25.06.2013, 13:16 Uhr

Swisscom-Schweiz-Chef Urs Schaeppi im grossen Interview

Urs Schaeppi, Chef von Swisscom Schweiz, spricht mit Computerworld über Umsatzverluste, Cloud und die mobile Arbeitswelt.
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Urs Schaeppi steht im grossen Computerworld-Interview Red' und Antwort
Computerworld.ch: Letztes Jahr waren sie Leiter Grosskunden. Mittlerweile Leiter Swisscom (Schweiz). Gratulation zur Beförderung. Was hat sich für Sie geändert?
Urs Schaeppi: Das Aufgabenfeld ist jetzt breiter. Vorher hatte ich nur die Geschäftskunden, nun alle Segmente.
Hat Ihnen das auch eine neue Sichtweise auf die Geschäfte der Swisscom gegeben?
Als Mitglied der Geschäftsleitung kümmerte mich die Gesamtsicht schon zuvor. Aber man merkt in meiner Position schon, wie sehr das Privat- und Berufsleben unserer Kunden immer mehr verschmilzt. Die Leute sind heute fünf Minuten Privatkunde und 55 Minuten Businesskunde – und umgekehrt. ¨
Und Ihr Job ist es, Ihr Unternehmen für die Zukunft fit zu machen?
Mein Job beinhaltet viele Aufgaben. Dazu gehören, die Innovationskraft zu sichern, das Unternehmen auf die Kunden auszurichten und natürlich auch die Effizienz zu steigern. Die Zusammenarbeit zwischen den Geschäftsbereichen fördern und Synergien herausarbeiten, kann Kosten sparen. Und diese Entwicklung sorgt auch für ein neues Kundenerlebnis. Die Telko-Branche ist zudem so dynamisch, dass es immer wieder interner Anpassungen bedarf, damit der Kunde von einem optimalen Service profitiert. Nehmen wir beispielsweise die Smartphones, bei denen der Endkunde genau sieht, wie schnell sich die Welt verändert. Für den Dienstanbieter zieht das einen ganzen Rattenschwanz an Veränderungen nach sich.
Sie können sich also nicht über Langeweile beklagen.
Ich habe noch nie ein Unternehmen gesehen, das sich so schnell verändert wie Swisscom. Wenn man jedes Jahr praktisch eine Verdoppelung des Datenvolumens hat, kann man sich ja vorstellen, welche Ansprüche dies an die Netze stellt.
Die Netzinfrastruktur ist aber nur ein Teil des Swisscom-Geschäfts. Wo früher klar war, dass Swisscom für Fixnet und Mobile steht, kommen heute noch Themen wie BPO, MDM, Cloud oder Strommarkt dazu. Besteht da nicht die Gefahr eines Identitätsverlusts?
Es stimmt, wir sind heute deutlich breiter aufgestellt, wachsen beispielsweise im TV-Bereich gerade am stärksten. Aber der Markt realisiert schon, dass wir nicht mehr nur Daten und Telefonie anbieten. Viel grösser ist darum die Herausforderung im Unternehmen selbst. Denn die Produkte zu machen ist eins, die Vermarktung und der Kundenservice ist etwas ganz anderes und sieht je nach Geschäftsbereich unterschiedlich aus. So stellt der Verkauf einer SIM ganz andere Anforderungen als beispielsweise UCC as a Service.
«As a Service», da wären wir bei einem ihrer Hauptthemen: der Cloud. Vor einem Jahr sagten sie uns, dass die Cloud technisch sicher ist, dass von Seiten Kunden aber emotionale Hürden bestehen. Hat sich daran etwas geändert?
Man muss unterteilen: Sehr viele Privatkunden nutzen bereits die Cloud, in Form einer App. Die Privaten kümmern sich entsprechend wenig um mögliche Problematiken mit der Cloud, sie nutzen einfach die Dienste. Aber wenn nun so etwas wie gerade in Amerika mit der NSA geschieht, sensibilisiert das den Kunden. Er wird einen Entwicklungsprozess machen und tendenziell reifer werden im Umgang mit Daten.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: B2B und Cloud
Und im B2B-Bereich?
Im Geschäftskundenmarkt gibt es nach wie vor Vorbehalte gegenüber der Cloud. Ich sehe aber, dass sich viele heute ernsthaft um das Thema kümmern. Und man kann die Cloud so sicher wie on premise machen, wenn man einen soliden Provider hat. Dass wir alle Daten in der Schweiz speichern, ist darum auch unser USP.  Aber die Unternehmen sollten sich gut überlegen, welche Services sie in private und welche in public Clouds geben wollen. Und welche nach wie vor on premise sein müssen. Um diesen Bedürfnissen nachzukommen gibt es vermehrt Hybrid-Modelle.
Ganz so neu ist das aber nicht. Früher gab es hosted services im Rechenzentrum.
Stimmt, aber das war ein anderes Betriebsmodell. Sie haben ganz andere Skalierungseffekte dank der Cloud, wodurch Investitions- und Betriebskosten eingespart bzw. die Kosten variabilisiert werden können.
Aber dadurch wird’s ja nicht günstiger, die Kosten werden einfach verschoben.
Doch, Cloud-Lösungen sind günstiger. Es kommt einfach darauf an, wie man rechnet. Aber wenn die Cloud-Lösung richtig eingesetzt wird, ist sie billiger.
Welche Strategie fährt die Swisscom in Sachen Cloud?
Wir verlagern mehr und mehr Dienste in die Cloud. Gleichzeitig werden wir künftig eine geringere Anzahl unterschiedlicher Cloud-Plattformen haben. Damit werden wir effizienter in der Produktion unserer Angebote. Wir werden jedoch auch in Zukunft nicht nur eine Cloud-Plattform haben, sondern mehrere. Den TV-Service in der Cloud zu produzieren, benötigt andere Voraussetzungen als ein B2B-Service mit viel Redundanz.
Aber erst im Februar sagte Swisscom IT Services  CEO Andreas König, «Swisscom baue eine Cloud für die Schweiz».
Damit meinte er, dass wir eine grössere Zahl unserer Angebote in der Cloud produzieren wollen. Bislang sind unsere Dienste für die Kunden oftmals an unterschiedlichen Orten. Das soll konsolidiert werden, um effizienter und sicherer zu werden.
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Was werden neben der Cloud die anderen Wachstumstreiber der Swisscom in Zukunft sein?
Unser Kerngeschäft ist und bleibt das Zugangs- und Übertragungsgeschäft. Wir ermöglichen den Kunden, dass sie weltweit ein «Always-on-Gefühl» haben können. Da investieren wir substantiell, dieses Jahr alleine 1,75 Milliarden in unsere IT und vor allem in unsere Netze, beispielsweise in LTE.  Das rechnet sich aber auch, denn leistungsfähigere Netze ermöglichen neue Anwendungen und stärken damit die Penetration mit SIM-Karten.
Sie haben momentan 6,2 Millionen SIMs im Umlauf. Das ist dann erst der Anfang?
Ja. Ich gehe davon aus, dass wir mittelfristig 200 Millionen Gegenstände haben, die miteinander kommunizieren. Aus diesem Grund haben wir eine spezialisierte Abteilung «Machine to Machine». Das Geschäft läuft übrigens gut.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: So gut wie Sie erzählen sind die Zahlen aber nicht
Alles scheint also gut zu laufen. Aber im letzten Quartal haben sie trotzdem Verluste gemacht und CEO Carsten Schloter erklärte diese mit saisonalen Effekten. So einfach?
Wir haben im letzten Quartal keine Verluste gemacht! Betriebsergebnis und Reingewinn sind positiv. Der Umsatz ist leicht retour gegangen. Denn wir hatten im ersten Quartal weniger Arbeitstage als im Vorjahr – 2012 war ein Schaltjahr und Ostern lag erst im zweiten Quartal. Ein Arbeitstag weniger bedeutet jedoch in unserem Geschäft weniger Umsatz.
Es waren 2 Tage, die weggefallen sind. Sie machen pro Tag ca. 25 Millionen Umsatz, die Einbusse ist aber höher…
Wir haben natürlich auch Geschäfte, die substantiellen Preiserosionen unterworfen sind wie beispielsweise Roaming. Das geht auf die Marge. Glücklicherweise haben wir auch Bereiche wie das  TV- oder das Breitbandgeschäft, die wachsen. Oder einiges im B2B-Bereich. Das führt dazu, dass wir einen mehr oder weniger stabilen Umsatz haben.
Die Preiserosion im Mobilfunkbereich haben Sie mit Ihren Infintiy-Abos teilweise selber verschuldet.
Zum Teil ist das sicherlich richtig. Wir bieten mit diesen Produkten substantiell mehr Leistung für gleiche Preise was zu Margendruck führt. Aber in einer «always-on-Gesellschaft» will der Kunde ein Tarifmodell, mit dem er eben always on sein kann. Sonst benutzt er den Dienst einfach nicht. Das sieht man gut beim Thema Roaming. Das erste was ein Nutzer früher im Ausland gemacht hat war, die Datenkommunikation abzustellen, weil er Angst vor dem Rechnungs-Schock hatte. Darum haben wir ein Tarifmodell eingeführt, mit dem Kunden im Ausland Sicherheit haben.
Wir haben mit Infinity auch eine neue Logik eingeführt: du kannst so viele Daten brauchen wie du willst, wir unterscheiden nur nach Geschwindigkeit. Der Kunde steigt oft mit einem Abo mit tieferer Geschwindigkeit ein. Aber irgendwann will er mehr, was einen Trend zu höherwertigeren Abos nach sich zieht.
Damit haben sie ja auch letztlich die Konkurrenz an die Wand gedrückt. Die wollten mit Billig-Abos kommen, sie reagierten. Nun sind sie quasi Alleinherrscher.
Das ist ihre Aussage.
Wo gibt es denn Konkurrenz?
Der  Wettbewerb spielt hochgradig. Sunrise und Orange haben mit neuen Tarifmodellen reagiert, im Breitbandgeschäft haben wir einen grossen Wettbewerb, beispielsweise mit den städtischen Energiewerken. Aber klar, wir haben ein gutes Angebot und wollen besser sein als die Konkurrenz.
Was Sie allem Anschein nach definitiv haben, ist das bessere Netz
Genau, das ist aber auch unsere Strategie, die speziell der Schweiz angepasst ist. Wer sich in London bewegt, ist immer in der Stadt, hier ist man jedoch immer schnell auf dem Land. Darum ist das Thema Abdeckung bei uns zentral, dafür ist der Kunde auch gewillt, mehr zu bezahlen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Der Konkurrent T-Systems
Speziell der Schweiz angepasst…das macht sich nach eigener Aussage T-Systems im Geschäftskundenmarkt zu Nutze. Die sagen, dass sich die Swisscom stark auf den Heimmarkt konzentrieren würde und internationale Partnerschaften vernachlässigt. Darum könne T-Systems international agierende Unternehmen besser bedienen.
Das hätte  ich als T-Systems-Mitarbeiter vielleicht auch gesagt. Aber wir haben eine klare Strategie: «follow the customer». In der Schweiz gibt es viele international tätige Kunden und wir sind absolut wettbewerbsfähig, denen hochwertige Lösungen zu bieten. Wir haben Partnerschaften mit Verizon und Vodafone und grosse Kunden wie die Credit Suisse, die ihr globales Geschäft mit uns machen. Ich kann mich nicht erinnern, in der letzten Zeit viele Deals verloren zu haben.
Also ist der Eindruck, dass T-Systems hierzulande wichtiger wird, nicht richtig?
Nein. Man darf die Konkurrenz nie unterschätzen und in gewissen Segmenten wie der IT sind sie stark. Aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, T-Systems sei derjenige Konkurrent, der den Markt aufrolle. Allerdings herrscht generell ein breiterer Wettbewerb als früher. Wir haben KMU, Internetfirmen wie WhatsApp oder grosse IT-Unternehmen. Alles Konkurrenten. Früher gab es Sunrise, Orange und Cablecom.
Welches sind bei diesem offenbaren Konkurrenzdruck die Zukunftsgeschäfte von Swisscom und was machen Sie, um sich heute schon richtig zu positionieren?
Im Privatkundenbereich ist das Thema TV wichtig. Da geht es nicht mehr nur um Sender, der Fernseher wird interaktiv. Es gibt eine Vernetzung mit dem Internet, zudem auch Recording und Replay-TV. Die meisten Kunden schauen bereits zeitversetztes Fernsehen. Dazu kann man eine Vielzahl von Entertainment-Funktionalitäten reinbringen, die das Geschäft wachsen lassen.
Im B2B ist Wachstum primär in den IP-basierten Diensten zu finden: UCC oder auch Videokonferenzen. Und natürlich in der Security. Das ist ein riesen Thema, denn in einer vernetzten Welt braucht es tiefgehende Sicherheitskonzepte. Man muss sich gut überlegen, wo man strategisch hingeht.
Und die Swisscom hat gut nachgedacht?
Das Problem oder das Schöne ist: wir finden immer genügend Felder. Aber man muss fokussiert bleiben, wir müssen die richtigen Themen rausnehmen und dort eine gute Marktstellung haben. Grosses Thema heute ist die Mobilität von Geschäftsprozessen. Da lagert noch ein riesiges Potential.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Mobile Arbeitswelt
Auch die Arbeitswelt wird mobil. Wie reagiert Swisscom darauf?
Wir bieten die volle Produktpalette. Alle UCC-Lösungen unterstützen den Trend zu «work anywhere». Dann haben wir Mobile Device M-Angebote. Die Mobile Arbeitswelt ist eines unser Kerngeschäfte im B2B-Bereich.
Wie geht die Swisscom intern mit mobilen Arbeitern um?
Unsere Strategie ist es, eigene Produkte selber zu testen. Wir sind der grösste Kunde von UCC gewesen und wohl einer der ersten, der auf PBX verzichtet hat. Wenn das Unternehmen Leute will, die innovative Produkte entwickeln, müssen diese auch angewendet werden können.
Sie haben intern ein BYOD-Konzept. Immer mehr CIOs sagen aber, dass dies vielleicht doch nicht der grosse Wurf sein wird.
Ob BYOD oder nicht ist immer ein Unternehmensentscheid. Man muss aber sehen, dass der Druck auf den CIO von Seiten Nutzer extrem steigt. Und die User wollen ihre eigenen Geräte am Arbeitsplatz brauchen.
Aber es kann doch nicht sein, dass der Enduser dem CIO sagt, was er zu tun hat?
In dem Bereich schon. Denn  wer moderne Arbeitsplätze bietet, ist für gut qualifizierte junge Leute interessant.
Sie haben Talente angesprochen. Wie ist Swisscom im «Run for Talents» aufgestellt?
Wir haben kein Probleme, Talente zu erhalten. Schliesslich sind wir ein sehr attraktiver Arbeitsgeber mit hochspannenden Aufgabenfeldern. Gemäss Universum Studie sind wir z.B. im Bereich IT auf Platz vier der begehrtesten Arbeitgeber.
Sie haben also keinen Fachkräftemangel?
Nein. Gute Leute hat man aber nie genug und in einigen Bereichen ist der Arbeitsmarkt in der Tat sehr ausgetrocknet. Und besonders die Schweiz lebt von Ingenieuren und Technikern, nicht nur von Humanwissenschaftlern. Auch aus diesem Grund sind wir interessiert daran, unsere technischen Berufe zu fördern.  
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