Telekommunikation 24.03.2022, 14:05 Uhr

Internet-Grundversorgung: Furcht vor Zwei-Klassen-Gesellschaft

Alle Einwohner der Schweiz sollen 2024 Zugang zu schnellem Breitband-Internet haben. Hierzu herrscht Einigkeit. Über das «Wie» wird in Bern aber noch heftig gestritten.
Nicht nur in städtischen Gebieten soll es schnelle Internetverbindungen geben
(Quelle: Swisscom)
Ab 2024 sollen nach dem Willen des Bundesrats alle Menschen in der Schweiz Zugang zu leistungsfähigerem Breitband-Internet haben. Das stösst auf Anklang. Das «Wie» ist hingegen umstritten. Im Raum hängt die Befürchtung einer digitalen Zwei-Klassen-Gesellschaft. Zweifel weckt auch die entfallende Versorgungspflicht bei bestehendem Angebot. 
Gemäss der vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickten Revision der Verordnung über die Fernmeldedienste sollen Haushalte auch in Randregionen ab 2024 über einen Internetanschluss mit einer Datenübertragungsgeschwindigkeit von 80 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) verfügen. Heute sind es 10 Mbit/s. 
Profitieren sollen Gebiete ohne Angebote, die auf der neuen Standardgeschwindigkeit basieren. Neu will der Bundesrat das Prinzip der Subsidiarität festschreiben: Wenn Telekomunternehmen bereits einen ausreichend schnellen Internet-Anschluss anbieten, soll das Grundversorgungsangebot entfallen. 
Das schnellere Angebot soll 60 Franken im Monat kosten. Wer mit dem Minimaltempo zufrieden ist, soll weiterhin 45 Franken für das Internet-Abo bezahlen. Die Revision ist technologieneutral; sie schreibt keinen Ausbau des Glasfasernetzes vor. 

Zwei-Klassen-Internet 

Die Vorschläge stossen in der am Freitag abgelaufenen Vernehmlassung auf ein geteiltes Echo. Namens der direkt betroffenen Randregionen schreibt die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), der entfallenden Versorgungspflicht bei einem bestehenden schnellen Internetanschluss könne sie zustimmen. 
Nicht goutieren kann die SAB aber die neue Unterteilung in zwei Tempo- und Preiskategorien. Das schaffe eine Zwei-Klassen-Grundversorgung, moniert die SAB. Die Grundversorgung müsse darum auf 80 Mbit/s für monatlich 45 Franken festgelegt werden. 
Die SVP lehnt die Revision ab. Sie belaste die Bürgerinnen und Bürger mit höheren Steuern, Gebühren und Abgaben. Indessen sei die Internetversorgung mit ausreichender Bandbreite wichtig. Mit einer Anforderung von 80 Mbit/s weiche der Bundesrat aber von der Idee einer Grundversorgung als Mindestangebot ab. 
Statt die Mehrkosten durch Mehrbelastung der Bürger abzufedern, sollten die Anbieter eher freiere Hand erhalten. Namentlich braucht es für die SVP eine drahtlose Versorgung. Mit dem Wegfall der Grundversorgungspflicht beim Bestehen eines Alternativanschlusses, dem Subsidiaritätsprinzip, ist die Partei einverstanden. 

SP befürchtet Erschliessungsverbot 

Der SP stösst hingegen besonders dieses Prinzip auf. Dieses komme bereits in mehreren Bereichen des Service Public zum Tragen. In der revidierten Verordnung mutiere es aber zu einem eigentlichen Erschliessungsverbot. Ein Anbieter dürfte demnach seine Dienste nicht ausbauen, wenn bereits ein ausreichender Anschluss besteht. 
Im weiteren geht die SP davon aus, dass ein grosser Teil der Neuerschliessungen mit drahtloser Technologie erfolgt. Damit ist für sie zentral, dass hier keine Hürden entstehen. Sie will darum von einer garantierten Übertragungsrate absehen, da diese technologiebedingt – etwa wegen des Wetters – nicht zu garantieren ist. 
Für die Mitte geht eine Zweiteilung in eine minimale Grundversorgung mit 10 Mbit/s und eine ausgebaute mit 80 Mbit/s nicht an. Die Grundversorgung dürfe keine Zwei-Klassen-Gesellschaft generieren. Ein flächendeckender Standard-Zugang mit 80 Mbit/s sei zwingend, wie sich gerade in der Covid-19-Pandemie gezeigt habe. 
Die Grünliberalen unterstützen das Subsidiaritätsprinzip, die Technologieneutralität und die Mindestvertragsdauer mit eventueller Kostenbeteiligung der Endkunden. Die FDP hat eine Fristverlängerung bis am 5. April beantragt. Die Grünen beteiligten sich nicht an der Vernehmlassung.



Das könnte Sie auch interessieren