20.10.2005, 19:54 Uhr

Das Ende der manuellen Rechnungskontrolle

Bislang musste die Krankenkasse Malters ihre Rechnungskontrolle manuell erledigen. Mit der Tarmed-Einführung war der Einsatz eines elektronischen Systems angezeigt.
Wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sollen sie sein, die Leistungen, die von allen diagnostisch und therapeutisch Tätigen im schweizerischen Gesundheitswesen erbracht werden. Konsequenterweise ist damit die ganze Kette im Ablauf einer erbrachten Arbeit gemeint: Vom ersten Untersuch bis zur elektronischen Übermittlung und Bezahlung der Arzt-, Apotheker- und Spitalrechnung oder dem Betreffnis einer veranlassten Leistung.
Zwischen dem Empfang einer vom Leistungserbringer zum Kranken- oder Unfallversicherer transportierten Rechnung bis zu deren Bezahlung liegt die Kontrolle des Abgerechneten und Geforderten. Hier haben die grossen Kassen längst vorgesorgt. Sie weisen leistungsfähige IT-Kontroll-Tools auf, die keinerlei Kopfschmerzen bezüglich der abzurechnenden und via Tarmed automatisch zugelieferten Rechnungen aufkommen lassen. Nicht so die kleinen und mittleren Kassen. Sie waren bislang zu Handarbeit «verknurrt», verfügten sie doch über keine probate Software, konnten eine Eigenentwicklung nicht berappen und unterlagen doch - nicht zuletzt im eigenen Interesse - dem Anspruch einer verstärkten Kontrolle.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, setzt die Krankenkasse Malters, die bereits 1899 als Taggeldkasse einer Mühle gegründet wurde, auf eine Software namens Invoice Inspector. Entwickelt wurde diese von Medidata und BBT Software, die beide im luzernischen Root domiziliert sind. «Die Software beherrscht nebst allen Tarmed-Positionen die gesamte Rechnungskontrolle, ist ausbaufähig und weist mit entsprechender Hardware eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit und ist benutzerfreundlich», beschreibt Sibylle Hänsli Legena, verantwortlich für das Abrechnungswesen bei der Krankenkasse Malters, die Vorteile des Programms.

Die Herausforderung

Das KVG fordert ab dem 1. Januar 2006 von allen Leistungserbringern im ambulanten Bereich (und deren Software-Unterstützern), dass elektronisch fakturiert wird. Wenn dabei das Argument der Wirtschaftlichkeit ernst genommen wird, umfasst das natürlich alle Schritte: Von der Rechnungsstellung und dem Datentransfer zum Versicherten (Tiers garant) respektive zur Kranken- oder Unfallversicherung (Tiers payant) über die Kontrolle, allfällige Nachfrage bei Unklarheiten oder Weiterleitung bis zur Bezahlung per E-Banking. Alles andere wäre, angesichts der zur Verfügung stehenden Techniken, ein Rückschritt in die Steinzeit.
Somit werden alle ambulanten Leistungserbringer, die nach Tarmed abrechnen, ab 2006 ihre Leistungen elektronisch abrechnen. Ärzte, Apotheker, Spitäler und weitere Leistungserbringer werden dann alle Daten elektronisch an die Versicherer übermitteln. Damit können die Prozesskosten im Gesundheitswesen gesenkt werden, was mittelfristig auch den Patienten und Prämienzahlern zugute kommt. Allerdings sind im Tarmed gut 45000 Regeln abgebildet, die es zu prüfen gilt.

Umfassende Rechnungsprüfung
Der Invoice Inspector ist eine hierarchisch aufgebaute Software zur zentralen Prüfung von elektronischen XML-Rechnungen in verschiedenen Stufen (Schema- und Tarif-geprüft). Die Software für kleine und mittlere Krankenversicherer kann eine Million Dokumente pro Jahr tagfertig verarbeiten. Die Übermittlungszeit richtet sich nach der zur Verfügung stehenden Bandbreite des Internetanschlusses zuzüglich der Zeit, welche der Server für die Verarbeitung benötigt.
Die vom Leistungserbringer erstellte Rechnung gelangt via Mediport, eine Plattform für den elektronischen Datenaustausch im Gesundheitswesen, zum Invoice Inspector. Dort werden die Prüfungen und Aktionen angesetzt und die Rechnung wird mit dem Protokoll wiederum via Mediport dem Empfänger, einem Kostenträger, zugestellt. Das ankommende Dokument enthält nun nicht nur die Rechnung, sondern ebenfalls die Prüfungsresultate. Der Empfänger bearbeitet die Rechnung, indem die Prüfresultate analysiert werden. Dies kann mittels Bildschirm-Darstellung oder automatisch erfolgen.
Das Verfahren Tiers payant verlangt eine Rechnungsantwort im Falle eines Fehlers. Im Zusammenspiel mit dem Sachbearbeiter erstellt das Abrechnungssystem eine Rechnungsantwort aufgrund der gemeldeten Fehler oder selbst festgestellter Mängel und sendet diese an Mediport zur direkten Zustellung an den Leistungserbringer.
Der grösste Fehlerfall tritt dann ein, wenn das Dokument nicht den geringsten Ansprüchen des Invoice Inspectors entspricht. Dann wird nämlich bereits von diesem System aus eine Rechnungsantwort geschrieben und via Mediport dem Leistungserbringer zugestellt. In diesem Fall erfolgt gar keine Interaktion mit dem Kostenträger, das heisst, der Kostenträger wird nicht mit einer technisch unbrauchbaren Rechnung belastet.
Das Ganze funktioniert auch im so genannten Tiers-garant-Prozess. Dieser ist durch die Überbrückung des heute noch notwendigen Medienbruchs gekennzeichnet und kann in vier wesentliche Prozessschritte unterteilt werden: Die Rechnung wird eingeliefert, am rationellsten durch einen mit Mediport arbeitenden Leistungserbringer. Da der Empfänger, also der Patient, nicht an dieses System angeschlossen ist, wird die Rechnung im Printcenter von Medidata ausgedruckt und dem Patienten zugestellt. Dieser entscheidet dann über eine Einreichung an die Kasse, entweder sofort, zeitverzögert oder gar nicht. Im dritten Prozessschritt fordert die Kasse den elektronischen Beleg bei Mediport an. Letztere prüft die Möglichkeit, gibt eine entsprechende Antwort und leitet das Dokument nach der Prüfung im Invoice Inspector weiter. Nach erfolgter Prüfung wird das Dokument asynchron dem Kostenträger zur Erledigung der Kostenübernahme minus Selbstbehalt zugestellt. Die Zustellung erfolgt innerhalb des nächsten Dokumentenrequests.

Fünf Prüf-Stufen zur Sicherheit

«Die meisten Rechnungen sind fast einwandfrei, es geht primär ums rationelle Ermitteln einzelner fehlerhafter Details», erläutert Sibylle Hänsli Legena. Diese Detailprüfung umfasst beim Invoice Inspector fünf Schritte: Die XML-Schemavalidierung stellt sicher, dass das vorliegende Dokument dem spezifischen XML-Schema entspricht. Diese Prüfungen sind im Umfang abhängig vom Inhalt des XML-Schemas. Im Wesentlichen wird sichergestellt, dass alle «Mussfelder» mit einem Wert belegt sind und dass die definierten Codenummern eine korrekte Syntax aufweisen. Die zweite Prüfstufe umfasst Prüfungen, welche ohne Referenzdaten aus anderen Quellen auskommen. Geprüft wird die richtige Zusammenstellung von Codeinformationen, beispielsweise die EAN-Nummer, und die richtige Summierung und Rundung von Stufe sichert eine in sich stimmige Rechnung ab.
In einem dritten Schritt werden Prüfungen gegen Fremddaten vorgenommen. Dabei sind die Tarifdaten im Vordergrund. Es können aber auch Prüfungen unter Inanspruchnahme von andern Fremddaten erfolgen. In erster Linie wird die Existenz einer Position sowie deren Inhalt sichergestellt. Diese Prüfstufe sichert bei vielen Tarifen eine umfassende Prüfung ab. Die in dieser Stufe für richtig befundenen Positionen und Werte werden nun einer Regelprüfung unterzogen. Für diese Prüfungen müssen die Regeln elektronisch abbildbar und vorhanden sein. Dies ist im Tarmed der Fall, die Regelprüfung im Rahmen des Projekts beschränkt sich somit auf den richtigen Einsatz von Tarmed. In einer späteren Phase kann diese Prüfstufe auf weitere Regeln ausgeweitet werden. Die Transcodierung teilt schliesslich die verrechneten Positionen in Gruppen ein. Diese Stufe klassiert die Positionen und meldet die Klassierung auf eine klar definierte Art und Weise.
Daniel Bätschmann



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