Für mehr Flexibilität und Belastbarkeit 31.05.2023, 06:15 Uhr

Lieferketten digital stärken

Hersteller müssen heute nicht nur hohen Anforderungen der Kunden gerecht werden, sondern auch rasch auf globale Ereignisse reagieren können. Eine modernisierte, digitale Infrastruktur ist für sie der Schlüssel zu einer widerstandsfähigen digitalen Lieferkette.
Mithilfe digitaler Technologien lassen sich die Lieferketten resilienter machen
(Quelle: Shutterstock/Chaay_Tee)
Die Fertigungsindustrie befindet sich im Umbruch: Kunden erwarten mehr denn je innovativere Produkte, individuellere Anpassungen trotz grosser Mengen und schnelle oder sogar taggleiche Lieferungen. Diese Erwartungen üben einen noch nie da gewesenen Druck auf die globalen Fertigungslieferketten aus. Die Herstellerunternehmen von heute müssen belastbar und flexibel sein – nicht nur, um die steigenden Kundenerwartungen zu erfüllen, sondern auch, um Unterbrechungen der Lieferkette zu bewältigen, die durch globale Ereignisse wie Natur­katastrophen, geopolitische Instabilität, Gesundheits­krisen und Rohstoffknappheit verursacht werden. Die Hersteller müssen sich diesen Herausforderungen stellen und gleichzeitig den Anforderungen der Nachhaltigkeit gerecht werden.
Neue digitale Technologien wie das industrielle Internet der Dinge (IIoT), Cloud Computing sowie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen können eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, Herstellern zu helfen, effizientere und widerstandsfähigere Abläufe zu schaffen. Diese Technologien sind jedoch sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung. Um sie optimal zu nutzen, müssen Hersteller riesige Datenmengen erfassen, speichern, verarbeiten und über ein digitales Ökosystem von Partnern und Zulieferern austauschen. Mit anderen Worten: Die Zukunft der Fertigung wird durch Big Data ­bestimmt. Und einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg der digitalen Transformation wird die Fähigkeit sein, Daten zu nutzen, die in verschiedenen Silos stecken.

Veraltete IT bremst Hersteller

Traditionelle IT-Architekturen sind ein wesentliches Hindernis, das einer stabileren digitalen Lieferkette im Weg steht. Diese Architekturen basieren auf einem zentralisierten Modell, bei dem der gesamte Datenverkehr über ein einziges Rechenzentrum läuft. Die Übertragung von Daten über grosse Entfernungen führt zu höheren Latenzzeiten – ein Hemmnis beim Ausschöpfen des vollen Potenzials von digitalen Lösungen. Weiter verursachen zentralisierte IT-Architekturen Datensilos, was den Datenaustausch zwischen den Partnern der Lieferkette erschwert. Dies wiederum hindert Hersteller daran, fundierte Entscheidungen auf Basis von Echtzeiterkenntnissen zu treffen und mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, um Störungen zu beheben.
Zentralisierten IT-Architekturen mangelt es ausserdem an der Skalierbarkeit und Flexibilität, die erforderlich sind, um mit den Markttrends und der sich ändernden Kundennachfrage Schritt zu halten. Die Einrichtung neuer privater Rechenzentren ist zeitaufwendig und kostspielig, ebenso wie die Schaffung neuer physischer Verbindungen mit Partnern und Dienstleistern. Darüber hinaus lassen sich alte Unternehmensnetzwerke nicht ohne Weiteres skalieren, sodass unerwartete Nachfragespitzen im Netzwerk zu Ausfällen führen können. Diese erhöhten Ausfallzeiten führen zu Produktivitätsverlusten und wirken sich negativ auf das Kundenerlebnis aus.

Moderne Lösungen sind gefragt

Die alte IT mag den Herstellern in der Vergangenheit gute Dienste geleistet haben. Aber moderne Herausforderungen erfordern moderne Lösungen. Die digitalen Marktführer von heute ersetzen herkömmliche private Rechenzentren durch anbieterneutrale Colocation-Einrichtungen, die über viele Standorte auf der ganzen Welt verteilt sind, wodurch sich die Entfernung verringert, die Daten zurücklegen müssen. Dies trägt dazu bei, Latenzzeiten zu reduzieren und so den vollen Geschäftswert von IIoT, KI und anderen modernen Technologien zu erschliessen. Die Bereitstellung von Infrastrukturen an digitalen Kernstandorten – sprich, an Standorten mit der höchsten Konzen­tration von Cloud- und Netzwerkdienstleistern – erhöht die Flexibilität der Infrastruktur erheblich und verschafft den Herstellern einen Wettbewerbsvorteil in einer Zeit, in der die schnelle Anpassung an Veränderungen zu einer geschäftlichen Notwendigkeit geworden ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt einer modernen IT-Infra­struktur ist die Möglichkeit, Daten sicher, kostengünstig und in Echtzeit dorthin zu übertragen, wo sie benötigt werden. Bedeutet, dass das öffentliche Internet zugunsten direkter, privater Verbindungslösungen umgangen werden muss. Durch die gemeinsame Nutzung von Daten in den Ökosystemen ihrer Zulieferer und Partner – einschliesslich Daten von IoT-Geräten, Produktionsdaten, Vorhersagedaten, Produktdaten und mehr – können Hersteller eine bessere Sichtbarkeit und Transparenz in ihrem gesamten Unternehmen erreichen.
Johnson & Johnson ist ein Beispiel für ein führendes digitales Unternehmen, das durch die Einführung intelligenter Fertigungstechnologien floriert. Das Unternehmen nutzt IIoT-Technologie, um seine Maschinen zu vernetzen und digitale Zwillinge zu erstellen – digitale Darstellungen seiner physischen Anlagen. Diese digitalen Simulationen helfen dem Unternehmen, die Anlagenleistung zu überwachen und datengestützte Erkenntnisse zu gewinnen, die dazu beitragen können, Ausfallzeiten zu reduzieren und Betriebskosten zu senken.

Grössere Flexibilität und mehr Sicherheit vor Ausfällen

Ein zentraler Punkt der digitalen Ausfallsicherheit ist die Möglichkeit, Cloud-Dienste für maximale Leistung und Skalierbarkeit zu nutzen. Cloud-basierte IT-Architekturen sind von Natur aus widerstandsfähiger, da sie es Herstellern ermöglichen, neue Kapazitäten schnell zu erweitern, wenn sich ihre Anforderungen ändern. Allerdings stehen die Hersteller vor besonderen Herausforderungen, die einen vollständig cloudbasierten Ansatz unpraktisch machen. Sie müssen oft die neusten digitalen Funktionen mit älteren, kundenspezifischen Geräten und Systemen kombinieren, die in lokalen Umgebungen ausgeführt werden müssen. Aus diesem Grund kann die Einführung einer hybriden Multi-Cloud-Architektur für Hersteller besonders hilfreich sein.
Der Ersatz veralteter privater Rechenzentren – wie sie in älteren IT-Architekturen üblich sind – durch herstellerneutrale Colocation-Einrichtungen kann der erste Schritt sein, um den vollen Wert von Hybrid-Multi-Cloud für die Fertigung zu nutzen. Der Einsatz von Colocation-Rechenzentren an strategisch wichtigen Standorten kann Herstellern dabei helfen, einen Cloud-Adjacent-Ansatz zu verfolgen, bei dem sie sowohl die Kontrolle über ihre Daten vor Ort behalten als auch gleichzeitig bei Bedarf temporäre Kapazitäten von führenden Cloud-Anbietern nutzen können.
Der Autor
Roger Semprini
Roger Semprini
Equinix
ist Managing Director von Equinix Schweiz. de.equinix.ch



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