14.02.2007, 09:47 Uhr
Umfragen leicht gemacht
Grafstat macht mit etwas Übung jeden zum Meinungsforscher. Mit dem Programm lassen sich problemlos kleine Befragungsprojekte durchführen. Eine kurze Einführung ist aber für Anfänger nötig.
Manfred Weise ist freier Journalist und Sozialwissenschaftler.
Mit der Windows-Software Grafstat lassen sich einfache Befragungen jeder Art durchführen. Der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Begriffe «Grafik und Statistik» zusammen. Ursprünglich nur an der westfälischen Universität Münster eingesetzt, werden Weiterentwicklung und Verteilung an Bildungseinrichtungen seit Jahren von der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt. Mit dem Ziel, den politischen und fachübergreifenden Unterricht zu fördern. Längst aber haben Hochschulen und Unternehmen auch aus der Schweiz das Programm für sich entdeckt.
Einfachheit als Stärke
«Eine Reihe von Hochschulen hat das Programm inzwischen in ihre Curricula für die statistische Grundausbildung aufgenommen», sagt Grafstat-Entwickler Uwe Diener. Denn herkömmliche Statistikprogramme wie der Platzhirsch SPSS (Statistical -Package for the Social Sciences) setzen für eine sinnvolle Nutzung nicht nur eine gründliche Ausbildung, sondern auch den ständigen Umgang damit voraus. Dagegen liegt die Stärke von Grafstat im einfachen und strukturierten Herangehen an ein Befragungsprojekt. Hierbei werden alle notwendigen Schritte unterstützt, von der Gestaltung der Fragebogen über die Daten-erfassung bis hin zur Auswertung und Verwaltung von Umfragen. Diese Bereiche lassen sich über das Hauptfenster der Software aufrufen.
Über die entsprechenden Funktionen können in einem ersten Schritt Fragen gestellt sowie Fragebogen gestaltet und ausgedruckt werden. Hierbei stehen verschiedene Fragetypen zur Verfügung: Einfachwahl (ja/nein), Mehrfachwahl (mehrere Antworten möglich), Skala (Vorgabe mit fester Reihenfolge, etwa Schulnoten), Masszahl oder frei (Befragter muss selbst eine Antwort eintragen). Über den Eintrag «Daten erfassen» werden die Ergebnisse erfasst und in einer so genannten Urliste abgelegt, welche sich im Excel-Format exportieren lässt. Mit einem Mausklick kann der Fragebogen auch Frage für Frage als Bildschirminterview angezeigt werden, um Antworten direkt einzugeben.
Für die grafische Darstellung einzelner Ergebnisse bietet das Programm ein breites Spektrum wie Kreis-, Säulen-, Stab-, Punkt-, Flächen- und -Linien-Diagramme. Über Kreuztabellen lassen sich ferner Zusammenhänge zwischen einzelnen Antworten herausschälen, wie etwa die Beziehung der Variable «Geschlecht» zum Taschengeld. Das erfordert etwas Übung im Umgang mit Grafstat. Schwierig wird es, wenn man bei einzelnen Fragen die Ausprägungen von Merkmalen zu neuen Gruppen oder Klassen verdichten will, was die Aussagekraft erhöhen kann. Weiter lassen sich Merkmale koppeln und Filter setzen.
Unter «Befragung verwalten» lassen sich Fragebogen zusammenführen, die mehrere Personen oder Teams parallel erfasst haben. An derselben Stelle findet sich ferner eine Funktion, welche die Gewichtung der Daten nach einem oder zwei Merkmalen erlaubt. Mit dem Zusatzmodul Graf-Show lassen sich gespeicherte Auswertungen zu einer Diaschau zusammenstellen. Die Erweiterung muss umständlicherweise als neues Programm gestartet werden, wie auch das Modul Graf-RTF, welches Formulare ins RTF-Format konvertiert.
Umfragen im Web
Grafstat kann auch HTML-Formulare für Internet-Umfragen generieren. Die Dokumente lassen sich auf einem beliebigen Webserver mit Perl oder PHP-Unterstützung ablegen. Die Befragung selber setzt dann aber die Anmeldung an einem so genannten Datensammelpunkt voraus. Dort werden die Antworten in einer Datei gesammelt, die dann ein autorisierter Benutzer abrufen und in Grafstat übernehmen kann. Für öffentliche Bildungseinrichtungen stehen solche Sammelpunkte bereit, für kommerzielle Umfragen muss eine Inter-Net-Lizenz von Graf-stat erworben werden. Damit lässt sich auf einem eigenen Webserver ein Datensammelpunkt einrichten.
Die kommerziellen Versionen von Grafstat werden von kleinen, mittleren und grossen Industriefirmen, Beratungshäusern, Banken, Forschungseinrichtungen und öffentlichen Verwaltungen genutzt, um einfache Umfragen selber durchzuführen. Das kommt auch aufgrund der einfachen Bedienung der Software oft günstiger, als externe Spezialisten mit der Durchführung zu betrauen. Laut dem Entwickler Diener wird das Programm im kommerziellen Segment «für Kundenbefragungen, Bedarfsermittlungen, Schulungs- und Lehrevaluationen, Produktebewertungen und Fragen der Öffentlichkeitsarbeit» verwendet.
Einführung nötig
Einen Pluspunkt kann Grafstat bei der Dokumentation verbuchen, die zum Teil von Anwendern stammt. Im Web finden sich eine Menge Seiten und Unterlagen, die grundlegende Funktionen beschreiben, aber auch Hinweise und Tipps zum Planen, Durchführen und Auswerten einer Umfrage liefern. Für den Bildungsbereich gibt es komplette Unterrichtseinheiten, in denen auch die statistischen Fachbegriffe erklärt werden. Solches zu lesen, ist Umfrage-Neulingen auf jeden Fall zu empfehlen. Was auch für Schüler gilt: «Für die Einführung von Schülern in Grafstat braucht es ein wenig Zeit. Weniger für das Programm als für Fragen und », sagt Hanspeter Erni, Lehrer an der Kantonsschule Beromünster und Dozent für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Luzern.
Nützliche Hilfen liefern auch mitgelieferte und in Grafstat abrufbare Umfragebeispiele. Sie behandeln Themen wie politische Wahlen, Medienkonsum, Freizeitverhalten, Praktika und das Bild der eigenen Schule in der Öffentlichkeit. Die Muster lassen sich für eigene Umfragen übernehmen, indem etwa Fragen gestrichen und eigene neue Punkte hinzugefügt werden.
Gute Unterstützung
Das Werkzeug Grafstat unterstützt auf einfache Art und Weise alle Phasen von kleinen und mittleren Umfragen, vom Erstellen der Fragebögen über die Datenerfassung bis hin zu den Auswertungen. Die Anwender -werden auch nicht durch unnötige Programmfunktionen verwirrt. Allenfalls können -erweiterte Auswertungen nach Klassen, Gruppen und ähnlichem Kopfzerbrechen verursachen. Eine andere Frage ist, ob Neulinge eine qualitativ hochstehende Befragung zustande bringen. Denn dazu gehört einiges Wissen an empirischer Umfrageforschung. Doch für viele Umfragen sind letzte Genauigkeiten und Details wohl gar nicht der Hauptzweck, obwohl Grafstat problemlos auch professionelle Befragungen bewerkstelligt.
Manfred Weise