15.12.2005, 16:34 Uhr

«Datenbackup ­ist ein alter Zopf»

In Sachen Speichersicherheit plädiert Mark Canepa, Storagechef von Sun Microsystems, neben dem Einsatz von Verschlüsselung für die Aufgabe alter Gewohnheiten. So sollten Anwender künftig auf Backups verzichten.
Mark Canepa von Sun empfiehlt Anwendern, die Daten im File-System zu belassen.
IT-Security wird auch im Speichergeschäft zum entscheidenden Faktor. Über die Pläne, die Sun Microsystems diesbezüglich hegt und wie generell die Zukunft für die kalifornische Firma im Storage-Business - vor allem nach der Storagetek-Übernahme - aussieht, unterhielt sich Computerworld mit Mark Canepa, Leiter des Speichergeschäfts der Sonnenkönige.
Computerworld:
Vor einiger Zeit war Sicherheit und Storage kaum ein Thema. Heute, da Regierungen die Datenflüsse in einem Unternehmen regulieren und kont-rollieren wollen - Stichwort: Sarbanes Oxley -, ist die Frage nach Security virulent. Wie bringen Sie Sicherheit in Ihre Speichersysteme?
Mark Canepa:
Unsere Security-Strategie sieht mehrere Stufen vor. Zunächst wird Suns Identitätsmanagementsoftware dazu beitragen, dass die Anwender nur auf diejenigen Daten Zugriff haben, die sie etwas angehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Systeme vor unautorisiertem Zugriff geschützt werden.
Daneben werden wir unsere Bandgeräte mit Verschlüsselungsmechanismen versehen. Wenn Sie unsere Labors besuchen, sehen Sie einige der Techniken in bereits sehr ausgereiftem Stadium. Meine Schätzung geht dahin, dass wir in einem halben Jahr die Bandlaufwerke mit Chiffriermöglichkeit ausliefern können. Einfach gesagt: Alles was Sie auf den Tapes speichern, wird verschlüsselt. Das wird viele Security-Prob-leme lösen. Selbst wenn Sie ein Band verlieren, wird niemand dieses Band mehr lesen können.
Schliesslich werden wir auch unseren Festplattenspeichern diese Funktionalität angedeihen lassen. Allerdings gibt es diesbezüglich nicht dieselbe Nachfrage. Tapes sind dazu da, den Ort zu wechseln, Disks nicht. Ein Tape kann man mitlaufen lassen, bei Festplatten wird das schwierig. Da müssen Sie schon ins Rechenzentrum einbrechen und eine ganze Speicherbox entwenden.

«Datenbackup ­ist ein alter Zopf»

Computerworld:
Heute gibt es bereits Schwierigkeiten, unverschlüsselte historiche Informationen zu interpretieren. Wird es in Zukunft nicht noch mehr Probleme geben, wenn die Daten verschlüsselt werden?
Mark Canepa:
Nein. Sie müssen nur den Schlüssel aufheben. Die Frage taucht übrigens immer wieder bei Kundengesprächen auf. Wir bieten hierfür ein Schlüsselmanagement an. Zudem müssen ein paar alte Gewohnheiten aufgegeben werden. Eine davon ist die Angewohnheit, ein Datenbackup zu erstellen. Historisch gesehen hat das Backup seinen Sinn: Die Systeme und Speichermedien hatten ein kleines Fassungsvermögen. Um überhaupt eine Chance zu haben, Ihre Daten zu rekonstruieren, mussten Sie ein Backup machen.
Heute sieht das anders aus. Die Dateisysteme sind riesig. Solaris hat etwa ein 128-Bit-File-System. Damit können Sie fast unendlich viele Dateien verstauen. Zudem gibt es Policy-Manager, die Daten in verschiedenen Geräten ablegen können. Es ist somit viel besser, die Informationen, die nicht mehr so oft aufgerufen werden müssen, von einem Ende des File-Systems an ein anderes zu bugsieren. Sie müssen also die Bandkassette nicht aus dem Silo nehmen. Lassen Sie sie drin.
Computerworld:
Das ist eine gute Methode, damit Ihre Kunden immer mehr Speicher kaufen müssen.

«Datenbackup ­ist ein alter Zopf»

Mark Canepa:
Nicht unbedingt. Tapes demagnetisieren und müssen meist nach drei Jahren ersetzt werden. Die Chancen stehen gut, dass bis dann Bänder auf dem Markt sind, die zwei- oder dreimal soviel Daten aufnehmen können. Sie müssen also nicht ein weiteres Datensilo kaufen, sondern können Ihre Informationen auf weniger Bandkassetten konsolidieren.
Computerworld:
Vor einiger Zeit sprachen Sie viel von Virtualisierung. Heute hört man den Begriff bei Sun kaum noch. Ist Virtualisierung kein Thema mehr?
Mark Canepa:
Im Gegenteil: Es ist sogar noch wichtiger geworden. Wir verwenden einfach das Wort nicht mehr, weil es in der IT-Industrie überstrapaziert worden ist. Es gibt heute sogar mehr Server in den Unternehmen, als ich mir vorstellen konnte. Zudem hat sich Grid-Computing stärker entwickelt als antizipiert.
Konkret: Vor zwei Jahren dachten wir, Virtualisierung muss gewährleisten, dass hundert Server mit einem Speichergerät kommunizieren können. Heute haben wir Situationen, in denen tausend Server auf eine Storage-Umgebung zugreifen müssen. Mit der Einführung von Solaris 10 und dem Container-Konzept haben Sie es sogar mit zehntausenden von virtuellen Servern zu tun. Virtualisierung ist somit für uns heute die Technik, mit der wir Datendienste im Netzwerk anbieten.
Computerworld:
Was für Auswirkungen hat die Ankündigung der Sun Fire T1000- und T2000-Server mit dem neuen Niagara-Chip auf das Speichergeschäft?

«Datenbackup ­ist ein alter Zopf»

Mark Canepa:
Die Tatsache, dass wir 32 Threads auf acht Prozessorherzen abarbeiten können, wird zur Folge haben, dass die Leute noch mehr Anwendungen schreiben werden, die sich horizontal skalieren lassen. In Kombination mit Solaris 10 und der Möglichkeit, tausende von Containern zu generieren, die alle sich wie virtuelle Computer verhalten, also ihren eigenen virtuellen Speicher, ihr eigenes Input-/Output-System und ihre eigene IP-Adresse haben, werden die Aufgaben für das Storagesystem noch bedeutender.
Computerworld:
Das Storagegeschäft wächst jährlich um sechs Prozent. Ihrem Jahresbericht entnehme ich aber, dass Ihr Speichergeschäft von 1,5 Milliarden Dollar Umsatz auf 1,3 Milliarden zurückgegangen ist. Was ist das Problem?

«Datenbackup ­ist ein alter Zopf»

Mark Canepa:
Der Grund hierfür ist, dass unsere Verkaufsmannschaft zu klein war, um sich ums Storagebusiness zu kümmern. Das ist übrigens einer der Gründe, warum wir Storagetek gekauft haben. Unsere speicherorientierte Verkaufsmannschaft hat sich dadurch verzehnfacht. Das Problem war also nicht bei den Produkten. Unsere Verkäufer waren vor allem damit beschäftigt und darauf spezialisiert, Server zu verkaufen. Im Rahmen dieser Verkaufsverhandlungen wurden dann meist auch noch Speichergeräte an den Mann gebracht. Jetzt werden wir 1200 Sales-Leute haben, die auch in Unternehmen unsere Speicher anbieten werden, die keine Sun-Server haben. Die Storagetek-Investition soll sich somit nicht nur darin auswirken, dass unser Speichergeschäft sich auf einen Schlag verdoppelt, sondern auch, dass wir mit dem oder sogar schneller als der Markt wachsen können.
Computerworld:
Eines der Verkaufsargumente der neuen Server von Sun ist auch deren geringerer Stromverbrauch. Was gedenken Sie diesbezüglich im Storagebereich zu unternehmen?
Mark Canepa:
Wir haben Verschiedenes vor. Zunächst einmal werden wir die Verwendung von Bandlaufwerken propagieren. Die Lagerung von Daten auf Tapes braucht viel weniger Energie als die Speicherung auf Disks, die sich ständig bewegen. Zudem müssen wir die Leute dafür sensibilisieren, dass Daten, die 90 Tage gespeichert werden, ohne dass sie nochmals aufgerufen wurden, wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr online benötigt werden. Solche Daten lassen sich ohne Weiteres auf Tapes auslagern.
Daneben werden wir in den Storagesystemen, in denen wir -Rechenpower brauchen, stromsparende Prozessoren verwenden. In unseren NAS-Speichern verwenden wir etwa derzeit Xeon-Chips von Intel als CPU. Im nächsten Frühjahr planen wir, diese durch Opteron-Prozessoren von AMD zu ersetzen. Dabei kommt eine ähnliche Technik zur Anwendung, wie wir sie bereits in unseren Galaxy-Servern verwenden.

«Datenbackup ­ist ein alter Zopf»

Computerworld:
Wie unterscheiden Sie sich punkto Produkte und Strategie von Ihren Konkurrenten, namentlich EMC, HP, IBM und Dell?
Mark Canepa:
Zunächst einmal möchte ich zwischen reinen Storageanbietern und Systemherstellern unterscheiden. Zu letzteren zähle ich uns, HP und IBM. Von reinen Speicherfirmen unterscheiden wir uns, indem wir ein breiteres Angebot aufweisen. Vor allem wenn Systeme bei der Verwaltung von Storage helfen müssen, haben Firmen wie EMC und Network Appliance nichts anzubieten. Sie können nicht in Sachen Identity-Management oder Datacollection weiterhelfen. EMC beispielsweise verfügt nicht einmal über ein Filesystem, während unseres nun bis zu 128 Bit gross sein kann.
Bei den Systemherstellern ist die Sache komplexer. Hier konkurrieren wir auf einer generellen Ebene. Bezüglich Storage sehen wir HP und IBM deshalb auch nicht als Konkurrenten an. Wir konkurrieren mit ihnen vielmehr auf der Systemebene. Sun ist besser als HP, weil Solaris besser ist als HP-UX. Zudem hat HP die Eigenentwicklung von Systemen weitgehend aufgegeben und kauft Technik nur noch ein.
Ähnlich verhält es sich mit IBM. IBM propagiert Global Services und Outsourcing-Dienste. Wer die Daten aber lieber bei sich behalten will, fährt unseres Erachtens besser mit uns und entscheidet sich daher eher für Sun als strategische Partnerin.



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