Zeitgemässe HR- und IT-Strategien im SAP-Kontext 17.08.2022, 05:54 Uhr

Mit dem HR in die Cloud wechseln

Auch das HR-Wesen befindet sich mitten in der digitalen Transformation. SAP bietet hierfür verschiedene cloud­basierte Lösungen.
Der Software-Hersteller SAP denkt unter dem Akronym «HXM» seine Lösungen für das Personalwesen neu
(Quelle: Shutterstock/Wright Studio)
SAP-geschichtlich sind sie wahre Urgesteine: Schon seit Jahrzehnten versehen die Kernmodule für ­Personaldatenverwaltung, Abrechnung und Zeitwirtschaft in HR-Abteilungen der Unternehmen ihren Dienst. Zahlreiche Zusatzfunktionen wurden um sie herum konfiguriert und dabei oft nur wenig dokumentiert. Nun ­verabschiedet sich deren User-Generation nach und nach in den Ruhestand. Ihr Know-how nimmt sie dabei mit.

Generationenwechsel bringt neue Anforderungen

Neue Jahrgänge treten an, die teils ganz andere Vorstellungen von lebensphasenorientierten Arbeitszeitmodellen, mobilem Zugriff auf Personaldaten und digitalem ­Onboarding haben. Die Generationen X, Y, Z erwarten von Geschäftsanwendungen – wie im Privatleben – einfache und intuitive Bedienbarkeit. SAP HR bedeutet deshalb künftig nicht mehr klassische Listenverwaltung. Vielmehr soll Personal-Software dem einzelnen Beschäftigten besondere Erfahrungen und Erlebnisse verschaffen sowie «Moments that matter» berücksichtigen und verstärken – sei es die Geburt eines Kindes oder der erste Tag in der Firma. So wird Personalarbeit persönlicher und individueller.
Diesen Paradigmenwechsel verankert SAP in seinen Lösungen über das Akronym «HXM». Die HR-Anwendungen sollen auf lange Sicht vollständig in die Public Cloud verlagert und in der Lösung SuccessFactors gebündelt werden, die bereits heute zur Verfügung steht. Weil viele der weltweit rund 15'000 ERP-HCM-Kunden noch nicht bereit sind, diesen Weg sofort mitzugehen, hat SAP verschiedene Szenarien zwischen On-Premises und Hybrid kon­zipiert. Während der Transition-Phase sollen Unternehmen damit genau die Lösung einsetzen können, die ihren momentanen Anforderungen respektive Bedürfnissen am besten entspricht.

SAP-Deployment-Modelle für das Personalwesen der Zukunft

Fakt ist: Die Wartung des klassischen SAP ERP HCM läuft im Dezember 2027 aus, eine verlängerte Wartung zu erhöhten Kosten gibt es nur noch bis Dezember 2030. Kunden, die ihr HCM bis dahin nicht komplett in die SuccessFactors-Cloud migrieren können (oder wollen), können ­voraussichtlich ab dem vierten Quartal 2022 auf die SAP HCM for S/4HANA On-Premises-Edition, kurz: H4S4, wechseln. Sie basiert auf einer HANA-Datenbank und bietet ­einen dem bisherigen SAP HCM vergleichbaren Funktionsumfang. SAP will für Investitionsschutz sowie Planungs­sicherheit sorgen und stellt diverse Migrationswerkzeuge und -services bereit, um eine «Upgrade-like»-Migration der HR-Daten auf die HANA-Datenbank zu ermöglichen.
Vor dem Wechsel in die Cloud sollten die Personalprozesse analysiert und hinterfragt werden
Quelle: Sutterstock/Alexander Supertramp
Das SAP-Programm «HXM Move» soll HCM-Bestandskunden dabei den Weg in die Cloud ebnen. Konkret geht es darum, SuccessFactors soweit organisch auszubauen, dass es für bisherige HCM-On-Premises-Anwenderunternehmen ein vollwertiger Ersatz für das bestehende Produkt sein kann. Kunden haben also die Wahl. Sie können ihre HR-Aufgaben zunächst weiterhin On-Premises abwickeln: mit dem klassischen SAP ERP HCM (noch bis spätestens 2030) oder – ab 2022 und bis mindestens 2040 – mit H4S4. Oder sie wählen eine der weiteren Deployment-Optionen, die auf einer Cloud- oder einer hybriden Betriebsumgebung basieren. Da SAP beim Thema Personal aber klar auf die Cloud setzt und dort den Fokus seiner Entwicklungstätigkeiten hat, sollten sich Unternehmen nicht auf dem bisherigen SAP HCM ausruhen. Vielmehr sollten sie sich mit den unterschiedlichen Deployment-Optionen befassen.

Doppelte Herausforderung fürs HR

Personalabteilungen stehen damit vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen den demografischen Wandel bewältigen und gleichzeitig den Sprung auf die nächste Produktgeneration hinbekommen. Das Gute dabei: Ersteres soll genau durch die technologische Transformation gelingen. Denn SAP hat seine cloudbasierten HR-Produkte auf die Anforderungen einer neuen Generation hin ausgerichtet. Mit der einfachen Migration bestehender Software ist es allerdings nicht getan, es bedarf gleichermassen einer Transformation von Technologien und Prozessen. Die inhaltliche Strategie für das HR muss mit der Software-Strategie zusammengeführt werden.
Die Pandemie war in dieser Hinsicht schon ein guter Stresstest für Personalabteilungen: Sie hat den Verantwortlichen gezeigt, wie gut sich die eigene Organisation anpassen und Prozesse von heute auf morgen ändern konnte. Corona war wie ein Katalysator für Arbeits­formen und Arbeitsmodelle. Gleichzeitig wurden ­Defizite beim Reifegrad der eigenen Digitalisierung – zum Teil schmerzhaft – sichtbar und damit die notwendigen Handlungs­felder verdeutlicht.

Adäquate Strategie aufbauen

Unternehmen sollten deshalb jetzt daran arbeiten, eine adäquate HR-Strategie für die Zukunft aufzubauen. Bei der Besetzung neuer Stellen müssen sie überlegen: Welche zusätzlichen Qualifikationen benötigen die künftigen Beschäftigten, die sich aus den neuen Aufgaben und Arbeitsmodellen in den Unternehmen ergeben? Zugleich müssen die jetzigen Beschäftigten eingebunden werden, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen.

Nicht nur migrieren, sondern auch transformieren

In der Praxis lässt sich feststellen: Erfolgreiche HR-Projekte verfolgen keinen blossen Migrationsansatz (lift und shift von A nach B mit einer neuen Software), sondern ­implementieren einen ganzheitlichen Transformations­prozess. Sie fragen sich, welche Personalprozesse noch zukunftsorientiert und agil sind. Nicht wenige S/4HANA-Projekte sind schon gescheitert, weil man nur die alte in der neuen Welt abbilden wollte.
Beim Aufbau eines Kulturwandels empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Konkret zum Beispiel mit dem SuccessFactors-Recruiting beginnen, um damit Erfahrungen beim Betrieb einer Cloud-Lösung zu sammeln, da es sich isoliert einführen lässt. Vor allem aber entwickeln sich Online-Stellenbörsen im Netz so schnell ­weiter, dass man sie mit einem Recruiting-On-Premises kaum noch selbst abbilden kann. Hier helfen Cloud-­Lösungen, die standardisierte Schnittstellen zu allen relevanten Stellenbörsen bereits mitbringen.
Komplexere, historisch in den Unternehmen gewachsene Bereiche sind die Entgeltabrechnung und die Zeitwirtschaft. Vor allem Letztere wird in SuccessFactors ­ziemlich anders als bisher aussehen, mit zahlreichen neuen Funktionen in der Architektur, weg von den Batch-Läufen, keine reine Terminalerfassung mehr, stattdessen mobiles Einstempeln und so weiter. Damit ist klar: Der Umstieg funktioniert nicht über eine einfache Migration. Bisherige Zeitpläne, Zeitarten – alles, was zum bisherigen System hinzukonfiguriert wurde, lässt sich nicht per Copy & Paste übernehmen. Viele Unternehmen werden daher im Per­sonalbereich noch längere Zeit ein hybrides Szenario fahren. Mit H4S4 können sie genau dies bis mindestens 2040 tun. Spätestens bis dahin dürfte auch feststehen, wie die derzeit in Entwicklung befindliche «Next Generation Payroll» von SAP im Einzelnen aussehen wird. Aus Sicht der DSAG wird die Abbildung der Komplexität in der Cloud bei diesem Thema eine besondere Herausforderung darstellen.
Digitale Transformation im HR-Wesen heisst also konkret: die Personalprozesse analysieren und hinterfragen, entsprechend aufräumen und anschliessend zielgerichtet in die Cloud gehen. Der erste kleine Schritt könnte zum Beispiel so aussehen: Man fertigt eine demografische Liste aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, um zu sehen, wer wann das Unternehmen verlassen wird und somit Know-how abfliesst. Das erlaubt es, frühzeitig nach einer gut qualifizierten Nachfolge zu suchen.

Souveräne Cloud für HR-Daten von Behörden

Der Einsatz von Human-Resources-Cloud-Lösungen im ­öffentlichen Dienst ist an besondere Bedingungen geknüpft. Die DSAG hat die Grundlagen für rechtskonforme Cloud-Lösungen im Bereich HCM in der öffentlichen Verwaltung erhoben. Ein Ansatz könnte zum Beispiel in ­einem öffentlichrechtlichen Rechenzentrum in Deutschland als Private Cloud für den Betrieb aller HCM-Cloud-Lösungen für die öffentliche Verwaltung unter staatlicher Hoheit ­bestehen. Der Betrieb erfolgt in eigener Hoheit und in ­eigener Betriebsverantwortung durch staatlich Beschäftigte, gegebenenfalls mit Betriebsunterstützung und ­Nutzung von Dienstleistungen durch Externe. Die Cloud-Lösungen müssen der öffentlichen Verwaltung den vollständigen von ihr benötigten Funktionsumfang bieten und sich kundenspezifisch erweitern lassen können.
SAP und Arvato Systems haben im Februar 2022 eine Partnerschaft angekündigt, welche die Schaffung einer solchen souveränen Cloud-Plattform für den öffentlichen Sektor zum Inhalt hat. Technisch basiert sie auf der Microsoft-Azure-Plattform, die jedoch entkoppelt vom Microsoft-Netz und den Microsoft-Rechenzentren autark in den für die Verwaltung aufgebauten Data Centern betrieben wird. Auch Drittanbieter können über diese Services anbieten, ebenso wird Open Source unterstützt.
Aus Schweizer Sicht stellen sich ähnliche Fragen wie im gesamten deutschsprachigen Raum. Grundsätzlich setzen viele Unternehmen Cloud-Lösungen ein, auch im Bereich HCM, wo Vertraulichkeit besonders wichtig ist. Wenn SAP es wie Microsoft schafft, lokale Datenhaltung zu erlauben (zum Beispiel Microsoft 365 mit Exchange und OneDrive nur in der Schweiz), sieht die DSAG keinen Hinderungsgrund für Funktionalitäten in SuccessFactors oder in anderen SAP-Cloud-Apps.
Die Autoren und Verband
Hermann-Josef Haag ist DSAG-Fachvorstand «Personalwesen & Public Sector».
Jean-Claude Flury ist DSAG-Fachvorstand «Schweiz».
Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) ist ein Netzwerk mit über 60 000 Mitgliedern aus mehr als 3700 Unternehmen – vom KMU bis zum Grosskonzern – aus der ganzen DACH-Region. ­Gegliedert in 200 Arbeitskreise und Arbeitsgruppen, optimieren sie gemeinsam SAP-Lösungen für den täglichen Gebrauch in den Mitgliedsunternehmen und erstellen im Sinn des Erfahrungsaustauschs zudem Leitfäden. Der Verband pflegt auch einen konstruktiv-kritischen ­Dialog mit SAP.




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