Software-Klau in Schweizer Firmen

Alternative: Software per Post

Abseits der etablierten – und preisgebundenen – Distributionskanäle für Software agierte seit 1985 der Versandhändler Toni Smith. Er bediente die deutschsprachigen Märkte mit PC-Programmen zu Tiefstpreisen. So kostete die englische Version von Windows 3.0 ganze 216, die deutsche Version nur 328 Franken. Die deutsche Version von Word für Windows ging für 1111 Franken über den Ladentisch. Die empfohlenen Verkaufspreise für die Pakete waren doppelt bis dreimal so hoch.
Im Gespräch mit Computerworld wollte Smith nicht verraten, wie er die Preise kalkuliert. Die Frage wurde mit einem Lachen quittiert. Jedoch versicherte er, dass es sich durchwegs um legal beschaffte Programme handelt. Mit Raubkopien habe die «Software Post by Toni Smith» nichts im Sinn. Trotz seiner tiefen Preise habe Smith allerdings festgestellt, dass es in der Schweiz nicht leicht sei, sein Geld mit dem Verkauf von Software zu verdienen. Der Kunde verlange einiges an Dienstleistung und Service, entscheide sich aber trotzdem häufig aufgrund des Preises.
Doch Smith hatte hart zu kämpfen. Ihm fiel insbesondere auf, dass er nicht gerade von Grossaufträgen überschwemmt wurde. Dafür hatte er nur eine Erklärung: «In der Schweiz wird viel kopiert», sagte er im Interview mit Computerworld Schweiz. Besonders Grossfirmen kauften nur ein Exemplar eines Software-Pakets, damit sie in den Besitz des Manuals kamen, klagte er. Das Handbuch und die Software würden dann kopiert und auf allen Personalcomputern der Firma installiert.
Toni Smith (hinten links) hatte sechs hungrige Mäuler mit dem Verkauf von Software zu stopfen
Quelle: Computerworld
Da Smith und seine Frau mittels Software-Verkauf sechs Kinder zu ernähren hatten, blieb ihm beim Geschäfts­modell keine Wahl: tiefe Preise. Denn der Umschlag grösserer Mengen war nur über den Preis zu erreichen. Ob der neuen Initiativen der Software-Industrie bliebe nach den Worten von Smith allerdings abzuwarten, ob der Preis nicht noch um einiges günstiger ausfallen könne, wenn die «Software Post» grosse Stückzahlen eines Standardpakets durch die Lieferung an Grossunternehmen umsetzen könnte. Auch dies käme schliesslich wieder dem Einzelkunden zugute. Jedoch: Smiths Rechnung sollte nicht aufgehen. 1994 musste er Insolvenz anmelden.
143 bekannte Computer-Viren
Heute werden Raubkopien in vielen Fällen zur Verbreitung von Malware zweckendfremdet. Vor 30 Jahren war diese Praxis noch nicht gängig. Schweizer Firmen konnten noch «guten» Gewissens beliebig viele Kopien ihrer Software erstellen, ohne Gefahr zu laufen, von einem Angreifer attackiert zu werden.
Wer sich trotzdem schützen wollte, konnte ab 1991 zu einem Produkt des Computerpioniers Peter Norton respektive Symantec greifen: «Norton Antivirus». Die Software-Neuheit wurde unter anderem damit beworben, dass sie wenig Systemressourcen benötigt (27 Kilo­byte Arbeitsspeicher), sämtliche der damals bekannten 143 Viren erkennt und während eines Jahres mit Updates versorgt wird – auf Diskette, versteht sich.
Für OS/2 gab es vor 30 Jahren keinen einzigen Computerschädling. Trotzdem lancierte die britische Firma S&S International ein Antivirenprogramm für das IBM-Betriebssystem. Dr. Solomon’s Virus Toolkit sollte OS/2-Viren umgehend erkennen und vernichten können. Zum Erfolg wurde das Programm erst, als es auf Windows portiert wurde. Zu den Hochzeiten von Norton – das Ende der 1990er rund 60 Prozent Marktanteil hatte – wurde Dr. Solomon’s von McAfee übernommen.
Das Jahr 1991 markiert auch den Beginn der Pro­fessionalisierung der Virenautoren. Im US-Computer­magazin «Microtimes» warb HLD Publishing für das «Jerusalem»-Virus. Auf Anfrage erklärte die Firma, das Virus sei für 29.99 US-Dollar zu haben.



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