John Sculley, Vater  der ersten Billig-Macs

Gerangel um Mac-Neuheiten

John Sculley musste 1990 viel Kritik einstecken. Er landete mit dem Macintosh Classic aber einen Verkaufsschlager
Quelle: Archiv CW
Mit dem Ruder allein in seiner Hand führte Sculley den Apple-Konzern in den Folgejahren zu neuer Blüte. Der Mac profitierte mit seiner bedienerfreundlichen Oberfläche und dem vergleichsweise niedrigen Preis des Einstiegsmodells von der zerstrittenen Konkurrenz. Der globale Platzhirsch IBM werkelte gemeinsam mit Microsoft am DOS-Nachfolger OS/2, Microsoft entwickelte parallel sein Windows und HP portierte den Presentation Manager (von OS/2) auf Unix. Für Windows hatte HP noch «NewWave» als alternativen Desktop im Portfolio. 1990 wendete sich das Blatt: Windows 3.0 wurde zum Verkaufsschlager. Daraufhin zog sich Microsoft zuerst aus der Entwicklung von Presentation Manager, später aus der Entwicklung von OS/2 zurück und konzentrierte sich rein auf Windows.
Daneben stand Apple mit einer intuitiven Bedienoberfläche, um die es immer wieder Patentstreite gegeben hatte. Die Klage des Konzerns gegen HPs «NewWave» und die Gemeinschaftsentwicklung Presentation Manager aus dem Jahr 1988 war noch hängig (und sollte erst 1995 abgewiesen werden). Firmenintern suchte Sculley einen Weg für den kommerziellen Grosserfolg. Allerdings arbeitete das Unternehmen auch gegen ihn.
Ein Zulieferer hatte der Presse weit vor der offiziellen Ankündigung die technischen Daten und Fotos des neuen Mac­intosh IIci zugespielt. Nach einem Bericht von Computerworld löste die Indiskretion eine derart gigantische Suchaktion nach dem Urheber der Vorabinformationen aus, dass Eingeweihte von einer «Hexenjagd» sprachen. Welchen Stellenwert Apple der Geheimhaltung beimass, ging aus einem Brief hervor, den zuvor die Mac­intosh-Gemeinde erhalten hatte: «Die Geheimhaltung vertraulicher technischer Daten ist der Schlüssel zum Über­leben der Computerindustrie auch im nächsten Jahrtausend», stand darin. Es gehe weniger um Technik, denn «weder IBM- noch Compaq-Techniker dürfte das Bild eines Mac-Motherboards aus der Ruhe gebracht haben». Des Rätsels Lösung sei wohl verkaufstechnischer Natur, so Computerworld. Hinter der Aufregung bei Apple stecke die Angst, die älteren Mac-Modelle möglicherweise nicht mehr loszuwerden, wenn schon die Neuheit in der Luft liege.
An der «MacWorld Expo» im April 1990 sollte sich die Stimmung nicht bessern. Lange Gesichter gab es schon im Vorfeld, als Apple bekannt gab, es gäbe nichts Neues zu vermelden. Ein wahrer Sturm der Entrüstung brach allerdings los, als Apple auch noch verlautbarte, die Be­nutzeroberfläche Windows 3.0 für DOS-Rechner habe «keinen Einfluss auf den Macintosh». An einem Podiumsgespräch an dem Anlass in Boston mit Sprechern von Microsoft, Aldus, Symantec und ande-ren Apple nahestehenden Firmen, sagte William Campbell, Chef der Apple-Tochter Claris: «Ich glaube wirklich, dass Apple keinen Bezug zu einem Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Der Unterschied zu DOS-Rechnern ist heute so klein, dass niemand einige Tausend Dollar mehr für einen Macintosh ausgibt.» Der Applaus des Plenums gab ihm recht, so Computerworld. Die Diskussion endete nur Minuten, bevor Apple-Chairman John Sculley seine Rede hielt. Auf die
Kritik ging er mit keiner Silbe ein, sondern hielt sich strikt an das vorbereitete Manuskript. Seine Schlussworte waren: «Der Mac lebt und es geht ihm gut.»
Beim Betriebssystem konnte Sculley nicht reüssieren. Das ursprünglich für den Herbst 1989 angekündigte «System 7» wurde zwischenzeitlich auf Mai 1990, dann auf Oktober und schliesslich auf die erste Hälfte des Jahre 1991 verschoben. Tatsächlich startete Apple den Verkauf dann im Mai des Folgejahres. Aufgrund des grossen Ressourcenhungers der Betriebs-Software benötigten Anwender allerdings vielfach eine Speichererweiterung. Oder gleich eine komplett neue Hardware. Die Ende 1990 lancierten «Billig»-Macs waren alle schon bereit für das Betriebssystem.


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