BYOC 25.09.2009, 11:15 Uhr

der Arbeits­platz zum Mitnehmen

Standard-PCs haben ausgedient, die «Devices» werden immer mobiler, flexibler und indivi­dueller. Die IT steht vor der grossen Aufgabe, die Infrastruktur trotzdem ausfallsicher zu halten.
Michael Schmidt ist Country Manager Schweiz der Citrix Systems International GmbH
Mit der aktuellen Wirtschaftskrise ist das Thema «Kosteneinsparung» auch im Bereich der Unternehmens-IT zum Top-Thema der Geschäftsleitung geworden. Im Blickpunkt steht dabei meist die Konsolidierung von Servern und Storage via Virtualisierung. Doch der Kostendruck ist längst nicht der einzige Aspekt, der für die Virtualisierung spricht. Die neu gewonnene Mobilität spielt dabei eine mindestens ebenso zentrale Rolle.
Globalisierung, Teilzeitarbeitsmodelle, Smartphones und die damit einhergehenden besseren WAN-Netzabdeckungen führen zu einer rasanten Verschmelzung von Berufs- und Privatleben. Statt im Büro bis spät in den Abend hinein auf eine notwendige Antwort zu warten, nehmen Mitarbeitende ihre Pendenzen lieber mit, um beispielsweise im Zug ihre Arbeiten zu finalisieren. Hinzu kommt eine neue Generation an Arbeitskräften, die sich privat die neusten technologischen Gadgets leistet und diese auch im Geschäftsumfeld nicht mehr missen möchte. Sie sind es gewohnt, von überall auf ihre Daten zugreifen zu können und über endlosen Mail-speicherplatz zu verfügen. Finden sie diese Annehmlichkeiten im Unternehmen nicht, ist die Gefahr gross, dass Geschäftsdaten via privater Technologien versandt werden.
Als Folge davon stehen die Informatik-Spezialisten in den Unternehmen vor ganz neuen Herausforderungen. Verfügbarkeit und Schnelligkeit der Anwendungen, aber auch die Sicherheit sind die zentralen Themen. Die Analysten des Marktforschungsunternehmens Gartner bescheinigen in diesem Zusammenhang der Desktop-Virtualisierung eine grosse Zukunft. Bei diesem Modell läuft das Client-Betriebssystem inklusive aller üblicherweise am Arbeitsplatz lokal installierten Anwendungen in einer virtuellen Maschine auf dem Server. Für jeden Mitarbeiter existiert im Backend ein virtueller Arbeitsplatzrechner, auf den er von seinem Desktop-PC oder einem beliebigen Endgerät aus zugreifen kann.
Bring your own Computer
Für die Anwender bietet diese Verlagerung ins Rechenzentrum wesentlich mehr Flexibilität. Von jedem Rechner besteht Zugang zur persönlichen Arbeitsumgebung, ohne dass die Datensicherheit des Unternehmens gefährdet wird. Die Option, zentral verwaltete und sichere virtuelle Maschinen direkt auf den Geräten der Endanwender einsetzen zu können, erlaubt auf breiter Ebene, private mobile Endgeräte in das Unternehmensnetzwerk einzubinden. Die Mitarbeitenden werden künftig immer weniger mit einem Standard-Laptop des Unternehmens ausgestattet sein. Stattdessen werden sie - ähnlich wie bei einem Geschäftswagen - auf Kosten des Arbeitgebers das mobile Endgerät zur Verfügung gestellt bekommen, das ihren Arbeitsaufgaben und ihren individuellen Vorlieben am besten entspricht.
Bei Citrix Systems ist das bereits Realität: Im Rahmen eines Pilotprogramms namens «BYOC» (Bring Your Own Computer) kann jeder Mitarbeiter unter Einhaltung eines vereinbarten Budgets den Rechner seiner Wahl kaufen. Dies hat einen schönen Nebeneffekt: Unternehmen, die ihren Mitarbeitern erlauben, persönliche Anwendungen und Daten auf ihren beruflich genutzten Computern zu verwenden, schaffen mehr Arbeitszufriedenheit.

Zentrale Kontrolle

Die Administratoren haben weiterhin volle Kontrolle über die Sicherheit der Desktop-Umgebung, da sensible Daten nicht auf möglicherweise ungeschützten Endgeräten, sondern gut gesichert auf zentralen Servern liegen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die im Rechenzentrum virtualisierten Desktops während des Betriebs von einem Server auf einen anderen verschoben werden können, ohne dass die Anwender ihre Arbeit unterbrechen müssen.
Die Sicherung der Geschäftskontinuität war zum Beispiel ein Grund dafür, dass sich das Widder Hotel, eines der exklusivsten Stadthotels der Schweiz, für die Desktop-Virtualisierung entschieden und seine IT-Infrastruktur vor wenigen Jahren grundlegend neu ausgerichtet hat. Ziel war, möglichst keine Applikationen mehr auf den PCs der Mitarbeiter zu betreiben, sondern alle Anwendungen virtualisiert über die Serverfarm bereitzustellen. Reto Born, der verantwortliche Purchasing- und IT-Manager, erklärt, warum: «Damit wollten wir nicht nur die zeitaufwendige Installation von neuen Anwendungen und Updates vereinfachen, sondern auch die Ausfallsicherheit erhöhen. Wenn heute ein PC defekt ist, kann ihn ein Mitarbeiter sehr schnell ersetzen.»

Massgeschneiderte Lösungen

Je nach Technologie und Typ des Benutzers, lassen sich drei Arten von virtuellen Desktops unterscheiden. Der Standard-Desktop, bereitgestellt über einen Terminal Server, wird vorzugsweise an Büroarbeitsplätzen mit vielen Routineaufgaben eingesetzt, zum Beispiel in Callcentern. Auch individuelle Desktops sind mithilfe virtueller Maschinen realisierbar. Die Unternehmens-IT verwaltet diese zwar zentral, dennoch können die Benutzer ihren Desktop personalisieren, was besonders Anwendern mit komplexen IT-Anforderungen, etwa Mitarbeitern der Buchhaltung, entgegenkommt. Hochleistungs-Desktops werden auf einem Blade-PC im Rechenzentrum eingerichtet. Sie sind ausserordentlich leistungsstark und damit für Anwender geeignet, die mit rechenintensiven Anwendungen arbeiten müssen, etwa Software-Entwickler.

Schwachstellen gezielt angehen

Im Vergleich mit der Anwendungs- oder Server-Virtualisierung ist die Desktop-Virtualisierung noch relativ neu. Daher gibt es in diesem Bereich trotz aller Vorteile auch noch einige Schwachstellen, beispielsweise bei der Automatisierung und beim integrierten Management. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis Anbieter diese Lücken behoben haben.
Durch das Zulassen von privaten Endgeräten erhöht das Unternehmen gleichzeitig die Komplexität beim Management der IT-Infrastruktur und setzt sich zusätzlichen Sicherheitsrisiken aus. Daher ist es unabdingbar, dass die Virtualisierung gut verwaltet wird -, sonst kann es gefährlich werden. So sollte sich ein Unternehmen frühzeitig überlegen, ob es überhaupt in der Lage ist, die virtualisierten Systeme selbst zu betreuen - oder ob es nicht besser ein Outsourcing in Erwägung ziehen sollte. Weitere Knackpunkte sind, dass der Betrieb beim privaten Anwender nicht immer reibungslos anläuft oder die Bandbreiten nicht ausreichen.
Die Desktop-Virtualisierung wird sich dennoch durchsetzen, denn die sich verändernde Arbeitswelt zwingt viele Unternehmen zum Umdenken und zu einer neuen Unternehmenskultur. Ein Allerheilmittel ist die Virtualisierung trotzdem nicht. Der Evaluation muss auch hier eine genaue Analyse vorausgehen. Dabei lohnt es sich, von den Erfahrungen anderer zu profitieren, sie frühzeitig zu kontaktieren und dabei zu lernen, wie sich kostspielige Fehler vermeiden lassen.
Michael Schmidt



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