12.01.2006, 17:35 Uhr

«Mehr Daten heisst mehr Information»

IBMs Speicherchef Andrew Monshaw skizziert den aktuellen Stand der Storage-Technik und erläutert, warum 2006 ein heisses Jahr für dieses Segment ­werden dürfte.
Seit rund einem Jahr managt Andrew Monshaw IBMs Storage Systems and Technology Group. Seine Zukunftserwartungen an das Speichersegment sind vielfältig: Bandspeicher sollen aufgrund ihres Preis-Leistungs-Verhältnisses im Rennen bleiben, Virtualisierung sei gross im Kommen, und hinter Microsofts Speicherengagement stehe ein grosses Fragezeichen. Aperi, die Open-Source-Entwicklergruppe, die IBM im Oktober 2005 gemeinsam mit anderen Herstellern formiert hat, will ihre erste Speichermanagementplattform bis Jahresmitte 2006 fertig haben. Sie soll heterogene Speichersysteme in einer einzigen Managementschnittstelle zusammenführen.
Computerworld:
Wie hat sich das Speichersegment in jüngster Zeit verändert?
Andrew Monshaw:
Ich rechne mit starkem Wachstum in den nächsten Quartalen, und zwar auf längere Sicht. Auf die Anwender kommen geradezu Flutwellen von Daten zu. Und je mehr Daten gespeichert werden, desto mehr Informationen lassen sich da-raus aufbereiten. Unsere Idee der «Information-on-Demand» stösst auf Resonanz bei den Anwendern, unter anderem deshalb, weil komplette End-to-End-Lösungen gewünscht werden. Anwender wollen Services und Beratung, Produkt-innovation, ergänzende integrierte Software sowie Integration mit den Servern von einem einzigen Anbieter, sie wollen sich keine Flickenteppiche zusammenkaufen. Ausserdem ist Virtualisierung im Lauf des letzten Jahres Rea-lität geworden. Wir gewinnen täglich vier bis fünf neue Kunden für unser Speichervirtualisierungsangebot [SAN Volume Controller; SVC] hinzu. Virtualisierung belässt den Anwendern die Wahl, wie und bei wem sie investieren wollen. SVC funktioniert mit so gut wie jedem Array jedes Anbieters und mit 50 oder 60 Betriebssystemen.

«Mehr Daten heisst mehr Information»

Computerworld:
Gibt es spezielle Einsatzgebiete für SVC?
Andrew Monshaw:
Fast alle Anwender nutzen es zur Datenmigration und zur Auslastungsoptimierung. Interessant ist, dass viele Anwender gar nicht genau wissen, wieviel Speicherkapazität in ihrem Unternehmen existiert. Daher geht es oft nur schon darum, die eigene Infrastruktur in den Griff zu bekommen und auszunutzen. Kopfzerbrechen bereitet jede Migration eines Arrays. Migrationen dauern ewig, die Planungsphase ist lang, die Implementierungsphase auch. Dank Virtua-lisierung jedoch wird die Applikation vom physischen Array abgeschirmt. Es spielt keine Rolle mehr, ob Sie eine Hardware physisch hinzufügen oder wegnehmen.
2005 ist uns der Durchbruch gelungen, die Konkurrenz hat mitgezogen: Netapp taufte all ihre Produkte in «V-Series» um. EMC bekannte, Virtualization sei wichtig. Manche unserer Anwender lassen bis zu 700 Terabyte unter SVC laufen. Wir arbeiten weiter daran. Wir investieren zugunsten Interoperabilität und neuer Funktionalität. Als nächstes werden mehr Replikationsservices auf das Netzwerk überwälzt werden.
Computerworld:
Denken Sie daran, die Virtualisierungsfunktion von SVC ans Netzwerk zu delegieren, zum Beispiel an einen Switch?
Andrew Monshaw:
Da es unterschiedliche Aufgabenstellungen gibt, wird es auch unterschiedliche Implementierungen geben. Ich möchte hier keine noch nicht publizierten Produktepläne preisgeben, aber ich denke schon, dass Virtualisierungstechniken ins Netzwerk, in die Arrays und Swichtes einfliessen werden.

«Mehr Daten heisst mehr Information»

Computerworld:
Was heisst das genau?
Andrew Monshaw:
EMC wird mit Invista das tun, was grosse, eingefleischte EMC-Anwender brauchen. Daher wird es Migrationsfunktionen geben, eventuell auch begrenzte, echte Virtualisierung.
Replikation sehe ich allerdings nicht kommen, weil EMC schlicht zu viel Gewinn damit macht, wie sie heute ihren Anwendern Replikationsservices verrechnet.
Computerworld:
Highend-Speicher, Midtier, Lowend - was tut sich momentan da?
Andrew Monshaw:
Unsere heutigen Highend-Systeme sind mit rund 25 Terabyte etwa doppelt so gross wie noch vor einem Jahr. Diese Systeme bieten viele Vorteile bezüglich Konsolidierung. Zweitens das Thema Lpar (Logical Partitions): In unseren Mainframes haben wir mit DS 8000 logisches Partitionieren, und darauf sollen künftig Applikationen laufen. Wir haben bereits gezeigt, dass DB2 auf Lpar läuft. Das ist insofern sinnvoll, als Data-Collection-Engines teure Prozessorenleistung brauchen. Wenn man sie auf Lpars legt, nahe des Speichers ablaufen lässt und zudem die Speicherverbindungen mit der höheren Bandbreite der Applikationen bewältigt, lassen sich massiv Kosten sparen.
Der Midrange-Markt explodiert geradezu, sowohl beim Tier-2-Speicher als auch bei kleinen und mittleren Anwenderunternehmen.
Computerworld:
Kannibalisieren die Midrange-Systeme Ihre Highend-Verkaufszahlen?

«Mehr Daten heisst mehr Information»

Andrew Monshaw:
Nein, beides wird nachgefragt. Fragen könnte man sich jedoch, ob robuste, geclusterte Midrange-Systeme die Zukunft sind. Das ist gut möglich - trotzdem wird es weiterhin Bedarf für beides geben. Viel wichtiger ist indes, dass alle Systeme zusammenarbeiten.
Computerworld:
Verdrängt Plattenspeicher den Bandspeicher?
Andrew Monshaw:
2005 haben wir vermutlich so viel Bandspeicher verkauft wie nie zuvor.
Nach wie vor gibt es hier Innovationen. Die Anwender müssen Unmengen Daten, da-runter Bilder, sichern, unter anderem aufgrund Compliance-Vorschriften. Wir haben uns darauf konzentriert, die 10:1-Preisdifferenz zwischen Sata-Plattenspeicher [Serial ATA] und Tape zu halten oder sogar zu verbessern. Neben Datendichte und Preis ist End-to-End-Verschlüsselung wichtig. Auch hier sind wir auf gutem Weg.
Computerworld:
Was heisst das konkret?
Andrew Monshaw:
Wir verbinden die Verschlüsselung mit Z-Series.
Das Problem ist nämlich nicht die Verschlüsselung des Bandes, sondern die Verwaltung der Schlüssel und der Zugriffsberechtigungen. Das kann Z-Series leisten. Die End-to-End-Fähigkeit kommt im Lauf der nächsten zwei Jahre.

«Mehr Daten heisst mehr Information»

Computerworld:
Sie wollten I-SCSI in verschiedenen Bereichen anbieten. Wie sieht Ihre Roadmap aus?
Andrew Monshaw:
I-SCSI bieten wir mit unserer DS 300 X-Series und via unserer Partnerschaft mit Net-app an. Wir evaluieren noch, ob I-SCSI für die Unternehmens-IT taugt. Momentan scheint der Markt eher klein, trotz der Wachstumsprognosen, die in der Branche kursieren. Trotzdem könnte es eine taugliche Alternativlösung für Anwender werden.
Computerworld:
Inwiefern beeinflusst Microsofts Einstieg ins Speichergeschäft Ihre Pläne?
Andrew Monshaw:
Wir behalten Microsoft im Auge, und natürlich müssen wir mit ihr Partnerschaften abschliessen. Koopetition ist ein Stichwort dazu, denn manchmal sind Konkurrenten und Partner identisch. Allerdings sind Microsofts Roadmaps für uns nicht wirklich transparent. Doch wenn sie sich etwas in den Kopf setzen, setzen sie es auch durch. Des weiteren verfolgen wir ebenso, was die übrigen Konkurrenten tun.
Computerworld:
Wo steht die Open-Source-Managementplattform Aperi? Sind zusätzliche Partner zu den acht Gründungsmitgliedern hinzugestossen?
Andrew Monshaw:
Nein, aber die Branche zeigt grosses Interesse. Speziell einige kleinere Hersteller beobachten genau, was sich tut. Manche Anbieter müssten sich jedoch mehr darum kümmern, was die Anwender brauchen, anstatt ihre eigenen Produkte in den Vordergrund zu stellen.

«Mehr Daten heisst mehr Information»

Computerworld:
Wann werden wir erste Produkte sehen?
Andrew Monshaw:
Bis Jahresmitte sollten markante Fortschritte erzielt sein. Die Vertreter der Mitglieder sind mehrmals zusammengesessen, haben ein Governance-Modell definiert und sind generell gut vorangekommen.
Computerworld:
Planen Sie für 2006 Akquisitionen, die sich nachhaltig auf Ihre Produkte-Roadmap niederschlagen werden?
Andrew Monshaw:
Wir haben kürzlich die Netapp-Allianz und Aperi aufgezogen. Nun ist es Zeit für OEM-Allianzen und Akquisitionen. Wir haben das Team neu formiert. 2006 wird in der Tat ein heisses Jahr werden.
Computerworld:
Könnte Netapp eine potenzielle Übernahmekandidatin sein?
Andrew Monshaw:
Dazu sage ich gar nichts.
Catharina Bujnoch



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