Leuchttürme 21.07.2021, 06:10 Uhr

Schweizer Open-Source-Projekte in der Übersicht

Kinderbetreuung, Parkleitsysteme, Business-Lösungen: Quelloffene Software hält in immer mehr Bereichen Einzug und ermöglicht neue Services. Wir stellen fünf herausragende Open-Source-Projekte vor.
(Quelle: Evgeni Tcherkasski / Unsplash)
Mehr und mehr Schweizer Behörden und Unternehmen geben Open Source Software frei, weil sie dadurch mehr Visibilität ihrer Kompetenzen, neue Business Opportunities oder auch eine erhöhte Attraktivität als Arbeitgeber erhalten. Gemäss dem OSS Benchmark, einer neuen Auswertung der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit der Uni Bern über Schweizer GitHub Repositories, veröffentlichen heute schon über 100 IT-Firmen, Bundesstellen, Kantone, Versicherungen und auch Banken eigene Anwendungen und Komponenten unter Open-Source-Lizenzen. Nachfolgend werden einige interessante heimische quelloffene Projekte vor­gestellt. Sie zeigen die Vielfalt von Open-Source-Innova­tionen von Behörden und IT-Anbietern.

Ki-Tax

Die Software Ki-Tax wurde für die Stadt Bern entwickelt. Die Lösung dient der Vergünstigung von Betreuungsgutscheinen für Kinderkrippenplätze und für die Anmeldung von Kindern bei Tagesschulen. Eltern können sich auf der Online-Plattform einloggen und dort entsprechende Vergünstigungen aufgrund ihrer Lebenssituation beantragen. Die Verwaltung nimmt diese Anträge entgegen und vergibt entsprechende Unterstützungsbeiträge. Die E-Government- Applikation basiert auf Java Enterprise Edition 7 und speichert die Daten in einer MariaDB-Datenbank, das Web-Front­end wurde mit Angular realisiert. Die Open-Source-Freigabe von Ki-Tax durch die Stadt Bern wurde erst nach dem Projektstart auf politischem Weg erzwungen, wodurch der IT-Anbieter DV Bern Open Source Neuland betreten musste. Inzwischen hat das Unternehmen die Business-Vorteile von Open Source erkannt, sodass man nun mit kitAdmin selber einen Cloud-Service basierend auf Ki-Tax anbietet. Der Kanton Bern hat zur flächendeckenden Einführung von Betreuungsgutscheinen die Applikation weiterentwickelt und stellt sie nun allen Gemeinden des Kantons unter dem Namen kiBon als Software as a Service zur Verfügung. Diverse Gemeinden konnten seither eigene Erweiterungen in der mandantenfähigen Anwendung umsetzen.

Hitobito

Hitobito ist eine webbasierte Adress- und Event-Verwaltungs-Software, die für Mailings, Rechnungsstellungen, Spendenempfang und andere Adressanwendungen verwendet werden kann. Die offene Architektur ermöglicht die einfache Anbindung von Drittlösungen an die Kernfunktionen und die Umsetzung von individuellen Erweiterungen. Die Open-Source-Plattform Hitobito stellt damit eine umfassende Lösung für die Mitgliederverwaltung und Kursadministration von Verbänden, Vereinen und anderen Organisationen dar. Entwickelt wird Hitobito durch den Berner Open-Source-Anbieter Puzzle ITC, basierend auf Ruby on Rails. Mit Zehntausenden von Adressen steht Hitobito unter anderem bei der Pfadi Schweiz, bei Jungwacht Blauring, bei der Grünliberalen Partei Schweiz und bald auch bei der Mitte-Partei im Einsatz.

Parcandi, Appuio und Caluma

Parcandi

Parcandi ist eine mobile Web-Anwendung für das Smart Parking mit dem Ziel, einfach einen Parkplatz zu finden, zu reservieren und danach die anfallenden Gebühren online zu bezahlen. So werden aktuell mehrere Dutzend Parkplätze im Zentrum sowie rund um Basel, St. Gallen und Zürich relativ günstig vermietet. Dieses Pilotprojekt von der Baloise Wohnbauten wurde im Rahmen des internen Innovationsprogramms der Baloise Versicherung als «Minimum Viable Product» (MVP) entwickelt und ist auf GitHub veröffentlicht. Das Web-Frontend basiert auf dem Open Source Java­Script Web-Framework Vue.js und das Backend ist auf Node.js aufgebaut. Nun soll sich aufgrund der Kunden-Feedbacks zeigen, inwieweit das Angebot auf Interesse stösst sowie genutzt wird und die Plattform entsprechend weiterentwickelt werden kann.

Appuio

Appuio ist eine Schweizer Container-Plattform, die im Umfeld von Cloud-Computing-Anbietern zum Einsatz kommt. Die Platform-as-a-Service-Open-Source- Lösung ermöglicht den Aufbau und den Betrieb von Cloud-Komponenten wie Docker, Kubernetes, Open­Shift und Rancher. DevOps können so einfacher Backups, Monitoring, Logging, Build-Prozesse und die ganze Continuous Integration/Continuous Delivery (CI/CD) betreiben. So wird die komplexe Container-Technologie besser auf die Applikationsentwicklung ausgerichtet. Hinter Appuio stehen die zwei Schweizer IT-Unternehmen Puzzle ITC und VSHN, welche die Software auch als Cloud-Service anbieten.

Caluma

Caluma ist eine Open-Source-Lösung für das Formular- und Workflow-Management. Initiiert und laufend weiterentwickelt wurde die Software vom Unternehmen Adfinis. Ursprünglich für den Einsatz bei Bau­gesuchsprozessen des Kantons Bern konzipiert, wird die Anwendung unterdessen auch bei weiteren Kantonen, Verbänden und anderen Organisationen ein­gesetzt, um Formularprozesse einfach zu digitalisieren. Caluma ist eine in den Programmiersprachen Python und JavaScript entwickelte Webanwendung und bietet eine benutzerfreundliche Möglichkeit, eigene Formulare und Abläufe zu erstellen und mit entsprechenden Berechtigungen zu konfigurieren.
Mitte Juni wurden übrigens die Resultate der Open Source Studie 2021 veröffentlicht. Die Studie bietet unter anderem Einblicke, wo quelloffene Software aktuell besonders gerne eingesetzt wird. Mehr zu den Ergebnissen erfahren Sie hier.
Zum Autor
Matthias Stürmer
leitet die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit an der Uni Bern.



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