FOKUS 24.09.2005, 18:14 Uhr

Business Intelligence auf dem Prüfstand

Herkömmliche Business-Intelligence-Systeme stossen bei der Auswertung von komplexen Unternehmensdaten schnell einmal an ihre Grenzen. Von Georg Rybing*
Der Markt sowie der Wettbewerbsdruck zwingen Verantwortliche in Unternehmen, immer schneller fundierte Entscheidungen zu treffen. Entsprechend steigt die Nachfrage nach Business-Intelligence- Lösungen. Laut einer Marktanalyse der Meta Group wird allein in Deutschland der Markt bis 2007 jährlich um durchschnittlich 16 Prozent wachsen. Auch externe Faktoren wie Corporate Governance, Basel II oder Compliance machen eine schnelle, einfache und unternehmensübergreifende Analyse komplexer Datenbestände notwendig.
Zwar haben viele Firmen bereits eine IT-Lösung zur systematischen Sammlung und Auswertung von Unternehmensdaten implementiert, auf die Entscheider und Manager zurückgreifen. Sieht man in den Unternehmen jedoch einmal genauer hin, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Denn häufig bauen sich die Mitarbeiter aus verschiedenen Quellen Excel-Dateien zurecht, um Daten zu analysieren und zu präsentieren. Somit erschöpft sich Business Intelligence (BI) in vielen Firmen in der Verwendung der einfachen Tabellenkalkulation. Aber selbst komplexe analytische Lösungen zur Datenanalyse stossen bei der Komplexität und Menge der in Unternehmen vorhandenen Daten an ihre Grenzen. Der Wunschtraum von unter Zeitdruck stehenden Managern, innerhalb von Sekunden mit allen Informationen des Unternehmens beliebige Szenarien durchspielen zu können, ist also nicht erfüllt. Das zeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit im Bereich der Datenanalyse noch weit auseinander klaffen.

BI bedeutet starres Reporting

Es gibt bereits gute analytische BI-Lösungen, mit denen beispielsweise Verantwortliche einer Autoverleihfirma überblicken können, wie viele Leihwagen einer Kategorie für wie lange an einem bestimmten Tag an einem Flughafen ausgeliehen werden. Leistungsfähige Systeme können diese Zahlen noch mit denen von anderen Niederlassungen vergleichen und zudem mit weiteren Attributen, wie etwa Zahlungsart oder Datum der Vorbestellung, in Bezug setzen.
Die Analyse solcher Informationen sind für Marketingleiter interessant, um schnell abwägen zu können, in welchem Standort sie eine Sonderaktion anbieten sollen. Jedoch stossen diese BI-Lösungen zumindest für bestimmte Anforderungen an ihre Grenzen, da sie keinen allumfassenden Blick liefern können.Der Marketingleiter der Leihwagenfirma spürt die Limitierung seiner Lösung beispielsweise dann, wenn er weitere Attribute in seine Analyse miteinbeziehen möchte. Beispielsweise ist die Frage interessant, ob die Farbe oder die Ausstattung eines Autos eine Rolle spielen, oder ob bestimmte Routen zwischen Städten häufiger als andere genutzt werden und dies in Zusammenhang mit dem Alter der Kunden und deren abgeschlossenen Versicherungen steht.
Die Anzahl der Attribute bei herkömmlichen statischen Reports ist begrenzt, da sie nur einen Ausschnitt der Datenbank (Data Mart, Cube) abbilden. Zudem beruhen sie auf einer Auswahl von Parametern, deren Prämissen sich schleichend oder unbemerkt verändern können. Zusammenhänge, die sich ausserhalb des definierten Reportingsystems abspielen, werden nicht berücksichtigt. Bei sich verändernden Rahmenbedingungen müssen zeitaufwändig neue Reports erstellt werden. Gäbe es die Beschränkung bezüglich der Anzahl der Parameter nicht, würde der Marketingleiter Zugriff auf alle Informationen haben und wäre damit in der Lage, unerwartete Zusammenhänge zu entdecken. Er könnte aus Hunderten von Parametern in Sekunden je nach Bedarf beliebig viele Attribute heraussuchen, die ihn gerade interessieren. Weitere Parameter könnten in die Betrachtung einbezogen und andere ausgeblendet sowie spontane Folgefragen schnell beantwortet werden. Der Zeitaufwand, einen neuen Report zu erstellen, der weitere Attribute mit einbezieht, die nicht in dem aufgebauten Data Mart oder Cube vorhanden sind, würde entfallen.

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Technische Grenzen

Komplexe analytische BI-Lösungen arbeiten meist mit M-Olap- (multidimensionales Online Analytical Processing) oder R-Olap-Abfragen (relationales Online Analytical Processing). M-Olap-gestützte Lösungen extrahieren Ausschnitte der Datenbanken und legen die Daten in einer mehrdimensionalen Struktur ab. Auf dieser lassen sich mit akzeptablen Abfragegeschwindigkeiten Analysen und Auswertungen aus verschiedenen Blickwinkeln ausführen, um Informationen für Unternehmensentscheidungen zu gewinnen.
Das Problem an diesen Ansätzen ist, dass mit ihnen nicht auf alle Informationen des Unternehmens zugegriffen werden kann, sondern nur auf einen Ausschnitt der Datenbank (Data Mart). Sobald sich die Rahmenbedingungen für die Analyse ändern oder sich neue Fragestellungen ergeben, muss mit grossem Zeitaufwand eine neue mehrdimensionale Struktur erstellt werden.
R-Olap-gestützte Ansätze haben zwar den Vorteil, dass auf das grosse Data Warehouse direkt zugegriffen werden kann, jedoch muss der Anwender mit langen Antwortzeiten rechnen. Zudem erfordert die Veränderung der Rahmenbedingungen und das Hinzufügen von Attributen auch bei diesen Lösungen eine zeitaufwändige Neumodellierung des Data Warehouses.
Zusammenfassend bedeutet dies, dass es mit herkömmlichen analytischen Lösungen nicht möglich ist, den gesamten Datenbestand und eine Vielzahl von Attributen mit schnellen Antwortzeiten und wenigen Mausklicks zu analysieren. Um jedoch zeitnah reagieren zu können, müssen Entscheider im Vertrieb, im Controlling und im Management die Ergebnisse der Analysen rasch vor sich haben. Aus diesem Grund sollte der Entscheider Fragen aus den Datenbeständen des Unternehmens innerhalb weniger Sekunden beantworten können, um intuitive Vermutungen zu verifizieren, sowie durch die Kombination von beruflicher Erfahrung und computerunterstütztem Wissen unerwartete Sachverhalte zu entdecken.

BI der Zukunft

Business Intelligence der Zukunft muss die jeweiligen Vorteile von R-Olap und M-Olap mit Data-Mining-Funktionalitäten vereinen. Der Zugriff auf den gesamten Datenbestand muss in Sekundenbruchteilen möglich sein, um beliebige Szenarien durchspielen zu können. Bisher nicht erkannte statistische Zusammenhänge werden so aufgedeckt. Anwender sollten mit ihr trotz knapper zeitlicher und finanzieller Ressourcen sowie zunehmender Komplexität der Aufgaben schnell fundierte Entscheidungen treffen können. Eine Lösung muss die relevanten Daten in Echtzeit so zusammenstellen können, wie der Anwender sie gerade braucht. Der Entscheider, der auch in der Lage ist, die Analyseergebnisse richtig zu interpretieren, wertet die Daten selbst aus - ohne Hilfe des IT-Experten und ohne vorher zeitaufwändige Schulungen durchlaufen zu müssen. Daher muss die Lösung einfach und intuitiv zu bedienen sein.

FOKUS: Business Intelligence auf dem Prüfstand

Um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen und die Dokumentation von Daten zu gewährleisten, ist eine Art «Snapshot-Feature» ideal. Damit könnte beispielsweise in einer Vorstandssitzung aufgezeigt werden, wie es um die wirtschaftliche Lage eines Konzerns zu einem Zeitpunkt stand beziehungsweise welches Wissen der Verantwortliche damals hatte. Aufgrund der wachsenden Datenflut in Unternehmen ist zudem eine Speicherungsfunktion zur kompakten Archivierung grosser Datenbestände von Bedeutung.
Das Data Warehouse der Zukunft ist ein «Take-away»-Data Warehouse, das offline verfügbar ist und sich auch per E-Mail verschicken lässt. Die Portabilität von Informationen ist heutzutage wichtig, um Wissen schnell und umfassend auszutauschen. Jedoch sollte es sich dabei nicht nur um einen starren Report, sondern um ein Datenformat handeln, das dem Empfänger die Möglichkeit zu weiteren Analysen gibt.
Mit der skizzierten Lösung ist die Komplexität von grossen Datenbeständen leicht handhabbar und das Wissen transferierbar. Zudem ist mit ihr der Wunschtraum des gestressten Managers erfüllt, mit wenigen Mausklicks mit allen Informationen des Unternehmens beliebige Szenarien durchzuspielen.
* Georg Rybing ist Geschäftsführer der Panoratio Database Images.



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