04.10.2006, 10:07 Uhr

«Wir sind stolz auf die vielfältigen Plugins»

Mike Milinkovich leitet die Eclipse Foundation, die den Entwicklern herstellerunabhängige, lizenzfreie Programmiertools und -frameworks anbietet. In nächster Zukunft sollen vor allem weitere Programmiersprachen eingebunden werden.
Paul Krill ist Redaktor unserer Schwesterzeitung Infoworld. Übersetzung und Redaktion: Catharina Bujnoch.

Die offene Entwicklerplattform Eclipse Foundation kann auf breite Unterstützung in der IT-Branche bauen, das wurde jüngst wieder an der Konferenz «Eclipseworld» in Massachusetts deutlich. Nicht nur IBM, die Eclipse 2001 mit aus der Taufe gehoben hatte, sondern auch Borland, BEA und die meisten wichtigen Softwareanbieter stehen inzwischen hinter dem Open-Source-Projekt - mit zwei markanten Ausnahmen: Microsoft und Sun Microsystems.

Mike Milinkovich, geschäftsführender Direktor des Projekts, bezieht im Interview Stellung zur aktuellen Situation und zu künftigen Zielsetzungen der Foundation.

Computerworld:Wo bewegt sich Eclipse hin, welche neuen Techniken sind in nächster Zeit zu erwarten?
Mike Milinkovich:Zunächst einmal wollen wir unsere Rich Client Platform kontinuierlich ausbauen. RCP wird immer beliebter, viele neue Anwender starten auf RCP-Basis neue Projekte, was uns natürlich sehr freut. Des Weiteren wollen wir noch mehr Sprachen unterstützen als bisher. Der Einbezug weiterer Sprachen, egal ob kommerziell oder offen, hat bekanntlich Tradition bei Eclipse. Konkret denke ich da etwa an Adobe und ihren kommenden Flex Builder 2.0, eine auf Eclipse aufbauende Entwicklungsumgebung für Action Script, Adobes Sprache für den Flex-Server.
Und intern in unserer Organisation steht im nächsten Quartal das erste Release der PHP IDE an. PHP Hypertext Preprocessor ist jetzt schon eine wichtige Sprache nicht nur für Unternehmensentwickler, sondern gerade auch für Webentwickler allgemein. Darum sind wir sehr stolz darauf, Eclipse-Tools für PHP anbieten zu können.
Computerworld:Reduziert Eclipse die Bedeutung von Java zugunsten anderer Sprachen? Anders gefragt: Fokussiert man sich auf Scripting-Sprachen und Dotnet auf Kosten von Java?
Computerworld:Bedeutet das, dass dynamische Programmiersprachen heute stärker unterstützt werden? Sie haben Projekte zu PHP und Ajax am Laufen, wie steht es mit weiteren Sprachen wie Ruby, Perl oder Python?
Mike Milinkovich:Nun, innerhalb des Ökosystems von Eclipse finden Sie Plugins und Tools für nahezu jede einzelne dynamische Sprache. Tools für Ruby gibts schon, Radrails ist am Laufen. Solche Projekte werden ausserhalb von Eclipse im Rahmen der Open-Source-Bewegung realisiert. Radrails etwa ist ein solches OS-Projekt, das auf Eclipse-Basis eine Entwicklungsumgebung für Rails definiert, dem Ruby-Framework. Für Python gibt es das bereits recht bekannte Plugin Pydev.
Die Tatsache, dass es für quasi alle Sprachen solche Plugins gibt, unterstreicht die Bedeutung von Eclipse als umfassende Plattform. Neben den PHP-Tools haben wir das Ajax Toolkit Framework. Damit lassen sich zum Beispiel im Firefox-Browser
Ajax-Applikationen debuggen. Andere Ajax-Frameworks wie Dojo, Open-Rico und Zimbra werden ebenfalls unterstützt, weitere werden folgen. Ganz neu ist die Rich Ajax Platform, eine Eclipse-basierte Laufzeitumgebung.
Computerworld:Könnte das andererseits dazu führen, dass sich bestimmte Eclipse-Projekte überlappen? Zum Beispiel bei der Rich Ajax Platform und dem Ajax Toolkit Framework. Oder die aktuelle Datentools im Web Tools Platform Project und dem Data Tools Platform Project. Man bekommt den Eindruck, dass die verschiedenen Hersteller ihre Projekte vorschlagen, ohne sich gross um Konsolidierung zu kümmern?
Mike Milinkovich:Wahrscheinlich spielen beide Faktoren mit. Gewisse Überlappungen akzeptieren wir als quasi unvermeidlich, und mit der Zeit dürfte sich manches von selbst erübrigen. Bei den genannten Fällen, Ajax Toolkit Framework und Rich Ajax Platform, sehe ich hingegen keine Überlappungen. Das andere Beispiel ist RAP, eine Framework-Laufzeitumgebung für Ajax-Applikationen.
Was Web Tools und Data Tools betrifft, gab es anfangs tatsächlich Überschneidungen, doch dann entwickelte sich alles nahezu mustergültig: Die Leute von Web Tools haben ihren Datenverbindungs-Layer angepasst und die Technik von Data Tools übernommen.
Computerworld:Reduziert Eclipse die Bedeutung von Java zugunsten anderer Sprachen? Anders gefragt: Fokussiert man sich auf Scripting-Sprachen und Dotnet auf Kosten von Java?
Mike Milinkovich:Von einer sinkenden Bedeutung von Java würde ich nicht reden. Vielmehr kommen einfach mehr Sprachen dazu, parallel zu Eclipses Wachstum. Fast alle unsere Projekte sind in Java codiert. Doch das heisst tatsächlich nicht, dass Java als einzige Plattform oder Sprache unterstützt wird, das war auch nie unser Ziel. Im Gegenteil wollen wir so viele Sprachen und Plattformen unterstützen, wie sich Projektträger finden.

«Wir sind stolz auf die vielfältigen Plugins»

Computerworld:Manche in der Branche sagen, Java sei ein Auslaufmodell mit veralteter Technik. Was meinen Sie dazu?
Mike Milinkovich:Ich nehme diese Äusserungen nicht für bare Münze. In der Hightech-Industrie gibt es so viele Hypes. Alles, was neu und spektakulär wirkt, wird zur grossen Vision hochstilisiert, die angeblich alles vollbringen wird, was bisher nicht geklappt hat. Ich meine vielmehr, dass Java endlich ausgereift und stabil genug ist, um den Entwicklungsanforderungen in den allermeisten Unternehmen zu genügen. Und das ist eine gute Sache. Niemand muss sich dafür schämen, ausgereift zu sein.
Computerworld:Gibt es einen Trend, die Virtual Machines unter anderen Sprachen zu fahren?
Mike Milinkovich:Definitiv, und ich finde das grossartig. Wenn die Java Virtual Machines dahingehend erweitert werden, dass die Unterstützung anderer Sprachen besser wird, ist das sehr gut.
Computerworld:Weshalb?
Mike Milinkovich:Weil die Programmierer definitiv mehr als eine Sprache brauchen, und weil so viel Arbeit und Talent in den Laufzeitumgebungs-Infrastrukturen der Java-Plattform steckt. All das nochmals für eine andere Sprache neu zu erfinden, macht keinen Sinn.
Wenn Sie eine Aufgabenstellung in einer anderen Sprache als Java abwickeln wollen - nur zu. Aber ganz sicher wollen Sie deshalb auf die hoch getunten und reifen Laufzeitumgebungen von BEA, IBM, Jboss oder Oracle nicht verzichten, die ihre Middleware-Produkte über Jahre für Webapplikationen perfektioniert haben.
Computerworld:Wie viel Umsatz generiert Eclipse-basierte Software heute? Oder meinen Sie, das wichtigste Argument sei immer noch, dass Eclipse lizenzfrei ist?
Mike Milinkovich:Mir liegen keine verlässlichen Zahlen vor, um den Umsatz des
Eclipse-Ökosystems zu beziffern. Auch von den Analystenfirmen gibt es keine einschlägigen Erhebungen. Ich denke jedoch, dass wir uns sicher im Dollarmilliarden-Bereich bewegen. Was das Gratisangebot angeht: In der Tat stellen wir Open-Source-Tools und Frameworks kostenfrei zur Verfügung. Aber wir wollen durchaus, dass die Anwender mit der Plattform Geld verdienen.
Computerworld:Was hat Eclipse bezüglich Application Lifecycle Management zu bieten?
Mike Milinkovich:Da laufen momentan verschiedene Projekte an. Allen voran ALF - das Kürzel steht für Application Lifecycle Frame-work - von Serena, des weiteren Compuwares Projekt Corona. In jedem Fall ist das Thema wachstumsträchtig. Doch bis die Projekte reif sind, wird noch einige Zeit vergehen.
Computerworld:Die obligate Frage zum Abschluss: Tut sich hinter den Kulissen etwas hinsichtlich Sun und Mitgliedschaft bei Eclipse? Respektive Verschmelzung von Netbeans und Eclipse? Keine Kommunikation in den letzten, ein, zwei Jahren?
Mike Milinkovich:Nein, überhaupt nicht. Sun signalisiert überdeutlich, dass sie ausschliesslich an Netbeans festhält.
Paul Krill



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