Dokumentenmanagement 08.05.2009, 09:57 Uhr

weg vom Turnschuh-Archiv

Statt Informationen zu verarbeiten, verbringen viele Mitarbeiter einen Grossteil ihrer Arbeitszeit damit, die Informationen erst einmal «zu Fuss» zusammenzusuchen. Ein durchdachtes Dokumentenmanagement kann das ändern - und spart Kosten.
Thilo Heffner ist Geschäftsführer der entana business solutions AG in Baar
Digitales Zeitalter hin oder her: Die meisten Dokumente werden auch heute noch in Papierform abgelegt - speziell bei KMU. Wenn mittelgrosse Unternehmen ein Enterprise Content Management (ECM) einführen wollen, dann geht es deshalb meist darum, das Papierarchiv einzudämmen und einen schnellen Zugriff auf strukturierte Dokumente, Belege und Akten zu erhalten - und zwar im Kontext der Geschäftsprozesse. Das zeigt auch das Beispiel des weltweit aktiven mittelständischen Maschinenbauers Ernst Grob AG aus Männedorf am Zürichsee.

Ernst Grob entwickelt, konstruiert und fertigt mit zurzeit ca. 120 Mitarbeitern CNC-gesteuerte Präzisionsmaschinen für die Kaltumformung und für Stanzmaschinen. Von der Einzelmaschine bis zur vollautomatisch arbeitenden Fertigungslinie sind es immer kundenspezifische Eigenentwicklungen, die vor allem in der internationalen Automobilindustrie ihren Absatz finden. Naturgemäss liegt der Schwerpunkt des Unternehmens in der technischen Entwicklung und Konstruktion.

Alles an einem Ort

Christoph Sonderer, als Leiter Arbeitsvorbereitung, Einkauf und Logistik bei Grob auch ECM-Projektleiter, erklärt die Ausgangslage: «Wir mussten in die nur noch schwer zu überschauende Dokumentensituation an unseren zwei Fertigungsstandorten Ordnung bringen.» Es hatte sich ein Mix aus Papier- und elektronischem Archiv gebildet, das jeder Bereich nach eigener Struktur führte (ERP, CAD/PDM, Office). Letztendlich gab es nach Sonderers Worten «zwei markante Schmerzpunkte», die zur Anschaffung eines ECM führten: Das war zum einen das Problem der E-Mails, das dem Geschäftsführer schon länger unter den Nägeln brannte. Die Mitarbeiter hatten begonnen, die ansteigende E-Mailflut relativ undifferenziert in privaten E-Mail-Briefkästen zu speichern, die selbst der Anlegende kaum noch überblickte, geschweige denn einer seiner Kollegen im Vertretungsfall.

Der zweite treibende Faktor war die räumliche Situation: Ein Projektleiter, bei Ernst Grob meist ein Techniker, hatte zwar seine technischen Projektinformationen (CAD und PDM) im direkten Zugriff. Sämtliche Verkaufs- und Kundenkorrespondenz wurde aber als Papierdokument in der Verkaufsabteilung abgelegt. Um einen Blick darauf zu werfen, musste sich der Projektleiter zu Fuss in einen anderen Gebäudeteil bewegen. Hinzu kommt, dass die Grob AG aufgrund der langen Lebensdauer ihrer Maschinen und Anlagen auch nach Jahrzehnten noch Ersatzteile liefern können muss. Das Langzeitpapierarchiv wuchs also ständig an.

Bewährte, flexible Lösung gesucht

Vor der Entscheidung für eine ECM-Lösung wurde jedoch erstmal geprüft, ob die vorhandenen Systeme ERP (Enterprise Resource Planning) und PDM (Produktdatenmanagement) diese Aufgaben nicht ebenso erfüllen konnten. Denn, so Christoph Sonderer: «Als mittelständisches Unternehmen denken wir pragmatisch.» Beide Systeme verfügen in begrenztem Masse über Archivfunktionen. Aber um ein unternehmensweites Dokumentenmanagement zu erreichen, hätte eine der beiden Anwendergruppen - die Techniker oder die Kaufleute - die «Sprache» der anderen lernen müssen, um sich in den verschiedenartigen Ablagestrukturen zurechtzufinden. «Ein anwendungsunabhängiges ECM-System, das sich optimal in die Arbeitsumgebung der bestehenden Systeme integrieren lässt und auch für neue Anforderungen offen ist, war da für uns eindeutig der bessere Weg», meint Sonderer.

Wichtig war dem mittelständischen Betrieb ausserdem, dass sich die Lösung in der Praxis bereits bewährt hat, dass sie ohne aufwendige Programmierung umzusetzen ist - und ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Den Zuschlag bekam letztlich d3 von d.velop. Dass der Implementierungspartner, die entana business solutions AG, vor Ort verfügbar war und die Bedürfnisse der mittelständischen Schweizer Branchen kennt, fiel als zusätzliches Argument ins Gewicht.
User-freundliche Umsetzung

Bei der Einführung von d3 bei Grob wurde grossen Wert darauf gelegt, die Archivierungsprozesse so einfach wie möglich und weitgehend automatisiert umzusetzen. Trotzdem habe es in der Anfangsphase Überzeugungsarbeit durch gezielte, intensive Schulungen gebraucht, berichtet der Projektleiter. Die Anwender mussten sich an die geänderte Arbeitsweise erst gewöhnen, bevor sie vom DMS profitieren konnten.

Für die Akzeptanz war es essenziell, dass alle Mitarbeiter wie gehabt mit ihren bestehenden Lösungen weiterarbeiten konnten. d3 arbeitet heute unbemerkt im Hintergrund und tritt nur in Erscheinung, wenn Dokumente recherchiert oder manuell archiviert werden sollen. Archiviert werden relevante E-Mail-, Office- und PDM-Dokumente sowie die Belege aus dem Navision-ERP. Die Verbindung zum ERP läuft dabei weitgehend automatisiert ab. Sobald beispielsweise ein Einkaufs- oder Verkaufsbeleg gedruckt wird, übernimmt das ECM automatisch eine vom System selbstständig verschlagwortete Kopie des Belegs.
Zu Beginn des Projekts wollte speziell die Geschäftsführung auch alle E-Mails automatisch archiviert sehen. «Die Projektleiterin von entana hat uns nach eingehender Diskussion aber davon überzeugt, dass es nicht sinnvoll ist, alle E-Mails zu übernehmen, sondern nur die für ein Projekt oder Kunden wirklich wichtigen Daten», erinnert sich Sonderer. Das Know-how des Partners entana habe so vor manchem Irrweg bewahrt.

Immer präsent, kaum zu sehen

Auch aus Office und PDM archivieren die Mitarbeiter relevante Dokumente per Mausklick. Die meisten Klassifizierungsfelder übernimmt das System vom Original ins Archivdokument automatisch, der Anwender ergänzt bei Bedarf nur noch einige Spezialfelder.

Dabei werden die Dokumente als Original (bei den E-Mails z.B. auch inklusive aller Anhänge) und zusätzlich mit einer automatisch erzeugten Kopie im TIFF-Format versioniert abgelegt. Versionierung und Zugriffsschutz stellen sicher, dass immer die aktuellste Version des Dokuments bereitsteht. So können alle Mitarbeiter mit entsprechender Berechtigung über einen einfachen TIFF-Viewer auf alle Dokumente eines Vorgangs gleichzeitig zugreifen, egal, aus welcher Anwendung diese stammen. Ausserdem sichert das TIFF-Format auch noch nach Jahrzehnten die Lesbarkeit der Dokumente. «Bei unseren langlebigen Maschinen und Anlagen», so Sonderer, «ist das besonders wichtig». Das gelte auch für die CAD-Zeichnungen, die über das PDM abrufbar sind. Das PDM-System ist nur noch als Zeichnungsverwaltungssystem aktiv, sämtliche anderen Dokumente des Entwicklungsbereichs werden im d3 geführt. Eingehende Dokumente werden per Hand eingescannt oder im Falle von Fax-Mitteilungen über einen Fax-Server dem Archiv zugeführt.

Natürlich gebe es bei der Einführung eines derart in die Unternehmensabläufe eingreifenden Software-Projekts immer Phasen, in denen verschiedene Meinungen aufeinanderstossen, meint Projektleiter Sonderer: «Da war dann vor allem die Erfahrung des externen Einführungspartners gefragt, um ein Projekt über solche Klippen hinwegzuhelfen.» Zum Beispiel habe es bei der Struktur des Archivs Diskussionen zwischen Kaufmännern und Technikern gegeben, u.a. über die Namen der Ordner.

Das Fazit des Logistikleiters fällt aber generell positiv aus. «Für die Ernst Grob AG ist ein intensiver Kundenkontakt, der oft über mehrere Jahrzehnte geht, wichtig. Das ECM-System unterstützt unseren Verkauf und Service dabei optimal, weil alle Dokumente aus der Fertigungs- und der späteren Einsatzphase, z.B. Servicerapporte, einfach und vollständig abgreifbar sind.» In naher Zukunft wird das ECM-Projekt daher weiter ausgebaut. Das Einscannen der alten Dokumente brauche seine Zeit und sei natürlich noch nicht abgeschlossen, meint Sonderer. Ausserdem solle die Automatisierung durch die Einrichtung von Dokumenten-Workflows weiter vorangetrieben werden.
Thilo Heffner



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