02.07.2012, 10:40 Uhr

«Der CIO muss ein Verführer sein»

Im Interview erläutern George Colony, CEO von Forrester Research, und sein Business Technology Officer Steve Peltzman, warum der CIO auch Geschäftsmann werden muss und warum deshalb der Begriff «IT» überholt ist.
Forrester-Chef George Colony: «Wörter sind Signale.»
Dieser Artikel wurde ursprünglich in unserer Schwesterpublikation Computerwoche.de publiziert. Das Interview führte Computerwoche-Redakteurin Karin Quack. CW: Business-IT-Alignment ist Humbug, so war auf Ihrem «CIO Forum EMEA» zu hören. Was ist denn davon zu halten?
Colony: Der Begriff Business-IT-Alignment bezeichnet ein Client-Server-Verhältnis, das so nicht mehr besteht. Für die IT war das ein gutes Schlupfloch. Sie konnte sich auf die Position zurückziehen: Ich muss das Business nicht verstehen, sondern ihm nur geben, was es will. CW: Und wo ist das Problem?
Colony: Dass viele Business-Leute gar nicht wissen, was sie eigentlich wollen könnten, weil sie die Technik nicht gut genug kennen.  CW: Was kann der CIO dagegen tun?
Colony: Der einzige Weg da raus ist der, dass sich die IT-Leute wirklich auf das Business einlassen. Und umgekehrt. Forrester nennt das Co-Creation.  CW: Was bedeutet das in der Praxis?
Colony: Dass niemand, der aus der Technik kommt, einfach nur Mechaniker oder Ingenieur sein kann, sondern auch ein Business-Mensch werden muss. Aus diesem Grund plädiert Forrester dafür, den Namen Information Technology, also IT, in Business Technology, sprich: BT, zu ändern. Ausserdem verwenden wir die Bezeichnung CBTO, Chief Business Technology Officer, statt CIO, also Chief Information Officer. CW: Das sind doch nur neue Wörter.
Colony: Diese Wörter senden ein Signal an die Business-Leute. Sie sagen: Ich bin nicht mehr einfach nur ein Techniker, sondern ich bin dein Partner, und wir können gemeinsam etwas schaffen. Ein anderes Wort zu verwenden kann eine Menge bewirken.  CW: Tun die Unternehmen das denn?
Colony: Oh ja, einige wie beispielssweise die Barcleys Bank, haben diese Terminologie schon übernommen. Wie sie sagen, kann ein einziges verändertes Wort Wände zwischen Business und IT einreissen. Allerdings richt es nicht, nur das Wort zu ändern. Gleichzeitig muss sich auch die Art ändern, wie das Unternehmen arbeitet. CW: Herr Peltzman, was ist von Ihrer Seite, aus Sicht des CBTO, dafür notwendig?
Peltzman: An erster Stelle steht die Glaubwürdigkeit. Wenn Sie nicht nachweisen können, dass Sie das Business kennen, traut Ihnen auch keiner eine Partnerschaft zu. Deshalb ist es wichtig, die Business-Peers zu fragen, wie sie eigentlich arbeiten Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was unterscheidet den CIO vom CBTO? CW: Wie unterscheidet sich denn der CBTO vom CIO?
Colony: Der CBTO kommt mit Produktideen zum Business. Er macht sich nicht so viele Gedanken darüber, wo das Unternehmen Geld sparen kann, sondern darüber, wo es Geld verdienen kann. Das ist es, was Steve Peltzman und sein Team tun. Übrigens war Steve vorher beim Museum of Modern Art in New York City und hat dort das Online-Ticketing und damit auch das Thema Social vorangetrieben. 
CW: Eine auf der Konferenz vertretene These lautet: Der CIO muss ein Verführer sein…

Peltzman: Ja, diese Sichtweise mag ich. In unserem Job ist es wichtig, nicht zu reagieren, sondern zu inspirieren und zu führen. Das Online-Ticketing ist ein gutes Beispiel. Hier ging es nicht um das grosse Geschäft, sondern um einen kleinen strategischen Bereich, darum, eine langfristige Beziehung zum Kunden herzustellen.  Colony: Die fünf Eigenschaften der Business Technology sind die folgenden: Erstens ist sie agil, sie passt sich leicht dem dynamischen Business an. Zweitens ist sie schnell, sie kann das Business sogar überholen. Drittens ist sie kugelsicher, das Business kann sich auf sie verlassen. Viertens ist eng auf das Geschäft bezogen und fünftens hat sie den Endkunden im Blickfeld. BT dringt von draussen nach drinnen - nicht umgekehrt.  CW: Hier ist Konfliktpotenzial. Wenn sich die IT oder BT auf den Endkunden bezieht, umgeht sie den internen Kunden. Sie sagt Marketing und Vertrieb quasi, wie sie ihr Geschäft machen sollen.
Colony: Aus Sicht der Unternehmensleitung kann gar nichts Besseres passieren. Ich als CEO freue mich darüber, wenn die Technik so weit fortgeschritten ist, dass sie mit ihren Ideen die Fachbereiche überspringt. Peltzman: Als ich zu Forrester kam, habe ich den Leuten dort gesagt: Ihr seid nicht meine Kunden. Ich bin nicht hier, um euch glücklich zu machen. Wenn man versucht, Marketing oder Vertrieb zufrieden zu stellen, schafft man keine ganzheitlichen Systeme, und die machen dann niemanden glücklich. Entwickelt man ganzheitliche Systeme aus Sicht des Endkunden, sind am Ende auch Sales und Marketing zufrieden. Den von Ihnen angesprochenen Konflikt gibt es sicher, und wir müssen ihn austragen. Das ist auch gut so.  CW: Das klingt kämpferisch.
Peltzman: Ich will niemandem etwas aufzwingen. Ich will lieber gemeinsam etwas entwickeln.  CW: Dafür ist eine Konfliktsituation vielleicht nicht die beste Basis.
Peltzman: Deshalb muss der CIO ja auch ein Verführer sein. Er sollte gut kommunizieren können. Es geht nicht darum, jemanden zu mobben. Das ist der Unterschied zwischen der CIO- und der CBTO-Rolle: Gefragt ist die Fähigkeit, miteinander zu agieren, einen Case zu entwickeln, zu überzeugen, an einem grossen Ganzen zu arbeiten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Gründe für einen Chief Mobile Officer CW: Herr Colony, Sie haben verschiedentlich dafür plädiert, einen Chief Mobile Officer im Unternehmen zu berufen. Gehört das nicht zur Kernkompetenz eines CBTO?
Colony: Wenn ich der CBTO wäre, hätte ich gern jemanden an meiner Seite, der den Mobilbereich managt. Mobile wird so massiv und so wichtig für die Kundenbeziehung, dass es einen Topmanager braucht, der sich damit wirklich auskennt.  CW: Sie selbst haben heute gesagt, das Web sei mittlerweile «Legacy». Die gesamte Business-Technik wird mobil. Dann muss sich der CBTO doch damit befassen.
Peltzmann: Es gibt aber immer noch genug andere Bereiche, um die ich mich kümmern muss, beispielsweise Big Data und die Technik hinter den Produkten. Mobile mag am Ende der grösste Output sein, aber es ist doch nicht alles. Ich hoffe, dass auch wir als kleineres Unternehmen mit 50 BT-Mitarbeitern irgendwann einen CMO haben.



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