21.12.2015, 14:55 Uhr

Tag Heuer Connected im Test

Mit einem Preis von 1400 Franken ist die Luxus-Smartwatch von Tag Heuer klar im Oberklassensegment angesiedelt. Computerworld hat die edle Uhr getestet.
Die Luxusuhrenschmiede Tag Heuer wagt den Einstieg ins Smartwatch-Geschäft mit einer smarten Uhr, die im Gegensatz zur 135 Franken günstigen Swatch-Computeruhr mit rund 1400 Franken zu Buche schlägt. Damit ist die Edeluhr mit Silicon-Valley-Technik bis zu zehnmal teurer als vergleichbare Wearables von LG und Motorola. Kann sie auch zehnmal mehr? Dazu hat sich die Uhrenschmiede aus La Chaux-de-Fonds nebst Google als Software-Partner erstmals Intel als Chip-Lieferant ins Boot geholt. Welche Ehre: Sogar Intels Chef betrat an der Vorstellung in New York die Bühne, um die Partnerschaft mit eigenen Worten zu unterstreichen. Klar: Auch Intel hat nach seinem verschlafenen Smartphone-Geschäft Beweggründe, zumal bisherige Smartwatches vorwiegend von Qualcomm-Chips dominiert werden. Die Rede war von bis zu 40 Stunden Akkulaufzeit, zu welcher der Atom-Z34xx-Chip beisteuern soll. Haben Tag Heuer und Intel mit diesem Chip soeben den «heiligen Gral» der Smartwatch-Ära gefunden? PCtipp hat die Schweizer Edel-Smartwatch während einiger Tage getestet. Unboxing Das smarte Schweizer Uhrenwerk aus der Westschweiz kommt in einem Apple-ähnlichen Kunststoffkubus. Im Lieferumfang enthalten sind eine magnetisch haftende Ladeschale und ein lederartiges Kunststoffarmband, das es in verschiedenen Farben gibt. Entfernt man das Luxus-Gadget erstmals von der Gummiballhalterung, überrascht das 52 Gramm leichte Gewicht der etwas wuchtigen, grossen Uhr mit einem Gehäusedurchmesser von 46 mm. Laut Tag Heuer hat man sich desselben Titanmaterials bedient, das auch in den «Carrera»-Modellen zum Einsatz kommt. Der daraus resultierende Tragekomfort ist durchaus angenehm. Man merkt, dass Schweizer Handwerkskunst dahintersteht. Armschweiss absorbiert die Unterseite zumindest nicht und kann sich nicht in den eingebuchteten Ladekontakten festsetzen. Die Lünette und die Krone, die in der Schweiz gefertigt wurden, sind präzise verarbeitet. Einmal über das Armgelenk gestülpt, reicht ein sanfter Druck auf die unterseitige Metallschnalle und die Uhr sitzt – oder eben doch nicht ganz. Leider fehlt die Möglichkeit, das Kautschuckband mühelos unter der Klammer zurückzustossen. Es ist aber anzunehmen, dass Tag Heuer als langjähriger Uhrenanbieter Kunden dabei sicher unterstützt, das Band anzupassen. Sehr schön: Die Uhr ist nach IP67 zertifiziert, das heisst: Schwimmen und Duschen können ihr nichts anhaben. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Installation + Bedienung Installation Die Inbetriebnahme via Android Wear ist denkbar simpel – auch für Smartwatch-Neulinge. Dazu ist lediglich die Installation der Android Wear App auf einem Handy mit mindestens Android 4.3 erforderlich. Die Kommunikation mit Android-Wear-Uhren funktioniert neuerdings auch mit einem iPhone mit mindestens iOS 8.2, allerdings ist dort der Funktionsumfang teils noch eingeschränkt. So kann es sein, dass Anrufs- und SMS-Interaktionen noch nicht über das iPhone funktionieren. Nach dem Pairing-Vorgang via Bluetooth benötigt die Uhr wie jede Smartwatch ein paar Minuten, um Inhalte wie Kalendereinträge und Daten Android-Wear-kompatibler Apps vom Smartphone zu synchronisieren. Tag-Heuer-Fans werden nach der Installation mit drei eigenen thematischen Ziffernblättern begrüsst, die an die Carrera-Kollektion angelehnt sind. Bei längerem Druck auf das Saphirglas oder über die Android-Wear-App kann man diese zusätzlich nach weissem, blauem oder schwarzem Hintergrundton justieren. Kommen wir zur Optik der neuen Android-Smartwatch mit Intel-Technik. Das Display ist beeindruckend scharf – mehr als scharf: Es überzeugt mit guter Durchleuchtungskraft und widersteht grellem Einfallslicht. Die Auflösung von 360 x 360 Pixeln liefert dazu mehr als genug Pixelschärfe. Dennoch gibts schon Uhren, wie die Huawei Watch, die das mit 400 x 400 Pixeln noch einen Tick schärfer können. Die Schattierungen der Zeiger sind sehr authentisch umgesetzt. Aussenstehende würden nicht erahnen, dass man eine Smartwatch trägt. Die Zeigeranzeige wirkt wie ein echtes Ziffernblatt. Im Wesentlichen zieren bei den Watch Faces (Ziffernblätter) drei Zeiger mit Datum oder auch ein GMT-Display mit zusätzlichem 24-Stunden-Zeiger das Display. Bedienung Was fehlt, sind Sensoren für Pulsmessung. An der Pressekonferenz in New York soll Biver gesagt haben: Man habe bewusst darauf verzichtet, weil man dem Stand der Entwicklung in dieser Hinsicht noch nicht traut. Fachleute hätten Tag Heuer versichert, dass diese je nach Hauttyp zu abweichenden Resultaten führen können. Dreht man das Armgelenk zu sich oder tippt man kurz aufs Display, leuchtet die Zeitanzeige auf. Ein Abdrehen in die entgegengesetzte Richtung oder ein Wisch nach oben bringt Google-Now-Informationen wie Wetter und Kalender hervor. Ein Wisch von oben nach unten öffnet Benachrichtigungen und Schnelleinstellungen. Streift man von rechts nach links, blättert man von oben nach unten durch die Apps. Um Strom zu sparen, lässt sich für den Standby-Betrieb auch eine vollständige Display-Abdunklung einstellen. Android Wear, wie mans kennt Für das zugrunde liegende Android Wear gibt es mittlerweile eine ganze Palette an Smartphone-Apps wie Shazam, Duolingo oder Glympse, die sich wie eigenständige Apps auf der Uhr bedienen oder mit deren Smartphone-Verwandtschaft synchronisieren lassen. Das klappt wie gewohnt. E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten können übers Uhren-Interface geöffnet werden. Für viele Apps zückt man aber nach wie vor das Smartphone. Etwa, um eine Google-Maps-Navigation zu starten. Vibrationen von eingehenden Alarmen und Wecksignale bekundet das smarte Uhrenwerk mittels sanftem Summen, das sich nie zu penetrant aufdrängt. Ein paar wenige Apps wie der Timer und die Stoppuhr wandern auf Wunsch auch als «Mini-Apps» in die klassischen Ziffernblätter, wenn man über die separate Tag Heuer App das anpassbare Watch Face wählt. Einzig schade: Tag Heuer und Google haben nicht viel aus der präzise reagierenden Krone gemacht. Sie ruft die Einstellungen auf oder weckt die Uhr aus dem Standby auf. Auf Benutzereingaben und auf OK-Google-Sprachbefehle reagieren Display und Mikrofon sehr schnell und genau. Jedenfalls gibts gegenüber anderen Smartwatches in dieser Hinsicht keine Nachteile. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Alleinstellungsmerkmale + Fazit Alleinstellungsmerkmale? Zwar betont Biver immer wieder, dass man sich nicht mit Apple vergleiche. Zu Recht auch: Mit den schönen Ziffernblättern und den verschiedenen Farbthemen verfolgt die Uhrenschmiede aus der Westschweiz einmal einen ganz anderen Aspekt: Die Schweizer Smartwatch will vor allem Uhr sein und sich so anfühlen wie eine Luxusuhr. Dennoch ist der Software-Umfang noch etwas dünn ausgefallen. Mehr Ziffernblätter werden laut Tag Heuer jedoch später über den Google Play Store erhältlich sein. Wahrscheinlich wird es erst mit weiteren Ziffernblättern zusätzliche Mini-Apps geben. Wenn sich das in Zukunft bewahrheitet, wäre das ganze Konzept sehr clever. Aber da muss erst noch was kommen. Akkulaufzeit Der Akku lädt sich innerhalb von 1,5 Stunden – das ist ordentlich. Mit einer Smartwatch-Akkulaufzeit ist es so eine Sache: Es kommt sehr darauf an, wie oft man tagsüber an der Uhr mit Apps herumspielt, und ob man ständig via Bluetooth ans Smartphone gekoppelt ist. Nach einem intensiven Smartwatch-Tag mit ständiger Bluetooth-Verbindung und vielen Interaktionen war die Uhr schon nach 9 Stunden bei einem Akkustand von ca. 32 Prozent angelangt. In einem anderen Szenario mit nur zwischenzeitlicher Bluetooth-Kopplung und seltenen App-Aufrufen war die Uhr etwa nach 12 Stunden bei 30 Prozent angelangt. Das ist durchaus beachtenswert, aber auch nicht überragend. Mit einer Apple Watch und anderen Android-Wear-Uhren hatte ich in dieser Hinsicht noch keine guten Erfahrungen gemacht. Bei der Apple Watch passierte es mir bei ständiger Bluetooth-Kopplung öfters, dass schon nach einem halben Tag Schluss war mit dem Vergnügen. Ein kleines Extra garantiert Tag Heuer noch obendrauf: Nach Ablauf der Garantiefrist lässt sich das Display gegen einen Aufpreis von Fr. 1500.- gegen eine mechanische Komponente auswechseln. Fazit Die Tag Heuer Connected ist mit Sicherheit die edelste und robusteste Android-Wear-Smartwatch, die wir je vor uns hatten, allerdings auch die teuerste.