Apple iPad 29.01.2010, 08:53 Uhr

eine erste Bilanz

Die Party ist vorbei und die Gäste sind gegangen. Zurück bleibt ein unordentlicher Haufen aus Informationen, Fotos und Pressemitteilungen. Es ist an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.
Nicht alle waren glücklich darüber, was Steve Jobs und seine Mannen diese Woche zeigten. Ein elegantes Tablet, eine Multimedia-Maschine, ein Kommunikationsgerät erster Güte. Aber der sprudelnde Enthusiasmus, den man bei der Vorstellung des ersten iPhones verspürte, blieb aus. Kein Wunder: Nach diesem Medien-Hype war es selbst für Apple nahezu unmöglich, alle Erwartungen zu erfüllen. Seit gestern wissen wir definitiv, dass sich das iPad nicht direkt mit unserer Grosshirnrinde verbinden kann. Aber was bleibt dann noch übrig?
Das iPad, die Medienschleuder
Fast alles am iPad ist darauf ausgelegt, den Medienkonsum zu vereinfachen. Surfen im Internet, Bücher lesen, Fotos und Filme betrachten. Für solche Tätigkeiten ist das iPhone zu klein und das Notebook zu sperrig. Hier springt das iPad in die Lücke. Steve Jobs demonstrierte überzeugend, dass sich die «New York Times» auf dem iPad wie eine Zeitung anfühlt, nur besser: Gelesen wird im Hochformat, die Grösse ist ideal und wer Mühe mit den kleinen Buchstaben bekundet, vergrössert einfach die Ansicht. Für viele Zeitungsleser wird das iPad zur besseren Alternative für die Papierausgabe werden - und das ganz bestimmt nicht immer zur Freude der Zeitungsverlage.
Nie mehr Bücher schleppen
Das Buch «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes» wiegt «nur» 960 Gramm, dem leichten Papier sei Dank. Allerdings ist der Wälzer fast 6 Zentimeter dick. Ein Fachbuch zu Photoshop Lightroom: besseres Papier, nur 25 mm dick, aber 1200 Gramm schwer. Das iPad ist nur 13,4 mm dünn und speichert bei einem Kampfgewicht zwischen 680 und 730 Gramm mehr Bücher, als ein Mensch in seinem Leben verdauen kann. Bücherwürmer müssen das iPad einfach mögen.
Das iPad wird von den Verlegern mit offenen Armen empfangen werden. Der neu eingeführte «iBooks Store» wird in diesem Moment mit den Inhalten der grossen Verlage gefüllt. Aber auch den kleinen Herausgebern bietet sich die Möglichkeit, über diese virtuelle Buchhandlung ein breites Publikum anzusprechen - ohne dass man sich dazu Amazon ausliefern oder sich die Hacken mit Vertreterbesuchen wundlaufen muss. Apropos: Der E-Book-Reader «Kindle» von Amazon kostet in den USA gerade einmal einen Dollar weniger als das günstigste iPad. Wenn Amazon weiterhin Bücher für den Kindle verkaufen will, sollten sie den Preis für das Gerät vielleicht besser senken - so um 80 oder 90 Prozent.
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iPad vs. Netbooks
Kaum jemand kauft ein Netbook für die tägliche Arbeit, sondern eher, um im Sofa oder unterwegs ein wenig zu surfen, E-Mails zu lesen oder zu spielen. Das sind exakt die Kernkompetenzen des iPads, nur hübscher und besser verpackt. Beispiele? Keine Treiberkonflikte. Keine instabilen System-Updates. Keine Viren, keine Malware und keine Abstürze. Dafür vom ersten Tag an Zigtausend Spiele und Anwendungen für alle Gelegenheiten - ein Grossteil davon ist gratis oder für einen symbolischen Betrag zu haben. Und wer bereits für sein iPhone Apps gekauft hat, transferiert diese ohne Kosten auf das iPad.
Alles voll Porno!
Das bringt uns nahtlos zum nächsten Thema. Früher schenkte die Pornoindustrie diesem oder jenem Medium ihre Gunst und entschied damit massgeblich mit, was Top und was Flop war. Heute sind es unter anderem die Spielehersteller, die den Kaufreflex auslösen. Zum Verkaufsstart werden Tausende von Spielen aus allen Kategorien zur Auswahl stehen. Einige werden einfach grösser als auf dem iPhone dargestellt - aber fast alle wichtigen Titel werden bis dann an den grösseren Bildschirm angepasst sein.
Apple, wie konntest Du nur!
Das iPad kommt ohne Kamera - und diese Kröte ist nicht leicht zu schlucken. Natürlich wäre ein Videochat mit der Liebsten eine feine Sache gewesen. Noch schwerer wiegt aber der Mangel, dass es keine Kamera auf der Rückseite gibt. Man stelle sich vor: Das iPad schreit förmlich nach vertikalen Software-Lösungen - also nach spezialisierten Programmen, wie sie etwa in Spitälern, bei Versicherungen oder wo auch immer zum Einsatz kommen.
Beispiele: Bei der Einlieferung ins Spital wird der Patient fotografiert, damit Ärzte und Pfleger immer wissen, dass sie bei der Dateneingabe von der richtigen Person sprechen. Wo bleibt die Kamera? Später konsultiert der Arzt den Patienten mit dem iPad in der Hand und möchte den Verlauf der Wundheilung dokumentieren. Und wieder: Wo bleibt die Kamera? Der Schadensexperte der Versicherung steht in der Werkstatt und möchte mit dem iPad in der Hand den Schaden protokollieren. Es fehlt dazu - natürlich - die Kamera. Apple kauft diese Fotomodule für das iPhone, die Macs und den iPod Nano palettenweise ein, wahrscheinlich zu einem Preis von 2 Dollar pro Stück. Aber für das iPad hat es aus unerklärlichen Gründen nicht gereicht.
Fazit
Das iPad wird den Erfolg des iPhones oder der iPods wahrscheinlich nicht überbieten können, aber das wäre auch viel verlangt. Hingegen wird es zweifellos zu einem Erfolg werden. Die Verlage und die Filmindustrie werden sich darauf stürzen und interessante Inhalte anbieten. Vor allem aber werden unzählige Spielehersteller just in diesem Moment alles stehen und liegen lassen und für das iPad neue Games entwickeln. Das iPad wird uns ausgezeichnet unterhalten - und das ist doch schon einiges.



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