Swiss IT 11.05.2018, 08:00 Uhr

Die richtige Cloud-Strategie für Schweizer Unternehmen

Die Versprechen des Cloud Computing scheinen in den Unternehmen anzukommen. Das geschieht offensichtlich zwar erst punktuell. Doch gerade beim zentralen Thema Sicherheit herrscht zwischen IT- und Fachabteilungen Einigkeit.
(Quelle: Kareni/Pixabay)
Eigentlich sind die Argumente für den Cloud-Einsatz immer gleich: weniger Kosten für die IT-Infrastruktur bis hin zur Software-Nutzung, ständiger Rückgriff auf Spezialisten-Know-how, immer aktuelle Systeme, hohe Performance beim bedarfsgerechten Bezug und grösstmöglicher Schutz gegen Angriffe von Hackern und vor Ausfällen. Je ausgereifter der Rückgriff auf die Cloud ist, desto besser die Unternehmens-IT, resümiert denn auch die «CIO-Studie 2017» der FHNW. Das sind grosse Versprechen, die, wenn es nach dem Netzwerk­ausrüster Cisco geht, schon im Jahr 2021 zur Folge haben werden, dass 94 Prozent aller Workloads in Cloud-Umgebungen laufen. Glaubt man den Zahlen, hat sich der einstige Trend zur Standardtechnologie entwickelt.
Allerdings zeigt sich diese neue Realität sehr unterschiedlich. Ein Unternehmen, das klassische Ansprüche an den Cloud-Einsatz gestellt hat, ist der in Basel ansässige Rohstoffhändler Sugro. Dessen IT-Chef Roger Mühlheim führt aus, dass man seit 2014 eine Private Cloud für alle Bereiche des Unternehmens aufgegleist habe und damit alle Daten sowie Applikationen bei einem Outsourcing-Partner betreibe. Die Umstellung sei erfolgt, weil eine Erneuerung der bestehenden und zuvor noch selbst betriebenen IT-Infrastruktur altershalber nötig geworden sei. «Um nun einerseits die Kosten und andererseits den Aufwand der internen IT-Abteilung zu reduzieren, wurden verschiedene Varianten geprüft», sagt Mühlheim. Auf den Prüfstand seien eigene Server in eigenen Räumlichkeiten gekommen, das Housing eigener Server bei einem vertrauenswürdigen Anbieter und eben das am Ende gewählte Full-Outsourcing. Da man bis auf das Full-Outsourcing die anderen Modelle schon im Einsatz hatte und dazu Kosten und Aufwand für den Unterhalt kannte, sei die Evaluation relativ einfach gewesen. Der Anstoss zum Gang in die Cloud kam übrigens von Mühlheim, also von der IT-Abteilung.
Unstrittig ist heute ohnehin, dass immer mehr Unternehmen ihre IT-Infrastruktur und Teile ihrer Anwendungen in die Cloud verschieben. Doch bei den dafür angebotenen Modellen wächst die Schwierigkeit, sie zu orchestrieren. Denn Altanwendungen werden nicht einfach abgelöst, sondern bleiben vielmehr weiter im Betrieb. Inzwischen rücken deshalb insbesondere hybride Cloud-Angebote und entsprechende Strategien als neue Trends in den Fokus. Glaubt man den jüngsten internationalen Analysen beziehen zwei Drittel der Unternehmen insbesondere schon Infrastruktur-Services (IaaS) im sogenannten Multi-Cloud-Modell, also über zwei oder mehr Cloud Service Provider (CSP). Wobei in der Schweiz, wie das Beispiel Sugro zeigt, der Trend weniger ausgeprägt ist.
Gemäss der Veritas-Studie «Die Wahrheit in der Cloud» haben hierzulande und gegen den Trend 57 Prozent der Unternehmen nur einen CSP und 30 Prozent hegen auch in Zukunft keine Multi-Cloud-Absichten. Und wahr ist gemäss der von Veritas durchgeführten Befragung von 1200 CIOs in 13 Ländern auch, dass eine Cloud-Migration kein Kinderspiel ist. Sie krankt laut 38 Prozent der Befragten an fehlender interner Qualifikation, an der Komplexität (37 %), den Einschränkungen aufgrund veralteter Technik (36 %), am Fehlen einer Strategie (32 %) oder daran, dass Datensilos Probleme (27 %) bei der Cloud-Umstellung bereiten.

Auf dem Weg zur Multi-Cloud

Interessant ist, wie in der Praxis solche Umsetzungen einer Cloud laufen. So hält beispielsweise der IT-Leiter des traditionsreichen Händlers und Dienstleisters Pestalozzi, Thomas Gläser, fest, Cloud-Lösungen schon vor über zehn Jahren eingeführt zu haben. «Da wir unterschiedliche Lösungen im Einsatz haben, ist auch das Hosting an unterschiedlichen Orten zu finden», schiebt er nach. Doch wie kam es zu solchen Multi-Clouds? Oft habe man lediglich nach der Lösung für ein bestimmtes Problem oder eine bestimmte Anforderung gesucht, sagt Gläser. In der Evaluation habe man dann ab­gewägt, welche am besten passt und am effi­zientesten umzusetzen ist. Aber, wie Gläser weiter erklärt: «Einen generellen Treiber für den Cloud-Einsatz gibt es nicht.» So setze Pestalozzi sowohl Public und Private Clouds als auch gehostete Applikationen etwa für das Mobile Device Management (MDM) ein. Im Fokus stünden für die IT die technische Umsetzbarkeit und der Betrieb. «Weitere wichtige Kriterien sind Sicherheit und Schutz der Daten, Verfügbarkeit sowie Support», schiebt er nach.
Know-how
Was in der Cloud zählt
Dicke Vertragswerke werden selten komplett zur Kenntnis genommen. Deshalb ist es unumgänglich, nachvollziehbare Angaben zum Cloud-Dienst einzufordern, sodass auch ein Dritter die Eignung der gewünschten Anwendung beurteilen kann. Auf die folgenden Punkte sollten IT-Verantwortliche achten:
  • Art und Umfang des erbrachten Cloud-Dienstes gemäss der sogenannten Service Level Agreements (SLAs)
  • Grundsätze, Verfahren und Massnahmen zur Entwicklung und/oder zum Betrieb des Cloud-Dienstes inklusive implementierter Kontrollen
  • Beschreibung der eingesetzten Komponenten bezüglich Infrastruktur, Netzwerk und zugehöriger Systeme
  • Definition des Umgangs mit Ausnahmesituationen wie etwa die Priorisierung einzelner Kunden oder bei einem Ausfall kritischer Komponenten
  • Definierte Rollen und Zuständigkeiten des Cloud-Anbieters und des Cloud-Kunden
  • Information über an Unterauftragnehmer vergebene oder ausgelagerte Funktionen
Weiter betont der Pestalozzi-Mann, dass selbst die Frage nach einer Cloud-Lösung oder dem eigenen Betrieb zwischen IT und Mana­gement nicht gesondert diskutiert worden sei. «Es gibt keine strategische Ausrichtung, die festlegt, dass man in die Cloud will oder muss», stellt Gläser lapidar fest. Beide Seiten «entscheiden sich immer für die technisch am einfachsten umsetzbare und aus betriebswirtschaft­lichen Gründen sinnvollste Lösung». Damit stelle sich die Frage, Cloud ja oder nein, nicht. Vielmehr müsse beantwortet werden, was am sinnvollsten für die Firma ist und wie es sich rechnet, wiederholt er. Auch die Lieferanten werden nicht nach den Kriterien Cloud oder nicht Cloud ausgesucht, fügt Gläser an. Stattdessen gehe es darum, «ob ihre Leistungen und Produkte unsere Anforderungen erfüllen».
Gläser blendet damit die teilweise unterschiedlichen Prioritätensetzungen zwischen Management und IT aus. Die hat jedenfalls die Swiss-IT-Umfrage 2018 in Sachen Cloud zutage gefördert. Demnach herrscht beim Überthema Security nahezu Einigkeit zwischen den IT-Abteilungen und der C-Level-Garde. IT wie Management sehen demnach in der Sicherheit zu 76 respektive 77,5 Prozent die grössten Projekte in diesem Jahr auf sich zukommen. Doch während das Management die Mobility (52,6 %) und Business-Software (42,1 %) vor den Cloud-Projekten favorisiert, haben die IT-Spezialisten Cloud-Projekte (46,2 %) auf Platz zwei ihrer Prioritätenliste gesetzt. Die Mobilitätsvorhaben (41,9 %) und jene in Sachen Geschäfts-Software (37,3 %) beurteilen sie im Gegensatz zum Management als weniger wichtig. Die Gründe für die Differenzen sind unklar. Denn nicht nur bei Sugro oder Pestalozzi bestehen offensichtlich keinerlei Differenzen zwischen der IT und dem Management, wenn zur Optimierung der IT Cloud-Anwendungen zum Zuge kommen.

Standort Schweiz wichtig

Auch der Leiter ICT-Architektur und Sicherheit der Stadt Winterthur, André Ringger, streicht das pragmatische Vorgehen heraus. Auf die Frage, ob etwa das Management weniger Skrupel gehabt habe, Daten einer Public Cloud anzuvertrauen, antwortet er: «Es ging nicht um Skrupel, sondern um eine optimale Lösung in wirtschaftlicher, funktionaler und rechtlicher Hinsicht und hier herrschte Einigkeit», wie der IT-Manager betont.
“Wir sehen uns als Technology Follower und werden Technik, die sich am Markt durchgesetzt hat, auch nutzen.„
Jonas Reusser, CIO, Meyer Burger
Die Stadt Winterthur bezieht schon seit etwa vier Jahren sicheren Speicher und E-Mail-Security aus einer Public Cloud, wobei die Lösungen ausschliesslich in der Schweiz gehostet sind, wie Ringger anfügt. Zentral sei bei der Auswahl der Provider gewesen, in Projekten den schnellen Austausch von Dokumenten zu ermöglichen und auf einer gemeinsamen Datenbasis auch mit externen Partnern an den Dokumenten arbeiten zu können (Collaboration). Bei der E-Mail-Sicherheit habe hingegen die gemeinsame Nutzung eines Sicherheitsmanagements im Vordergrund gestanden. Das erlaube heute Updates von Patterns, Erkennung schadhafter Quellen und beispielsweise auch, Synergien mit anderen E-Mail-Anwendern zu nutzen. Da es sich um Commodity-Services handelt, seien die Anforderungen klar gewesen. Am Ende seien «für die Auswahl rechtliche Kriterien und der Preis entscheidend» gewesen, erklärt Ringger.

Finance bleibt vorsichtig

Das offene und am Ergebnis orientierte Vor­gehen bei den Behörden, im Handel und bei den Dienstleistern verengt sich in der Finanzbranche. So erklärt Thomas van Nes, Schweizer Verantwortlicher für die Applikationen und die IT-Security bei einem hierzulande stark im Finanzsektor engagierten internationalen Beratungsunternehmen, dass man nur rund 5 Prozent der möglichen IT-Kapazitäten aus der Cloud beziehe. Einschränkungen würden sich insbesondere aufgrund landesspezifischer gesetzlicher und Compliance-Vorgaben ergeben. Obwohl das Mutterhaus es ermöglichen würde, Leistungen von Azure oder AWS, also aus der Public Cloud, zu beziehen, verzichte man wegen der Sensibilität auf der Kundenseite weitgehend darauf, sagt van Nes. Überall dort, wo hierzulande Kapazitäts- und Know-how-Engpässe aufgetreten sind, habe man sich für eine Private Cloud entscheiden, die fest in Schweizer Hand sei. Lediglich im Infrastrukturumfeld sei eine öffentliche Variante zum Zuge gekommen. Das sei aber auch nur möglich gewesen, weil alle Daten immer verschlüsselt werden, so van Nes weiter. In diesem kleinen Cloud-Bereich gehe es aber lediglich um das Schaffen von Redundanzen, die Datenspeicherung und um die Skalierbarkeit der Performance, fügt er an.
Studie
Cloud bei KMU noch kaum ein Thema
Die Unternehmenslandschaft der Schweiz ist in Sachen Cloud gespalten. Während die Masse der Klein- und Kleinstbetriebe vielfach noch analog arbeitet, sind Firmen mit über 250 Mitarbeitern deutlich im Digitalisierungsmodus unterwegs.
Von den 597 000 Schweizer Unternehmen sind 98 Prozent KMU, die bis zu 49 Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Bei ihnen sind laut den jüngsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik von 2015 rund 40 Prozent der knapp 5,1 Millionen Arbeiter und Angestellte beschäftigt. Die 2 Prozent Grossunternehmen bieten den übrigen rund 60 Prozent Lohn und Brot. Auffällig ist, dass hierzu­lande bei einer Cloud-Bestandsaufnahme eigentlich die kleinen und Kleinstunternehmen konsequent ausgespart werden müssten. Das trifft jedenfalls zu, wenn man die Resultate der kürzlich vorgelegten Studie «Digital Switzerland» von der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) und Localsearch als repräsentativ einstuft.
Denn in der Untersuchung heisst es, dass diese Kategorie der Firmen im KMU-Land Schweiz noch weitgehend von digitalen Dino­sauriern beherrscht sei. Laut Studie besteht bei 87 Prozent der 1294 befragten KMU ein erheblicher Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung.
Gründe dafür sind fehlende finanzielle Mitteln, problematische technische Ausstattung und nicht vorhandene Zeit sowie das Fehlen von Fachwissen in dem Themengebiet. Konkret verfügen laut der Studie 67 Prozent der Befragten noch nicht einmal über eine Lohnbuchhaltung. Online-Terminvereinbarungen sind bei rund vier von fünf Betrieben (77 %) nicht möglich,
60 Prozent haben noch nicht einmal die dafür nötige Software.
Ähnlich sieht es beim Online-Marketing aus, für das nur etwa ein Drittel der Befragten personalisierte Angebote anbieten können. Es verwundert daher nicht, wenn gemäss der Umfrage das Thema Cloud Computing bei den KMU aktuell nicht zu den wichtigsten Technologietrends zählt.
Ganz anders stellt sich die Lage dar, wenn man die wenigen grossen Unternehmen in der Schweiz zum Thema Cloud befragt. Das hat die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) vor wenigen Monaten in einer allerdings nicht repräsentativen Studie gemacht. Hier kamen die Antworten von Betrieben, die einen CIO haben und mehr als 250 Mitarbeitende (23 %) respektive über 1000 Mitarbeiter (47 %) beschäftigen. Nur knapp ein Drittel der 57 von der FHNW befragten Schweizer IT-Leiter kam aus der klassischen KMU-Welt und nur 2 Prozent von Kleinstbetrieben.
Zentral ist laut dieser Erhebung die optimale Nutzung des Cloud Computings, um Agilität für die IT zu schaffen, den Kunden in den Fokus zu setzen und neue Business-Modelle zu generieren. So sieht man denn auch bei der FHNW eine klare Korrelation: «Je höher die Cloud-Maturität, desto stärker ist auch der Reifegrad der Unternehmens-IT.»

Praktische Probleme bleiben

Quelle: Computerworld Swiss IT 2018
Noch ganz andere Gründe für den zurückhaltenden Einsatz von Cloud-Lösungen nennt Jonas Reusser, der globale IT-Chef vom Solarspezialisten Meyer Burger, in Gwatt. Man habe in den letzten Jahren erhebliche Investitionen ins eigene Rechenzentrum getätigt, führt er aus. Die Infrastruktur sei heute entsprechend gut aufgestellt und ein Umstieg von Teilen oder ganzen Applikationslandschaften würde kurzfristig sicher höhere Kosten verursachen als der derzeitige Eigen­betrieb. Interessant ist jedoch, dass man bei Meyer Burger gleichwohl an einer Cloud-Strategie arbeitet. «Ein Umstieg von strategischen Applikationen in die Cloud ist für uns eher eine mittelfristige respektive langfristige Option», wie Reusser ausführt. Diese Überlegungen würden aber in die bestehende IT-Strategie einfliessen, schiebt er nach. Man beobachte jedenfalls die aktuellen Trends sehr genau. «Wir betrachten uns als Technology Follower», hält Reusser fest. Wenn eine Technik sich am Markt durchgesetzt habe, werde man sie auch einsetzen. Aktuell sieht Reusser noch Bewegung im Cloud-Umfeld, insbesondere komplexe Lösungsansätze seien teilweise noch nicht ausgereift, fügt er zur Begründung der Zurückhaltung bei Meyer Burger zusätzlich an. So gäbe es etwa bei den Grosssystemen noch oft Schnittstellenprobleme oder andere Herausforderungen zu lösen.

Fazit

Fasst man die hier vorgestellten Ansätze zusammen, erhält man einen guten Einblick in die hiesige Cloud-Szene. Sie umfasst das klassische, von der IT getriebene kostengünstige Full-Outsourcing zur Ablösung veralteter Infrastrukturen genauso wie die zur IT-Optimierung genutzte selektive Cloud-Einführung. Daneben stehen die Zurückhaltung aufgrund von Kunden­bedürfnissen und das Fehlen eines Umbaumotivs. Schliesslich besitzt ein Unternehmen ohne Cloud-Rückgriff meist bereits eine moderne IT-Landschaft. Zentral ist bei den vier Beispielen, dass der Fokus immer vom Bedürfnis und Anspruch des Unternehmens auszu­gehen hat. Damit ist auch klar: Unternehmen, die erfolgreich und State of the Art in der IT arbeiten wollen, sind nicht gezwungen, eines der Cloud-Modelle zu nutzen.



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