Cloud und Business 03.05.2019, 23:53 Uhr

Oracles grösste Herausforderungen

Der Software-Konzern Oracle steht vor dem Wandel von einer Produkte-Firma zu einem Services-Anbieter. Die Cloud-Transformation ist jedoch nicht die einzige Herausforderung.
Oracle-CEO Mark Hurd will seine Kunden für den Wechsel in die Cloud gewinnen
(Quelle: Oracle)
Oracles Schweizer Country Leader Hanspeter Kipfer konstatierte vor gut anderthalb Jahren im Interview mit Computerworld, eine der grössten Herausforderungen für ihn sei die Brand Awareness. Sein Unternehmen werde noch nicht als das wahrgenommen, was es heute tatsächlich ist. Der Konzern verdient in der Schweiz und global viel Geld mit Datenbanken und Backend-Lösungen. Mittlerweile positioniert sich Oracle als Cloud-Anbieter – und weist laut dem Marktforschungsunternehmen IDC tatsächlich hohe Wachstumsraten auf. Was allerdings auch mit der Milliarden-Akquisition des Cloud-Anbieters NetSuite zusammenhängt. An den «Media Days» am Hauptsitz im kalifornischen Redwood City erklärte Oracle, wie das Unternehmen die Herausforderungen der IT-Industrie meistern will.

On-Premises und die Cloud

Der Weg so gut wie aller Software-Unternehmen führt früher oder später in die Cloud. Damit einher geht der Wandel von einem Produkte- zu einem Services-Anbieter. Nach Zahlen des Marktforschers Gartner übertrifft der Gesamtumsatz mit Cloud im laufenden Jahr erstmals den mit Business-Software. Vorhergesagten 214,3 Milliarden mit Miet-Software stehen 209,4 Milliarden US-Dollar mit lokal installierten Programmen gegenüber. Im Vorjahr waren es 182,4 zu 192,4 Milliarden US-Dollar, so Gartner.
Der an den «Media Days» telefonisch zugeschaltete Oracle-CEO Mark Hurd nannte als eine Herausforderung für sein Unternehmen, die bestehenden Kunden für die Migration in die Cloud zu motivieren. Er kalkulierte damit, dass Oracle allein damit seine Umsätze mit Applikationen verdoppeln könnte. Am Rande des Anlasses wurde bekannt, dass Oracle sich explizit für Schweizer Kunden ein gutes Argument für die Cloud-Migration zurechtgelegt hat: Der Konzern will eigene Rechenzentren eröffnen, um auch Unternehmen aus den regulierten Branchen wie Finanzindustrie und Pharma die Datenhaltung im Inland garantieren zu können.

Hauptsächlich Technologie-Lieferant

An dem Anlass vor Ort war die Analystin Rebecca Wettemann von Nucleus Research. Nach der grössten Herausforderung für Oracle befragt, sagte sie: «Oracle muss sich vom Technologie-Lieferanten zum Business-Treiber wandeln.» Das Unternehmen werde noch zu häufig allein mit den IT-Infrastrukturen im Back Office assoziiert. Datenbanken, Exadata-Maschinen, Java-Umgebungen und auch NetSuite-Software bildeten zwar bei vielen Kunden die Grundlage für das Geschäft. Sie sind im Geschäft aber selten bestimmenden oder auch nur sichtbar.
Edward Screven von Oracle betonte die grosse Wichtigkeit der Absicherung von Cloud-Lösungen
Quelle: Oracle
Läuft allerdings etwas schief, stehen die Oracle-Administratoren genau wie alle anderen IT-Verantwortlichen im Mittelpunkt der Kritik – auch aus dem Business. «Wenn der Administrator heute einen Fehler macht, verliert er und schlimmstenfalls auch der CEO seinen Job», sagte Edward Screven, Chief Corporate Architect von Oracle. Deshalb habe die Sicherheit der Kundendaten – On-Premises wie auch in der Cloud – die höchste Priorität für Oracle.
Oracles Neil Sholay ersetzt bei der Hotelgruppe Meliá den Zimmerschlüssel durch einen Bluetooth-Badge
Quelle: Oracle
Gemeinsam mit Business-Analysten und Software-Architekten hat Oracles Neil Sholay ein Team für Anwenderprojekte im europäischen Raum geschaffen. Dort werden Kunden bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben unterstützt, sagte der Head of Digital. Das Ziel sei, neue Lösungen nicht innerhalb von Monaten, sondern eher von Wochen in ein Prototypen-Stadium zu bringen. Bei der spanischen Meliá Hotelgruppe sei das gelungen, sagte Sholay: In einigen Häusern können Hotelgäste mit einem Bluetooth-Beacon ihren Zimmertüren öffnen, Bademäntel ausleihen, im Restaurant das Nachtessen bezahlen und auch im Shopping-Center um die Ecke die Einkäufe erledigen. Die Idee zu dem Hotel-Badge stammte laut Sholay allerdings vom IT-Verantwortlichen der Meliá-Gruppe. Er hatte das Konzept in den Freizeitparks von Disney kennen- und schätzen gelernt.

SAP-Migration ohne Oracle

Bis anhin waren Oracle und SAP Rivalen und auch Partner. Geht es nach dem globalen Marktführer für ERP-Software, endet die Partnerschaft 2025. Dann läuft der Support für ECC 6.0 aus, das unter anderem auf Oracle-Datenbanken lief. Vom neuen S/4 Hana wird Oracle nicht mehr unterstützt. Der Datenbank-Konzern verliert damit per Stichtag Kunden, was CEO Hurd natürlich gar nicht passt. Entsprechend scharf warnte er am «Media Day» vor blindem Aktionismus, nur weil SAP die Anwender zur Migration nötige.
Mit S/4 Hana würden die Unternehmen den gleichen Workflow wie bis anhin bekommen, nur auf einer neuen Plattform, sagte Hurd. Dabei spielte er auf den oftmals bei der Migration fehlenden Geschäftsnutzen an, den SAP-Anwender auch in der Schweiz beklagen. Der Oracle-CEO rief die Anwenderunternehmen dazu auf, sich nach Alternativen zu SAP umzusehen. Dabei könnten sie unter anderem bei Oracle durchaus fündig werden, doppelte er nach.

Lizenzierung nach US-Verträgen

Wegen der Lizenzierung von Oracle-Technologien in virtuellen Umgebungen ist der Konzern seit Jahren mit europäischen Unternehmen im Clinch. Zwei neue Gutachten der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG) attestieren dem Konzern, dass die Wirksamkeit der auf amerikanischem Recht beruhenden Vertragswerke zu weiten Teilen nach europäischem Recht zweifelhaft ist. Bemängelt werden vor allem die fehlende schriftliche Dokumentation sowie der Verstoss gegen das Transparenzgebot. Auch das Recht auf eine nachträgliche Vergütung zweifeln die Kanzlei Bartsch Rechtsanwälte und das IT-Sachverständigenbüro Streitz Hoppen & Partner an.
Bis anhin kalkuliert Oracle die Lizenzpreise für seine Software in virtualisierten Umgebungen je nach Produkt unterschiedlich. Die x86-Umgebungen (Hyper-V, VMware, Xen) werden als «Soft-Partitioning» klassifiziert. Anstatt nur die tatsächlich laufenden virtuellen Maschinen zu berücksichtigen, müssen die Lösungen für den gesamten Server oder sogar Server-Park lizensiert werden. Hier formiert sich nun der Widerstand in der DOAG.

Prestigeprojekt SailGP

Oracle-Gründer Larry Ellison ist ein Förderer des Segelsports. Mit seinem Segelteam «BMW Oracle Racing» gewann er 2010 und 2013 den «America's Cup». Diese Erfolge soll nun das Team «United States» bei dem neuen, von Oracle unterstützten Segel-Event «SailGP» wiederholen. Die Regatten fanden und finden vor den Küsten von Australien (Sydney), USA (San Francisco und New York), Grossbritanien (Cowes) und Frankreich (Marseille) statt.
In der SailGP-Regatta fährt das von Oracle unterstützte Team «United States» bis anhin hinterher
Quelle: SailGP
An Bord der baugleichen Länder-Katamarane ist massenweise Technologie installiert. Rund 12'000 Sensoren liefern permanent Daten über die Boote und die äusseren Bedingungen. Über ein eigens installiertes LTE-Netzwerk werden die Daten in den Hafen übertragen und in einer Oracle-Datenbank gespeichert, sagte Warren Jones, technischer Direktor des Veranstalters SailGP. An den Computern im Bootsclub assistieren die Teamleiter und Datenanalysten während der Rennen der Crew bei der Optimierung der Törns.
Bis anhin fährt das Team «United States» den anderen Booten beim SailGP allerdings hinterher: Von den sechs Rennen in Sydney konnte nicht ein einziges gewonnen werden. Und auch bei den Vorbereitungstörns in der Bucht von San Francisco am Freitag mussten die Amerikaner den Japanern den Vortritt lassen. Am Wochenende werden die Segel gesetzt für sechs weitere Rennen: Dann kann das Team «United States» allenfalls mit Unterstützung von Oracle noch einen Heimsieg einfahren.



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