05.03.2008, 08:57 Uhr

Transparente Pick-up-Prozesse

In der Automobilindustrie harzt es vielerorts bei der Zulaufsteuerung: Viele Partner mit ebenso vielen IT-Systemen erschweren den Informationsaustausch. Software für Supply Chain Execution schafft Abhilfe.
Klaus Plaickner ist Produktmanager bei inet-logistics.
Die durchgängige Steuerung unternehmensübergreifender Logistikprozesse stellt die Automobilindustrie vor grosse Herausforderungen. Allein der Teilprozess der Zulaufsteuerung ist eine Herkulesaufgabe: Die Vielzahl der beteiligten Supply-Chain-Partner mit jeweils unterschiedlichen IT-Systemen steht einem reibungslosen Austausch wichtiger Informationen oft im Weg. Die dadurch entstandene Intransparenz verursacht erhebliche Kosten, etwa durch die Ad-hoc-Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse.
Um die Zulaufsteuerung zu optimieren, benötigen Unternehmen also möglichst frühzeitig Zugang zu umfassenden Informationen. Daneben gilt es, alle mit dem Wareneingang in Zusammenhang stehenden Erfassungs- und Kontrollaufgaben zu automatisieren. Vor diesem Hintergrund hat der VDA (Verband der Automobilindustrie) mit seiner «Empfehlung 5004» bereits vor mehreren Jahren den sogenannten Pick-up-Prozess in der Branche standardisiert. Bislang ist allerdings die konsequente Weiterführung hin zur durchgängigen Automation dieses Prozesses ausgeblieben.

Vernetzung aller Partner

Einen möglichen Lösungsansatz für die Automation des Pick-up-Prozesses stellt internetbasierte Standard-Software für Supply Chain Execution dar. Solche Systeme synchronisieren den Waren- und Informationsfluss und ermöglichen eine Vernetzung aller Partner. Sie automatisieren Planung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle von unternehmensübergreifenden Logistikprozessen. Dies betrifft auch die im Rahmen der Zulaufsteuerung relevanten Bereiche des Transport- und des Frachtkostenmanagements.
Alle Supply-Chain-Partner binden ihre IT-Systeme über standardisierte Schnittstellen direkt an eine zentrale Informationsplattform an oder nutzen die dort gesammelten und aufbereiteten Informationen sowie die benötigten Funktionen über das Internet. Dadurch ist es möglich, auch kleinere Partner in den Informationsfluss einzubinden.
OEM (Original Equipment Manufacturer) profitieren von der zentralen Synchronisation der eigenen Transportplanungsdaten mit den Sendungsstatusinformationen der Logistikdienstleister und den Transportauftragsdaten der Zulieferer. Fortschrittliche Lösungen bieten darüber hinaus auch eine funktionale Unterstützung der Planung, Steuerung und Durchführung des Transportprozesses.

Abstimmungsprozess entfällt

Solche Fachsysteme sind den klassischen ERP-Systemen weit überlegen: Sie automatisieren zentrale Aufgaben des Pick-up-Prozesses. Die Versand- und Transportplanung wird für den OEM vereinfacht, indem die Lösung auf Basis der Lieferabrufbelege (LAB) wichtige Vorarbeiten in der Abstimmung mit Zulieferern und Logistikdienstleistern übernimmt. Die im ERP-System des OEM generierten Daten zu den LAB werden in die zentrale Logistikplattform übernommen. Auf dieser Grundlage werden dann die Soll-Transportanmeldungen automatisch erzeugt. Anhand eines vorab definierten Regelwerks oder der Transportplanung werden darüber hinaus Transportaufträge zu Touren zusammengefasst. Damit ist kein aufwendiger Abstimmungsprozess mit den Zulieferern mehr notwendig. Gleichzeitig haben die Logistikdienstleister die Gelegenheit, via Internet jederzeit auf die Bedarfsdaten des OEM zuzugreifen.
Die elektronischen Lieferscheine werden nach der VDA-Empfehlung 4913 von den Zulieferern erstellt und entweder automatisch über die Plattform oder manuell den Transportanmeldungen zugewiesen. Die einheitlichen Dokumente stehen in der Folge allen beteiligten Partnern zur Verfügung. Kommt es während des Transports zwischen Zulieferern und Dienstleistern zu Abweichungen von der ursprünglichen Planung, so werden diese exakt ermittelt. Auf diese Weise wird dem OEM eine fundierte Beurteilung von Zulieferern und Dienstleistern ermöglicht.
Während des Transports geben die Logistikdienstleister Informationen über den jeweils aktuellen Status an das System weiter. Vom OEM oder den anderen beteiligten Partnern werden diese Statusinformationen unmittelbar im eigenen ERP-System oder auf der Plattform ausgewertet. Ausserdem informieren die Dienstleister den OEM direkt via System über anstehende Wareneingänge und deren konkreten Zeitpunkt. Dadurch erhält der OEM die notwendige Transparenz über Liefermengen und -termine. Das bildet die Grundlage für eine automatisierte Eingangserfassung und -kontrolle.

Fazit: Systemgrenzen überwinden

Internetbasierte Supply-Chain-Execution-Lösungen sind in der Lage, die Grenzen zwischen den IT-Systemen der an der Zulaufsteuerung beteiligten Partner zu überwinden. Damit sind sie prädestiniert, Pick-up-Prozesse weitgehend zu automatisieren. Die Supply Chain wird durch solche Systeme für alle Beteiligten transparent, der Pick-up-Prozess besser steuerbar und die Planungssicherheit für die Produktion steigt.
Praxisbeispiel

Optimierung entlang der Supply Chain

Die Magna Steyr Fahrzeugtechnik hat ihr Transportmanagement von Grund auf erneuert. Dank einer cleveren IT-Lösung konnte sie Transparenz schaffen und die Kosten senken.
Neue Produktionsaufträge von BMW und Saab stellten die österreichische Magna Steyr Fahrzeugtechnik vor eine gewaltige Herausforderung: Sie musste ein um 500 Prozent gestiegenes Transportvolumen bewältigen. Die weltweit grösste Auftragsentwicklerin und -herstellerin von Automobilen entschied sich vor diesem Hintergrund, ein komplettes Prozess-Reengineering durchzuführen. Gleichzeitig wurde eine durchgängige IT-Lösung eingeführt, mit der Magna Steyr die Transportplanung und -steuerung mit dem Ladungsträgermanagement und dem Frachtkosten-Clearing automatisieren und integrieren konnte.
In einem ersten Schritt wurden bei Magna Steyr alle Prozesse grundlegend überarbeitet und aufeinander abgestimmt. Darauf aufbauend, wurde in Kooperation mit den Software-Lieferanten inet-logistics und 4flow sowie Nexolab als Konsortialführer eine integrierte Software-Lösung entwickelt. Grundlage hierfür war die Solution-Suite «logistics-server», eine Standard-Software für Supply Chain Execution von inet-logistics.

Optimale Transportstruktur

Die für Magna Steyr entwickelte Lösung automatisiert und integ-riert die verschiedenen Prozesse. Heute fliessen zum Beispiel relevante Informationen aus dem Ladungsträgermanagement in die Transportplanung und -steuerung ein. So kann die optimale Transportstruktur unter Berücksichtigung des konkreten Bedarfs genau festgelegt werden.
Das Hauptziel dieser Optimierung bei Magna Steyr bestand darin, die Frachtkosten zu reduzieren. Gleichzeitig wurde auch die Anzahl der Transporte und deren Frachtraumauslastung optimiert. So liefert die Automatisierung und intelligente Verknüpfung von Transport- und Ladungsträgermanagement für Magna Steyr ein überzeugendes Ergebnis: Die Transport- wie auch Prozesskosten wurden deutlich reduziert. Stefan Lasser, zuständiger Projektleiter bei Magna Steyr Fahrzeugtechnik, zeigt sich zufrieden: «Damit haben wir unser ursprüng-liches Projektziel sogar früher als geplant erreicht.»
Ein weiterer Vorteil liegt laut Lasser in der Transparenz, die mit dem automatisierten Frachtkosten-Clearing geschaffen wur-de. Der «logistics-server» bündelt auf Basis der Informationen über ein- und ausgehende Transporte die Lieferscheine zu Liefergruppen. Über hinterlegte Speditionstarife werden die Frachtkosten berechnet. Dieses Vorgehen ermöglicht ein Gutschriftverfahren mit den jeweiligen Spediteuren. «Zudem können die vielfältigen Aufgaben des Transportmanagements jetzt wesentlich schneller abgewickelt werden», so Lasser. Im Weiteren sorgt die zusätzliche Transparenz nun für bessere Reaktionsmöglichkeiten bei Störungen und zudem konnte trotz verkürzter Vorlaufzeiten auch die Versorgungs-sicherheit gesteigert werden. bac
Klaus Plaickner



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