David gegen Goliath
15.12.2010, 08:26 Uhr
Schweizer Myriad verklagt Oracle
Der Schweizer Software-Entwickler Myriad Group verklagt Oracle auf mindestens 120 Millionen Dollar. Myriad wirft Oracle vor, exzessive Lizenzgebühren für Java verlangt und damit gegen die Lizenz-Obligation FRAND verstossen zu haben.
Die Schweizer Software-Schmiede Myriad Group aus Dübendorf verklagt Oracle auf Schadensersatz in Höhe von 120 Millionen Dollar. Oracle soll von Myriad extrem überhöhte Lizenzzahlungen für Java verlangt und damit gegen Java-Lizenzrahmenbedingungen verstossen haben. Hier kämpft David gegen Goliath: Die auf mobile Apps und Telekommunikationsdienstleistungen spezialisierten Schweizer erzielten im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 105,3 Millionen US-Dollar (etwa 100 Millionen Franken), Oracle dagegen kam auf einen Jahresumsatz von 26,8 Milliarden Dollar. Java spielt eine Schlüsselrolle im boomenden Markt der mobilen Apps und Devices. Oracle schwenkt anscheinend, trotz gegenteiliger Beteuerungen, auf die Spur des Geldes ein. Noch auf der Oracle Open World bekräftigte der Software-Konzern, Java als Open-Source-Plattform weiterführen zu wollen. Auf den ersten Blick blieb Oracle auch gar nichts anderes übrig: Denn das FRAND-Lizenzmodell - FRAND steht für fair, angemessen (reasonable) und nicht wettbewerbseinschränkend (non-discriminatory) - regelt die Lizenzvergabe für das plattformunabhängige Java, das mittlerweile millionenfach auf mobilen Geräten und Desktops läuft. Java-Lizenzgeber Sun Microsystems, von Oracle im Januar dieses Jahres aufgekauft, versicherte immer wieder, Java zu fairen Bedingungen lizensieren zu wollen. Jetzt legt Oracle anscheinend härtere Bandagen an. Myriad bezichtigt den Software-Riesen, exzessive Lizenzgebühren verlangt und damit gegen FRAND verstossen zu haben. Die Schweizer sind auf Software, Anwendungen und Dienstleistungen für Mobilfunkbetreiber spezialisiert. Eines ihrer Top-Produkte ist der Myriad Dalvik Turbo, eine Ergänzung zur Android Dalvik Virtual Machine, die Android-Apps um den Faktor fünf beschleunigt. In der Turbo-Software kommt auch Java-Sourcecode zum Einsatz, auf den Oracle nun Eigentumsrechte erhebt.
Android boomt - Oracle will Geld
Die Klage der Schweizer gegen Oracle kann durchaus als Retourkutsche verstanden werden. Die Sache ist ein wenig vertrackt. Im August verklagte Oracle den Suchmaschinen-Giganten Google wegen angeblicher Patentverletzungen bei der Entwicklung des mobilen Betriebssystems Android. Bei der Entwicklung von Android, so Oracle, sei wissentlich, direkt und wiederholt das geistige Eigentum von Oracle verletzt worden. Corpus delicti ist die auf Java basierende Dalvik Virtual Machine des Android-Betriebssystem, die nötig ist, um mehrere Java-Programme performant und gleichzeitig auf mobilen Android-Geräten laufen zu lassen. Wie immer geht es dabei um jede Menge Geld: In den U.S.A. überflügelten im letzten Quartal die Abverkäufe von Android-Devices sogar leicht die des Blockbusters iPhone. Oracle will mit seiner Patentklage offensichtlich am Verkaufsboom partizipieren. Die Schweizer Software-Schmiede zielt mit ihrem Myriad Dalvik Turbo genau auf den boomenden und extrem lukrativen Markt der Android-Geräte, mithin Googles Dalvik Virtual Machine. Aber jetzt formiert sich mit Google, Myriad und Apache die Abwehrfront gegen Oracle. Schon öfter ist der Software-Konzern durch spektakuläre Gerichtsprozesse in Erscheinung getreten. Erst kürzlich hatte ein US-amerikanisches Gericht Oracles Erzrivalen SAP zu Schadensersatzzahlungen von 1,3 Milliarden Dollar verdonnert. SAP wurde der Industriespionage für schuldig befunden und hatte das Vergehen freiweg zugegeben. 1,3 Milliarden sind die höchste, jemals wegen Urheberrechtsverletzungen verhängte Strafzahlung überhaupt.