Moderne Arbeitswelten 28.06.2021, 06:34 Uhr

New Work erfordert ein New Office

Offene Bürolandschaften für den Gedankenaustausch  und Spielzimmer wie bei Google – das Büro von morgen soll inspirieren und die Mitarbeitenden sollen sich wohlfühlen.
Vorbei mit der Tristesse: Moderne  Büros wirken eher wie Wohn­zimmer, in denen sich Mitarbeitende sehr gerne aufhalten
(Quelle: Designfunktion)
Jede Laufmasche zerre an den Nerven. Jeder schlecht sitzende Rock werde zum Problem. So beschwerte sich bereits im September 1965 eine Sekretärin über das Grossraumbüro in der Verwaltung des ehemaligen Kaufhauskonzerns Horten. Der Artikel im «Spiegel» mit dem Titel «Schrei der Damen» zeigt eindrucksvoll, dass die Arbeitsumgebung schon immer einen grossen Einfluss auf die Mitarbeitenden ausgeübt hat. Und dass die heute weitverbreiteten grossen Büroräume bereits in den 1950er- und 1960er-Jahren kontrovers diskutiert wurden.
Heute sehen Büros anders aus als vor 60 oder 70 Jahren. Es sind zum Beispiel helle, offene und flexible Bürolandschaften mit geräumigen Lounges für den Gedankenaustausch entstanden, wo auch moderne Kunst ihren Platz hat. In der vor wenigen Jahren neu eröffneten Siemens-Zentrale in München etwa erinnert nur wenig daran, dass die 1200 Mitarbeitenden bei einem gut 150 Jahre alten Traditionskonzern arbeiten. Zwar sind die Büros von Siemens weit entfernt von den bekannten bunten Google-Offices oder den Büros manch eines Start-ups, aber sie zeigen einen deutlichen Trend in der Arbeitswelt: Vorbei sind die Zeiten der tristen grauen Räume mit langweiligen, unergonomischen Möbeln und dem ebenso grauen Standard-Filzteppichboden, der oft über Jahre hinweg einiges an Schmutz zu schlucken hatte.

Die Google-Rutsche ein alter Hut?

Sieht man sich die Büros von Google, Facebook & Co. an, dann wirken diese eher wie grosse Spielzimmer. Neben dem obligatorischen Kicker, ohne den heute kein Büro mehr auszukommen scheint, finden sich bei Start-ups und den grossen Internet-Firmen Rutschen zur Zwischendurch-Bespassung und sogar Räume, die, um zu inspirieren, aussehen wie Grossmutters Wohnzimmer von anno dazumal. «Derartige Raumdesigns sind sicherlich eine Variante der Arbeitsplatz- beziehungsweise Bürogestaltung», sagt Eckhard Gerber, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Gerber Architekten. «Aber sowohl der individualisierte, auf die persönlichen Bedürfnisse und Vorlieben ausgerichtete Arbeitsplatz wird bestehen bleiben, als auch flexible Arbeitsplätze im Teamverbund», ist er sich sicher.
“Spielzimmer wie bei Google sind ein Trend der frühen 2000er-Jahre, als daran geglaubt wurde, dass sich Arbeitsplätze als ‹Playground› und unbedingt anders als der Mainstream darstellen müssen„
Klaus de Winder, de Winder Architekten
Auch Klaus de Winder, geschäftsführender Gesellschafter bei de Winder Architekten, glaubt nicht, dass solche Raumkonzepte in die Zukunft weisen. Er hält sie vielmehr für einen Trend der frühen 2000er-Jahre, «als daran geglaubt wurde, dass sich Arbeitsplätze als ‹Playground› und unbedingt anders als der Mainstream darstellen müssen». Diese Lösungen waren seiner Wahrnehmung nach weniger für die Mitarbeitenden als für die Aussenwirkung gedacht. Eine echte Identifikation finde dadurch nicht statt. «Die Spielzimmer waren sicherlich ein wichtiger Impuls, anders über Arbeitsmöglichkeiten nachzudenken», erklärt de Winder, sie bildeten aber nicht die Arbeitsplätze der Zukunft ab.



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