Patrick Naef über CIOs 01.02.2021, 06:59 Uhr

«Starre Firmenstrukturen bremsen Innovation»

Selbstredend muss nicht jedes Schweizer Unternehmen sich digital neu erfinden. Denn viele sind auch traditionell erfolgreich. Patrick Naef rät CIOs aber dazu, sich bei Innovation nicht auf starre, firmeninterne Prozesse zu verlassen
Patrick Naef ist heute unter anderem als Partner beim Beratungsunternehmen Acent tätig
(Quelle: Emirates)
Eindringlich mahnt der frühere Emirates-CIO Patrick Naef seine Kollegen davor, die digitale Transformation in die Hand zu nehmen. Wenn sich die IT-Leiter weiterhin im Serverraum verstecken, laufen sie Gefahr, zu «Chief Legacy Officer» zu verkommen – während das Unternehmen um sie herum die Technologie für die Innovation all ihrer Produkte und Dienstleistungen verwendet. Denn in Zukunft wird IT ein zentraler Bestandteil aller Produkte in den meisten Branchen sein, prognostiziert Naef.
Im Interview erklärt er weiter, welches für ihn der richtige Weg zur Innovation ist und welche Rolle der CIO dabei spielen muss. Wie er sagt, muss der CIO auch zum Coach werden, der seine Geschäftsleitungskollegen die Möglichkeiten der digitalen Technologien vermittelt.
Computerworld: Wenn der CIO das Heft des digitalen Handelns in die Hand nehmen will: Woher bekommt er Inspiration für technologiegetriebene Innovation?
Patrick Naef: Angesichts des hohen Tempos, mit dem neue Technologien auf den Markt kommen, wird der traditionelle Ansatz, nur aus dem Unternehmen heraus zu Innovationen zu treiben, immer schwieriger. Firmeninterne Vorschriften, Prozesse, Kontrollrahmen und Organisationsstrukturen bremsen Innovationen aus und lähmen die Organisation. Einige der grössten Killer der Innovation sind traditionelle Finanzprozesse, wie Budgets und Business Cases. Wenn Sie sich die grössten Innovationen des letzten Jahrzehnts ansehen, wie viele davon wurden Ihrer Meinung nach durch einen soliden Business Case untermauert? Nicht eine wahrscheinlich!
CW: Weches ist Ihrer Meinung nach der beste Weg zur Innovation?
Naef: Echte Innovation erfordert «out-of-the-box»-Denken, das Mitarbeiter mit alltäglichen operativen Aufgaben oft nicht leisten können. Die Nutzung des Ökosystems von Start-ups, der Open-Source-Community, Universitäten, Research-Labs, Venture-Capital-Firmen usw. kann ein effizienter Weg sein, um den Pool an innovativen Ideen weit über das hinaus zu erweitern, was innerhalb des Unternehmens entstehen würde. Die meisten Mitarbeiter in operativen Funktionen betrachten nur inkrementelle Verbesserungen und «More of the same but better»-Ideen als innovativ. Es gibt ein berühmtes Zitat, das Henry Ford zugeschrieben wird: «Hätte ich die Leute gefragt, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.» Keine Autos.
Da immer mehr Produkte und Dienstleistungen digitalisiert werden, wird die Technologie zum Schrittmacher für Innovationen und gibt daher auch die erforderliche Geschwindigkeit für die Markteinführung neuer Produkte vor. Da bei offener Innovation potenziell die ganze Welt dazu beitragen kann, Innovationen voranzutreiben, ist dies eine sehr attraktive Prämisse, die schwer zu schlagen ist.
Zur Person
Patrick Naef
war von 2006 bis 2018 der Konzern-CIO der Fluggesellschaft Emirates in Dubai. 2011 wurde er von den Lesern des deutschen Magazins «CIO» zum «CIO der Dekade» gewählt. Zuvor amtete der Schweizer als CIO bei SIG sowie Swissair und hatte Führungspositionen bei der Zurich Versicherung, HP und Bank Julius Bär inne. Heute begleitet Naef Organisationen bei der Digitalisierung, unterstützt Geschäftsleitungen bei IT-Themen und coacht IT-Führungskräfte und Start-ups. Er ist Managing Partner bei der Executive-Search-Firma Boyden in Zürich sowie Partner bei Acent in Deutschland und sitzt im Verwaltungsrat der Franke.



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