Sinofsky vs Ballmer 20.11.2012, 17:02 Uhr

das steckt dahinter

Jeden Tag werden weitere Details zum Rausschmiss von Steven Sinofsky als Windows-Chef bekannt. Heute: er weigerte sich, eine Touch-Version für Windows 7 zu entwerfen, obwohl die Hardware bereits vorhanden war. Eine Analyse, wie es zum Sesselrücken in Redmond kam.
Steven Sinofsky (links) passte mit seiner Art nicht mehr ins Konzept von Microsoft-CEO Steve Ballmer.
Im Nachhinein deutet vieles darauf hin, dass es bei Microsoft knallen musste. Auf der einen Seite ein Strategiewechsel, der Beginn einer neuen ra. Auf der anderen die Menschen, welche Microsoft dahin führen sollten: Steve Ballmer, CEO, 56-jährig, seit 1980 bei Microsoft und Steven Sinofsky, Windows-Chef, 47-jährig, seit 1989 dabei. Firmen-Dinosaurier, seit Ewigkeiten in Redmond. Beide dafür bekannt, ihre eigene Meinung sehr hoch zu gewichten. Und bei der Ausrichtung des Unternehmens unterschiedliche Auffassungen zu haben. Das konnte nicht gut gehen.  Die Gründe, warum Sinofsky gehen musste, werden wohl nie ganz ans Tageslicht kommen, doch mit jedem weiteren Indiz werden zwei Dinge klar:
  • a) Ballmer und Sinfofsky hatten schon längere Zeit «das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne»
  • b) Windows 8 oder Surface haben nichts mit dem Rauswurf zu tun

a) Sinofsky machte sich selber unmöglich

Indiz 1: Gestern berichtete der IT-Blog ExtremeTech, dass mit dem Start von Windows 7 (22. Oktober 2009) auch passende Tablets zur Verfügung gestanden hätten. Früher als Apple mit dem iPad (3. April 2010) hätte Microsoft also ins Tablet-Geschäft einsteigen können. Doch Sinofsky weigerte sich gemässen Quellen des Blogs, eine Touch-Version von Windows 7 zu entwerfen. Sehr zum Ärger von Steve Ballmer und den Hardware-Partnern. Ob Microsoft damit Erfolg gehabt hätte, ist unklar. Die Tablets, die später mit Windows 7 erschienen, waren eine Enttäuschung. Trotzdem hat sich Sinofsky mt der Aktion keine Freunde gemacht. Indiz 2: Die New York Times berichtet, ebenfalls mit Verweis auf interne Quellen, dass nicht einer, sondern mehrere Vorfälle zu Sinofskys Abgang geführt hätten. Bei einer zweitätigen Microsoft-Management-Konferenz zu Beginn des Jahres war beispielsweise jeder Divisionschef aufgefordert, seine Abteilung zu präsentieren, Fragen zu beantworten und sich anzuhören, was die Kollegen zu erzählen hatten. Steve Sinofsky löste die Aufgabe gemäss «NYT» folgendermassen: er stellte sich am ersten Tag der Veranstaltung vor das restliche Topkader und sagte, dass er keine Präsentation vorbereitet habe. Wer sich für den Fortschritt von Windows 8 interessiere, solle stattdessen seinen Firmenblog lesen. Danach beantwortete er immerhin Fragen, verliess darauf aber das Areal. Die Kollegen blieben, wie ausgemacht, bis zum nächsten Tag. An diesem Anlass hat Sinofsky scheinbar eine Menge Unterstützung verloren, zitiert die Zeitung einen damals Anwesenden. Indiz 3: In der Mitteilung zur Entlassung von Sinofsky schreibt Ballmer, wenn auch verklausuliert: «Er war kein Teamplayer». Dazu fügt er an, dass die Firma künftig einen gemeinsamen Effort «über alle Microsoft-Teams hinweg» leisten sowie «integriertere und schnellere Entwicklungszyklen bei allen Angeboten» anstreben muss.  Auch ansonsten gibt es genügend Indizien, welche belegen, dass Sinofsky seine Entscheidungen am liebsten alleine traf. So legte sich Sinofsky nacheinander mit dem legendären Software-Entwickler und Lotus-Note-Erfinder Ray Ozzie sowie dem Microsoft-Management-Urgestein Bob Muglia an ? beide mussten sich danach nach einer neuen Stelle umsehen. Früher erlaubte man Sinofsky wegen seines Erfolgs also diese exponierte Stellung -  doch nun will man bei Microsoft den Teamgedanken fördern. Sinofsky passte da nicht mehr rein. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Windows 8 nichts mit dem Sinofskys-Entlassung zu tun hat

b) Warum Windows 8 nichts mit der Sinofsky-Entlassung zu tun hat

Indiz 1: Gleich nach Sinofskys Entlassung wurde spekuliert, dass diese mit Windows 8 oder Surface zusammenhängt. Doch das macht wenig Sinn. Denn warum sollte bereits drei Wochen nach dem Verkaufsstart (Windows 8 erschien am 26. Oktober, Sinofsky flog am 13. November) ein Fazit gezogen werden? Das wäre viel zu früh ? und das weiss man in Redmond. Indiz 2: An einer Microsoft-Entwicklerkonferenz im Oktober stellte Steve Ballmer eine Demo von Windows 8 vor. Das macht ansonsten der Divisions-Verantwortliche, also Sinofsky. Doch dieser sass damals sprichwörtlich in der ersten Reihe, mitten unter den Zuschauern, berichtet Mary Jo Foley, eine bekannte Microsoft-Bloggerin. Ein klares Indiz, dass sich der Abgang Sinofsky damals schon abzeichnete, es hatte inmitten des ganzen Windows-8-Brimborium bloss niemand 2+2 zusammengefügt. Indiz 3: Wäre Sinofsky Strategie falsch gewesen, warum wurde dann mit Julie Larson-Green ausgerechnet sein ehemaliger Protegé der Nachfolger und Leiter der Windows-Entwicklungsabteilung? Allerdings: Die Macht, welche Sinofsky hatte, besitzt Larson-Green nicht. Für den geschäftlichen Bereich ist Tami Reller zuständig, die daneben Chief Financial Officer und Chief Marketing Officer der Windows Group bleibt. Wäre die neue Windows-Produktlinie also tatsächlich ein Desaster, würden kaum zwei der dafür Mitverantwortlichen befördert. Dass sie auf persönlicher Ebene nicht den Weg Sinofskys einschlagen, dafür wird Ballmer sorgen. Beide Frauen berichten direkt an den Microsoft-CEO.



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