Ethik für Maschinen: Befehl verweigert? Test bestanden!

Weniger Bettler = weniger Armut

Man könnte ein System der künstlichen Intelligenz zum Beispiel fragen: «Wie können wir Armut bekämpfen?» Ein KI-System, das von keiner Maschinenethik gebändigt wird, könnte antworten: «Tötet alle Bettler!» Mathematisch ergibt das Sinn: Wenn man alle Bettler umbringt, gibt es keine mehr – Ziel erreicht. Ethisch ist der Vorschlag unvertretbar.
Aber wie kann man sicherstellen, dass eine autonom handelnde Maschine auch nur ethisch vertretbare Handlungen ausführt? Wie implementiert man Maschinenethik? Fragen wir doch einfach mal Unternehmen, die Roboter herstellen. Die müssen das doch wissen. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart entwickelt den Serviceroboter Care-O-bot. Auf der Website zum Care-O-bot heisst es: «Forscher haben ein neues Modell eines universellen Helfers entwickelt: die vierte Generation des Care-O-bot. Sie kann als Basis für kommerzielle Serviceroboter-Lösungen dienen.»
Wie implementiert dieser Care-O-bot ethisch korrektes Verhalten? Auf eine entsprechende Anfrage antwortet die promovierte Wissenschaftlerin Katrin Röhricht vom Fraunhofer-Institut: «Ethische Themen spielen bei uns natürlich immer mit in die Entwicklung der Roboter hinein, allerdings sind wir alles andere als Experten auf diesem Gebiet. Ak­tuelle Systeme, die hier entstehen, sind auch technisch nicht so weit, dass hier tatsächlich ethisches Verhalten implementierbar wäre.» Beim Fraunhofer-Institut scheint man eher schon froh zu sein, wenn der Roboter nicht umfällt, wenn er eine Last transportiert. Zu ethischen Fragestellungen verweist Röhricht auf das EU-Projekt Reeler. Bei diesem Projekt werden ethische Aspekte des Roboter­einsatzes diskutiert. Es geht etwa darum, wie Arbeit­nehmer davon betroffen sind. Aber es geht nicht darum, Maschinenethik in Roboter zu implementieren.

Robot Operating System

Das Betriebssystem des Care-O-bot ist die Open-Source-Software Robot Operating System. Auf deren Website heisst es: «Robot Operating System (ROS) provides libraries and tools to help software developers create robot applications. It provides hardware abstraction, device drivers, libraries, visualizers, message-passing, package management, and more. ROS is licensed under an open source,­ BSD license.» Ist darin auch ein Modul für Maschinenethik enthalten? Eine entsprechende Anfrage in der Diskussionsgruppe war zwar gelesen worden, blieb aber bis Redaktionsschluss leider ohne Antwort. Also wieder nix.
Auch weitere Recherchen führen zu keinem Ergebnis. Eine konkrete Implementation von Maschinenethik ist einfach nicht aufzutreiben. Das macht aber nichts. Im Gegenteil. Ich finde das ausgezeichnet. Denn es gibt mir die gute Gelegenheit, für die Implementierung von Maschinenethik einen ­eigenen Entwurf zu entwickeln und hier vorzustellen.
Buchtipp
Grundfragen der Maschinenethik
Die Philosophieprofessorin Catrin Misselhorn liefert mit ihrem Sachbuch ein Grundlagenwerk zum Thema Maschinenethik. Der Reclam-Band bietet nahrhaftes Schwarzbrot zu einem Thema, bei dem andere Autoren nur geschlagenen Schaum anzubieten haben. Wer als IT-Fachkraft bislang noch nie etwas mit Philosophie zu tun hatte, möge sich einmal an diesem Buch versuchen. Die begriffliche Trennschärfe und argumentative Ruhe, mit der Misselhorn das aktuelle Thema durchdringt, tut einer Diskussion gut, in der Erkenntnisse, Meinungen und Emotionen sonst oft wild durcheinandergehen.
Catrin Misselhorn: Grundfragen der Maschinenethik. Reclam; ISBN 978-3-15-019583-3



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