Monatsthema Cloud 30.03.2020, 14:39 Uhr

Interview: «Die Cloud sorgt für gleich lange Spiesse»

Die Schweizer Data-Center-Szene ist in Bewegung. Computerworld sprach mit Green-CEO Roger Süess über die aktuellen Trends im Markt.
Roger Süess ist seit 2019 CEO von Green Datacenter
(Quelle: Green)
Computerworld: Welche Trends sehen Sie am Schweizer Markt für Rechenzentren?
Roger Süess: Im Datacenter-Geschäft sehe ich aktuell drei Trends. Erstens: Die Vernetzung der IT-Infrastruktur wird immer entscheidender, um der Fragmentierung Herr zu werden. Diejenigen Rechenzentren, die sich als Hauptbahnhöfe des Datenverkehrs herauskristallisieren, sind für Partner, Unternehmen und Cloud-Provider vorteilhafter, weil sie Anbindungen zu allen Beteiligten und in alle Richtungen anbieten.
Und zweitens: Der Markt spaltet sich auf: Es gibt nur ganz wenige Anbieter, die sowohl die Bedürfnisse der Hyperscaler als auch die der Unternehmenskunden in der Schweiz abdecken können. Doch genau das scheint mir attraktiv für beide Kundengruppen.
Drittens: Size matters. Das gilt auch für Datacenter-Betreiber. Grosse Infrastrukturen sind effizienter zu betreiben, als kleinere. Und grosse Anbieter können in ganz anderem Mass in Anlagen, Energieeffizienz, Sicherheit und auch in Fachkräfte investieren. 
CW: Welche Kriterien rücken dabei verstärkt in den Fokus der Kunden?
Süess: Die Kunden suchen heute nicht mehr nur einen Partner für das Housing ihrer Systeme, sondern eine Lösung um zukünftige Projekte umzusetzen und agiler zu werden. Es geht also viel mehr darum, welcher Partner sie bei der Reise in die Cloud begleiten kann und in allen Disziplinen – sprich in Architekturfragen, bei der Migration und bei der Anwendung neuer Technologien unterstützt. Dafür sind Ökosysteme notwendig, in denen sich die Anbieterunternehmen organisieren und gemeinsam Lösungen entwickeln. Nur so ist ein echter Wandel möglich. Wir haben zu diesem Zweck ein Cloud-Ökosystem kreiert , das neben unseren eigenen Kompetenzen weitere Partner einbindet und so die ganze «Journey to the Cloud» abdeckt und Unternehmen echte Optionen bietet.

Die Hyperscaler in der Schweiz beschleunigen die Transformation zur Cloud

CW: Welche Bedeutung hat der Einstieg der Hyperscaler für das Data-Center-Geschäft?
Süess: Der Einstieg der Hyperscaler beschleunigt die Transformation weg von eigenen Rechenzentren hin zur Cloud. Für viele Unternehmen war der Schritt bislang nur schwer vorstellbar, nun – mit einem Schweizer Datenstandort – haben sie sich geöffnet. Das führt bei uns als Betreiber zu mehreren positiven Effekten: Wir spüren die Nachfrage der Hyperscaler, aber auch die der Kunden, die nun zur Public Cloud passende Lösungen evaluieren.
Green Datacenter baut sein Angebot ständig aus und errichtet neue Rechenzentren wie hier Zürich West 3
Quelle: Green
CW: Welche technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Cloud-Umfeld sollten IT-Verantwortliche auf dem Radar haben?
Süess: Am wichtigsten ist aus meiner Sicht, dass Unternehmen nun ihre Transformationsprojekte starten. Komplexe, ineinander verwobene IT-Umgebungen erweisen sich als Bremsklotz, in einer Zeit, die von Disruption geprägt ist. Die Cloud dagegen liefert Innovation, sorgt für schnelle Projektlaufzeiten und Agilität. Oder anders gesagt: Die Cloud sorgt für gleich lange Spiesse – auch kleine Unternehmen können dank der Cloud plötzlich grosses Erreichen. Darum sollte sich heute kein Unternehmen mehr vor der Cloud-Nutzung verschliessen. Sondern vielmehr verschiedene Architekturen clever kombinieren.
CW: Hybride Cloud gilt als der Königsweg zwischen der Private- und der Public Cloud. Wo stehen Schweizer Anwenderunternehmen bei der Planung und beim Einsatz hybrider Cloud-Modelle?
Süess: Viele Unternehmen können nicht von heute auf morgen sämtliche Strukturen aufbrechen und alles in die Public Cloud migrieren – so etwa aufgrund von regulatorischen Vorgaben. Und natürlich eigenen sich auch nicht alle Anwendungen für die Public Cloud. Für uns ist entsprechend schon lange klar: Die hybride Architektur ist der Königsweg, denn mit einer hybriden Architektur kombiniert ein Unternehmen die Vorteile aus beiden Welten. Moderne Plattformen wie OpenShift, Anthos, Azure Arc oder AWS Outpost unterstützen bereits solche hybriden Modelle. Sie stellen eine einheitliche Software-Plattform für die Administration der Container zur Verfügung, auch über verschiedene Anbieter hinweg. Alle diese Plattformen unterstützen wir und können sie in unser Lösungsdesign integrieren.

Vorsichtige Öffnung gegenüber der Cloud

CW: Welches sind die grössten Bedenken und Schwierigkeiten, mit denen Sie in Kundengesprächen regelmässig konfrontiert werden?
Süess: Die Unternehmen haben sich gegenüber der Cloud geöffnet, hegen aber immer noch Bedenken, was den Datenzugriff angeht oder die Cybersicherheit. Zudem haben sie in Systeme und Rechenzentren investiert, die sie nicht sofort abbauen oder umnutzen können. Eine weitere Knacknuss sind oft Legacy-Systeme, die gar nicht sinnvoll abgelöst werden können. Doch deswegen riesige Datenhallen aufrechtzuerhalten, ist ebenfalls nicht zielführend. Also helfen wir Schritt für Schritt dieses Problem zu lösen. Wir schlagen meist hybride Lösungen vor, planen die Migration, binden Public Clouds an, nehmen eine bei uns gehostete Private Cloud in Betrieb und übernehmen Legacy-Systeme in unser Rechenzentrum. Was kombiniert werden soll, ist aber immer vom Kunden abhängig.
CW: Was tun Sie zur Erhöhung der Cloud Security als Provider? Was empfehlen Sie Ihren Kunden?
Süess: Wir investieren in technische Schutzmassnahmen, Prozesse aber auch in unsere Mitarbeitende, die wir regelmässig schulen. Zudem führen wir in allen drei Bereichen Audits durch, sowohl intern wie auch durch externe Auditoren. Wichtig ist dabei stets, den Überblick über alle genutzten Tools und die Datenklassifizierung zu behalten und die von den Cloud Providern bereitgestellten Lösungen richtig zu implementieren. Zudem bieten wir auf Kundenwunsch spezielle Hochsicherheitssetups, die dediziert und isoliert aufgesetzt werden.

Erfolgreiche Swiss-Cube-Lösung

CW: Welches besondere Kundenprojekt im Cloud-Umfeld haben Sie im letzten halben Jahr umgesetzt? Worum ging es dabei genau und was war daran herausragend?
Süess: Im letzten halben Jahr haben wir vor allem Projekte mit Partnern aus unserem Cloud-Ökosystem umgesetzt. Dazu zählen Lösungen für den Bereich Handel, Government, Medien sowie Legal. All diese Projekte zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass wir mit Container-basierten Lösungen schlanke und extrem leistungsfähige Lösungen bereitstellen konnten, die sicher in unseren Rechenzentren betrieben werden.
Mit der nun entwickelten Swiss-Cube-Lösung haben wir die gewonnen Erkenntnisse genutzt und stellen eine Private Cloud bereit, die für Unternehmen aller Branchen interessant ist. Wir bieten dabei eine dedizierte Hardware zur alleinigen Nutzung für den Kunden, inklusive Virtualisierung. Der Service ist voll «managed» und verlangt vom Kunden keine Erstinvestitionen. Damit haben wir den Spagat zwischen einer flexiblen Cloud und höchstmöglicher individueller Sicherheit geschafft.
Für uns bedeutet ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt, dass ein Kunde nachhaltig mit der für ihn besten Lösung in der Cloud ankommt und wir mit einer cleveren Kombination von Legacy, Private Cloud und Public Cloud echten, messbaren Mehrwert schaffen konnten.
Zur Person
Roger Süess, CEO von Green Datacenter
Roger Süess studierte Elektrotechnik und Informationstechnologien an der Hochschule Rapperswil (HSR) und war anschliessend in der Industrie und als Consultant tätig. Er besitzt rund zwanzig Jahre Bank-IT-Erfahrung, die er sich bei der Credit Suisse als auch bei der UBS in leitender Funktion aneignete. Bei letzterer zeichnete er als Managing Director / Head Cloud Business Office für die Cloud-Strategie und deren Umsetzung verantwortlich. Zudem trug er bei der Grossbank die Verantwortung für die IT-Infrastruktur-Regionen Schweiz und EMEA, bevor er 2019 zu Green stiess.



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