19.06.2013, 11:46 Uhr

Nicht jeder kann IT-Lernender werden

Es gibt in der Schweiz aktuell mehr Jugendliche, die sich für eine IT-Lehre interessieren, als Lehrstellen. Eine merkwürdige Statistik, schliesslich beklagen sich die Unternehmen seit Jahren über Fachkräftemangel.
Gemäss dem aktuellen Lehrstellenbarometer können nur 40 Prozent der IT-Interessierten eine ICT-Lehre beginnen
Im April 2013 interessierten sich hochgerechnet 78 000 Jugendliche für eine Lehrstelle. 2500 davon würden gerne in die Informatik gehen. Das Problem: es sind momentan nur 1500 ICT-Stellen verfügbar, sagt das «Lehrstellenbaromter April 2013». Obwohl gemäss dem Bundesamt für Statistik in den letzten zwei Jahren durch verschiedene Initiativen ber 900 neue ICT-Lehrstellen geschaffen wurden, gibt es also noch Potential.  Es mutet merkwürdig an, dass die Unternehmen auf der einen Seite ständig vom Fachkräftemangel klagen, andererseits aber 40 Prozent des potentiellen IT-Nachwuchses eine Absage erteilen müssen, weil nicht genügend Stellen vorhanden sind. Allerdings sind die Zahlen mit Vorsicht zu betrachten, da für das Lehrstellenbarometer nur wenig Informatiklernende befragt wurden. Die statistische Signifikanz ist darum nicht zwingend gegeben.

Warum kein Angebotsüberschuss?

Dazu würde auch die Aussage von Jean-Pascal Lüthi, Leiter der Abteilung Berufliche Grundbildung und höhere Berufsbildung am Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), passen: «Normalerweise gibt es bei den technischen Berufen einen Angebotsüberschuss, weil die Anforderungen an die Lernenden hoch sind und die Betriebe nicht immer genügend gute Leute finden.» Und tatsächlich herrscht ilaut Lehrstellenbarometer bei den technischen Berufen ein Angebotsüberschuss von 1500 Lehrstellen. Warum es in der Informatik umgekehrt ist, kann Lüthi nicht sagen. Er verweist auf ICT Berufsbildung Schweiz. Deren Geschäftsführer Jörg Aebischer sagt, es sei ein zweischneidiges Schwert: «Einerseits bestätigen unsere Erfahrungen, dass es oftmals mehr Interessenten als IT-Lehrstellen gibt. Andererseits wissen wir aber auch von Unternehmen, die unbesetzte Stellen haben, weil die Qualität der Lehrstellensuchenden fehlt.» Insgesamt scheint er die Befunde des Lehrstellenbarometers aber nachvollziehbar zu finden. «Es gibt vor allem viele Trittbrettfahrer, die überhaupt nicht ausbilden und sich erst bedienen, wenn sie die Leute als vollwertige Arbeitskraft einsetzen,» sagt Aebischer. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Technische Berufe mit Angebotsrückgang

Technische Berufe mit Angebotsrückgang

Über alle Branchen hinweg ist Lehrstellensiuation in der Schweiz stabil. 55 Prozent oder 78 000 aller Jugendlichen, die vor der Ausbildungswahl stehen, interessieren sich für eine Lehrstelle. Davon haben 51 000 eine feste Zusage, beide Zahlen sind etwas tiefer als im Vorjahr. Demgegenüber steht aber ein etwas höheres Angebot (81 500) an Lehrstellen wie 2012 (80 000), das Angebot übersteigt also im Gegensatz zum letzten Jahr die Nachfrage.  Nebst der Informatik übersteigt die Nachfrage noch in den Branchen «Druck/Kunst», «Gesundheits- und Sozialwesen», «Informatik», «Verarbeitendes Gewerbe» und «Verkauf» das Angebot. In den Bereichen «Architektur und Baugewerbe», «Büro und Informationswesen», «Landwirtschaft» und «Technische Berufe» übertrifft das Angebot die Nachfrage. Bei den «Technischen Berufen» ist das Angebot zurückgegangen, während die Nachfrage stabil geblieben ist. Das Lehrstellenbarometer wird jährlich zweimal (April und im August) vom Link-Institut im Auftrag des SBFI erstellt. Für die Hochrechnungen dieses Frühjahrs wurden im April 2798 Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren telefonisch befragt. 5889 Unternehmen nahmen an der Befragung teil, davon waren 1694 Betriebe mit Lehrstellen.



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