteme hinzu, die lokal Landungen auch bei schlechtem Wetter erlaubten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Radarüberwachung eingeführt, vor allem um die Flugplätze herum. All das war immer sehr lokal. Als dann in den späten 1950er-Jahren zwei Flugzeuge über dem Grand Canyon zusammenstiessen, entschieden die USA, dass nicht nur Start und Landung, sondern auch die Überflüge überwacht werden müssen. Dadurch entstanden die Luftstrassen, die über Orientierungspunkte verfügen und mit Radar überwacht werden. Europa zog in den 1960er-Jahren nach.
CW: Weshalb hat die kleine Schweiz zwei Lufträume?
Meier: Die Schweiz befindet sich seit dem Mittelalter in der glücklichen Situation, dass sie sich an einem Kreuzungspunkt der europäischen Verkehrswege befindet. So auch in der Luftfahrt: Die Luftstrassen Nord–Süd und Ost–West kreuzen sich über Genf und Zürich. Es lag deshalb nahe, zwei Flugsicherungszentren (FSZ) bei den grossen Flughäfen Genf-Cointrin und Zürich-Kloten zu schaffen, weil sie aufgrund einer Radar-Reichweite von 200 bis 300 Meilen nur sehr lokal operieren konnten. Die FSZ sind sternförmig mit den Radaren, Funkfeuern und Funkanlagen auf den Bergen verbunden und verfügen jeweils über ein eigenes Rechenzentrum im Keller. In diesen werden die Daten gesammelt und für die Radarschirme der Fluglotsen aufbereitet. Und eben weil die Architektur so ortsabhängig ist, gibt es das zweimal in der Schweiz. Aus demselben Grund hat es insgesamt 68 FSZ in Europa. Das Verrückte daran ist, dass sie nicht miteinander verbunden sind und deshalb völlig autonom agieren müssen: Flugverkehrsleitende weisen die Pilotinnen und Piloten jeweils über Funk an, sie sollen bitte die Frequenz wechseln und Kontakt mit dem nächsten FSZ aufnehmen, beispielsweise in Karlsruhe oder Reims.
CW: Wie ist das bei einem Überflug der Schweiz?
Meier: Genau gleich – es sind getrennte Himmel, die wir haben. Wenn ein Flugzeug von Westen in die Schweiz hereinfliegt, muss es zuerst Funkkontakt mit Genf aufnehmen, danach mit Zürich.
Zur Person und Firma
Klaus Meier ist seit 2014 als CTO Mitglied der Geschäftsleitung von Skyguide und seit Anfang 2020 stellvertretender CEO. Er war zuvor CIO Americas für Schindler in den USA. Seinen Aviatik-Hintergrund hat er sich bei der Swissair erworben, wo er in verschiedenen leitenden Funktionen Prozessoptimierungen und technologische Innovation förderte. Er ist promovierter Elektroingenieur der ETH Zürich.
Skyguide sorgt für ein Flugverkehrsmanagement in der Schweiz und in Teilen des angrenzenden Auslands. Mit 1500 Mitarbeitenden an 14 Standorten ist das Unternehmen sowohl für die zivile als auch die militärische Flugsicherung zuständig. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Genf befindet sich im Mehrheitsbesitz der Schweizerischen Eidgenossenschaft. www.skyguide.ch



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