09.08.2010, 14:15 Uhr
Google und die Mär vom "neutralen" Netz
Ob nun Google mit dem Fernmelder Verizon über eine Art Internet-Vorfahrt für die eigenen Daten verhandelt oder nicht: Die Netzneutralität besteht schon seit geraumer Zeit nur noch auf dem Papier.
Ein Bericht der New York Times brachte das Blut der Internetgemeinde erneut in Wallung. Demnach sei Google und der US-Fernmeldeanbieter Verizon drauf und dran, eine Vereinbarung zu treffen, wonach Daten von Google eine Art Vorfahrtsrecht auf dem Netz des Providers erhielten, für eine saftige Bezahlung, versteht sich. Doch sowohl Google als auch Verizon demintierten flugs den Zeitungsbericht.
Die Aufregung über den Bericht ist dabei etwas übertrieben: Denn Google arbeitet seit Jahren daran, dass die eigenen Daten rascher durchs Netz rauschen, ohne dass dabei direkt ein Provider für die Vorfahrt bezahlt würde. Im Gegenteil: Google hat sich in der Vergangenheit immer wieder für Netzneutralität stark gemacht.
Das kann der Suchmaschinenriese auch. Denn es gibt andere Wege, mit denen er den Datenverkehr zu seinen Gunsten beeinflusst. Google arbeitet dabei an einer Vielzahl von Techniken, die schlussendlich auf die eigenen Inhalte optimiert sind, diese also schneller zum eigenen Anwender spedieren.
Von Go bis Chrome OS
So hat Google unlängst die Programmiersprache Go veröffentlicht. Mit dieser sollen Programmierer auch mit Scripting-Sprachen schnell und sicher arbeiten können, wie sie dies von klassischen, kompilierten Sprachen wie etwa C gewohnt sind. Daneben läuft ein weiteres Experiment mit SPDY (wie "speedy" gesprochen). Dieses Protokoll soll das klassische Web-Protokoll HTTP (Hypertext Transport Protocol) ersetzen und Programme auf Scripting-Basis schneller verarbeiten können. Beide Initiativen bevorzugen somit Web-Applikationen wie sie Google im Web bereithält, allen voran Gmail und Google Docs.
Gleiches leistet auch der Google-Browser Chrome. Der suchmaschinist wirbt sogar offen damit, dass der hauseigene Browser die Web- und Scripting-basierten Anwendungen von Google wesentlich beschleunigen kann. Das für Ende Jahr erwartete Chrome OS wird sodann einen weiteren Schritt in diese Richtung darstellen.
Ein eigenes Breitband-Netz
Derweil plant Google mit einer weiteren Massnahme, den Netzanbietern Dampf zu machen. Mit einem eigenen, experimentellen Glasfasernetz will Google einzelnen US-Anwednern eine Superdatenautobahn direkt ins Haus legen, die gut 100 Mal schneller sein soll als heutige FTTH-Verbindungen (Fiber to the Home).
Google wird mit diesem Netz zwar noch keine Gefahr für bestehende Provider darstellen, da der Superhighway nur geografisch beschränkt sein und maximal 500'000 Haushalte umfassen wird. Die Errichtung des Breitbandnetzes sendet allerdings ein klares Signal an die grossen Carrier, ihrerseits Gas zu geben.
Doch Google ist nicht die einzige Firma, die technisch aufrüstet, um die eigenen Inhalte schnell durchs Netz zu schleusen. Anwendungen wie Skype und Kazaa sind schon so konstruiert, dass sie sich so viel Bandbreite nehmen, wie nur irgend möglich. So hüpft etwa Skype von Port zu Port, um für seine Anwender das Maximum herauszuholen und ist deshalb auch ein Graus für manchen Firewall-Hersteller.
Netzneutralität: seit 10 Jahren Makulatur?
Das Prinzip, dass Firmen, die zahlen, eine schnellere Webseite erhalten, ist schliesslich nicht erst seit gestern ein Thema. Sogenannte Content Delivery Networks (CDN) - das bekannteste wird von der Firma Akamai Technologies betrieben - gibt es bereits seit über zehn Jahren. Und schon so lange sorgen sie dafür, dass Webseiten von zahlenden Firmen oder bestimmte Inhalte wie etwa Video- und Audio-Ströme schneller beim Surfer aufbereitet werden. Wichtige Kunden von Akamai sind beispielsweise Apple, IBM, Microsoft und Yahoo oder Audi, Ciba und Sony.
Dabei haben CDN ein enges Netz von tausenden Servern weltweit erstellt, auf denen jeweils Kopien der Webinhalte ihrer Kunden lagern. Fragt beispielsweise ein Schweizer Surfer eine Seite eines Akamai-Kunden in den USA nach, wird er von einem Akamai-Server in der Nähe bedient, wodurch die Inhalte schneller geliefert werden können.
Klar: Auch bei CDN sind alle IP-Pakete auf dem Netz der Carrier gleich. Und ein Deal, bei dem Netzbetreiber gewisse Inhalte priorisieren, wäre der Todesstoss für die Netzneutralität. Dennoch muss auch gesehen werden, dass die Netzneutralität schon seit längerem untergraben wird, und zwar von diversen Mitspielern.