Künstliche Intelligenz erforscht dunkle Materie im Universum

Neuronale Netzwerke lernen von allein

«In unserer neuesten Arbeit haben wir eine völlig neue Methode benutzt», sagt Alexandre Refregier. «Anstatt selbst eine geeignete statistische Analyse zu erfinden, überlassen wir diese Arbeit den Computern.» Hier nun kommen Aurélien Lucchi und seine Kollegen vom Data Analytics Lab am Departement für Informatik ins Spiel. Gemeinsam mit Janis Fluri, Doktorand in Refregiers Gruppe und Erstautor der Studie, verwendeten sie als tiefe künstliche neuronale Netzwerke bekannte Algorithmen für maschinelles Lernen und brachten ihnen bei, so viele Informationen wie möglich aus den Massenkarten der dunklen Materie herauszuholen.
Wenn das neuronale Netzwerk fertig trainiert ist, kann man es dazu benutzen, kosmologische Parameter aus echten Bildern des Nachthimmels zu berechnen
Quelle: ETH Zürich
In einem ersten Schritt trainierten die Wissenschaftler die neuronalen Netzwerke, indem sie sie mit computergenerierten Daten fütterten, die das Universum simulieren. Auf diese Weise kannten sie im Voraus die richtige Antwort für einen bestimmten kosmologischen Parameter – zum Beispiel das Verhältnis der gesamten dunklen Materie zur dunklen Energie – für jede der simulierten Massenkarten. Durch wiederholte Analyse der Massenkarten brachte das neuronale Netzwerk sich selbst bei, darin nach den richtigen Strukturen zu suchen und mehr und mehr der gewünschten Informationen zu extrahieren. Im Facebook-Vergleich wurde es also immer besser darin, zufällige ovale Formen von Augen oder Mündern zu unterscheiden.

Genauer als menschengemachte Analyse

Die Ergebnisse dieses Trainings waren ermutigend: Die neuronalen Netzwerke fanden Werte, die um 30 Prozent genauer waren als diejenigen, die mit herkömmlichen, auf menschengemachter Statistik basierenden Methoden erzielt wurden. Für Kosmologen ist das eine enorme Verbesserung, denn um dieselbe Genauigkeit durch mehr Teleskopaufnahmen zu erreichen, würde man die doppelte Beobachtungszeit brauchen – und die ist teuer.
Schliesslich benutzten die Wissenschaftler ihr durchtrainiertes neuronales Netzwerk, um echte Massenkarten der dunklen Materie des KiDS-450 Datensatzes zu untersuchen. «Das ist das erste Mal, das solche Werkzeuge des maschinellen Lernens in diesem Zusammenhang verwendet wurden», sagt Fluri, «und wir haben gesehen, dass das tiefe künstliche neuronale Netzwerk es uns erlaubt, mehr Informationen aus den Daten zu gewinnen als mit bisherigen Methoden. Wir glauben, dass diese Verwendung von maschinellem Lernen in der Zukunft noch viele Anwendungen haben wird.»
Als nächsten Schritt haben er und seine Kollegen vor, ihre Methode auf grössere Datensätze wie den Dark Energy Survey anzuwenden. Zudem sollen mehr kosmologische Parameter und weitere Verfeinerungen, wie etwa Details zum Wesen der dunklen Energie, in die neuronalen Netzwerke eingespeist werden.
Hinweis: Dieser Artikel ist zunächst bei «ETH-News» erschienen und wurde von Oliver Morsch verfasst.



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