Wetterlage bei der Cloud 17.10.2022, 06:12 Uhr

Pro Workload die geeignete Plattform

Nur den Technologie-Stack für ausgelagerte ICT aufrechtzuerhalten, reicht nicht mehr. Via Cloud werden der Wandel der ICT-Ansprüche und schlummernde Potenziale erschlossen.
Sägemehlringe sorgen dafür, dass die Schwinger fast so weich wie auf einer Wolke landen - hier Aeschbacher Matthias (r.) und Walther Adrian am Mittelländischen Schwingfest 2022 Bern
(Quelle: Keystone/Anthony Anex)
Die Versprechen der Cloud-Nutzung haben sich nicht verändert: Dezentral und flexibel sind die Stichworte für eine hoch skalierbare ICT-Nutzung zu niedrigen Kosten. Diese Feststellung kann aber nicht die rasant sich vollziehenden Umbrüche verdecken. Blosse Single-Cloud-Architekturen werden kaum mehr diskutiert.
Im Trend ist die Multi-Cloud-Nutzung inklusive der Erschliessung neuer Anwendungspotenziale. Kurz ­gesagt hat die Plattformökonomie auch in Sachen Cloud Einzug gehalten. Computerworld fragt im Rahmen seiner diesjährigen «Top 500»-Ausgabe bei den Cloud-Dienstleistern nach den jüngsten Entwicklungen und künftigen Perspektiven.

Technologie entwickelt sich rasant

Dass bisherige Cloud-Angebote nun optimiert werden, ist laut Felix Wolfensberger, der beim IT-Dienstleister UMB als CSO und Leiter Business Development & Sales amtet, den Themen «Innovation, Time to Market, Sicherheit, ­Skalierbarkeit sowie Customer Experience» geschuldet. Diese seien definitiv die Treiber dieser rasanten Entwicklung, die technologisch Hand in Hand gehe mit vielen neuen Möglichkeiten wie beispielsweise künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning, Auto Scaling oder App ­Modernization.
“Weil die meisten Unternehmen keinen Greenfield-Ansatz wählen, ist die bereits vorhandene Verzahnung der IT nicht zu unterschätzen„
Felix Wolfensberger, UMB
Was sich damit sukzessive in den Vordergrund schiebe, müsse schon heute von den Cloud-Anbietern angesprochen werden und reiche vom Multi-Cloud-Consulting über die Architektur und das ­Engineering bis hin zu den Managed-Services und ­Cyber-Defence-Lösungen. Dennoch spiele, weil die meisten Unternehmen ­keinen Greenfield-Ansatz wählen, die bestehende Infrastruktur und die gesamte IT-History eine zentrale Rolle, sagt ­Wolfensberger. Hier würde oft bereits die vorhandene ­Verzahnung der IT unterschätzt. In wenigen Sätzen hat der UMB-Mann drei Kernbereiche des laufenden Cloud-Wandels angesprochen: Technologie, Beratung und Integration.
Diese Aspekte ergänzt Wolfgang Kröner, CEO und ­Verwaltungsrat von all4cloud Schweiz, um die Standardisierung. Denn für ihn ist klar, dass der Nutzen von Cloud-Lösungen (und ­dabei allem voran Pu­blic-Cloud-Lösungen) für die Unternehmen darin besteht, dass sich die Services nahtlos in die be­stehende Systemlandschaft einzufügen haben: «Hierzu ­haben sich die meisten Anbieter, so auch SAP, bereits seit geraumer Zeit auf Integrations­szenarien eingerichtet.» Als wesentlich für das operative Geschäft beim Kunden sei «das klare Fokussieren auf Standardprozesse». Damit werde unter anderem eine sehr kurze «Time-to-Value» bei den Cloud-Anwendern erreicht und den Unternehmen gleichzeitig Skalierbarkeit ermöglicht. Kurz ­gesagt, ergänzt Kröner, führe der Plattformgedanke der Anbieter weiterhin dazu, dass Unternehmen «aus einem bunten Potpourri aus Standardfunktionen und -prozessen kontinuierlich weiter digitalisieren können, um flexibel im Markt zu agieren und zu reagieren».

Cloud-Anbieter sollen Klarheit schaffen

Zwar würden inzwischen viele Kunden erkennen, «dass sie dem im Markt herrschenden Druck nur dadurch sinnvoll begegnen können, indem sie industrielle Standards nutzen». Hier gilt laut Kröner, dass Anbieter wie Microsoft oder Amazon mit flexiblen Speichermodellen und virtualisierter Rechenleistung gute Angebote für grosse und mittlere Unternehmen haben und SAP bei internationalen Standards eine sehr belastbare und gleichzeitig skalierbare Prozessnorm liefert, an die sich sowohl Konzerne als auch KMU sehr gerne anlehnen.
“Eine Plattform ermöglicht, aus einem bunten Potpourri aus Standardfunktionen und -prozessen kontinuierlich weiter zu digitalisieren, um flexibel im Markt zu agiereen wie auch zu reagieren„
Wolfgang Kröner, all4cloud Schweiz
Dennoch werde oft kaum eine bewusste Differenzierung zwischen Private und ­Public Clouds vorgenommen, warnt Kröner. Hier seien die Anbieter von Cloud-Services gefordert, für Klarheit zu sorgen. Dies gilt vor ­allem, weil im Markt «etliche Anbieter lediglich das herkömmliche Hosting als Cloud anbieten und den Interessenten nur einen an und für sich alten Wein in neuen Schläuchen anpreisen». So könnten die tatsächlichen Poten­ziale der Public Cloud nur selten ­ge­hoben werden.

Flexibilität löst dedizierte Welt ab

Laut Inventx-CEO Pascal Keller steht hinter dieser Diagnose die Problematik, dass die IT mehr und mehr zur Business-Transformation beitragen muss. Deshalb spielen «selbst im Compliance- und sicherheitsbewussten Finanzmarkt­umfeld Cloud-Lösungen eine zunehmend grössere Rolle», streicht er he­raus. Nur die Cloud könne «die für digitale Innovationen nötigen flexiblen Ressourcen bieten», bringt er die Ansprüche im Schweizer Finanzmarkt auf den Punkt. Noch würden viele Work­loads der von Inventx ­adressierten Banken- und Ver­sicherungsbranche auf ­einer dedizierten Infrastruktur laufen, doch der Wandel sei bereits in vollem Gange:
«Ein stark wachsender Teil ist bereits in Private oder Community Clouds wie un­serer rein schweizerisch kontrollierten ix.Cloud», sagt Keller. Doch das sei nicht alles:
Die Finanzindustrie wolle auch «vermehrt die Fähigkeiten von Public Clouds zum Beispiel bei Data Analytics und Machine Learning nutzen». Man wolle in der Lage sein, «pro Workload zu entscheiden, welches die geeignetste Plattform ist – ­Public oder ­Private Cloud». Es gehe eben nicht darum, «einfach ­hybrid» arbeiten zu können, sondern um einen Multi-Cloud-Ansatz mit einer echten Auswahl auch ­zwischen mehreren Public Clouds, die mit der Private Cloud kombiniert werden können.
“Auch die Finanzindustrie will vermehrt die Fähigkeiten von Public Clouds zum Beispiel bei Data Analytics und Machine Learning nutzen„
Pascal Keller, Inventx
Für Alain Badoux, der das Schweiz-Geschäft von ­Ser­viceNow verantwortet, sind die hier angesprochenen ­Novitäten gleichsam schon Alltag: «Ich glaube, es ist selbst­verständlich, dass Cloud-Anwendungen die Möglichkeiten von KI, Virtual Agent, Collaboration oder auch Predictive Analytics bieten müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben und um sich überhaupt Plattform nennen zu dürfen.» SaaS und aPaaS (Application Platform as a Service) werde heute als Konzept für neue oder zu ersetzende Applika­tionen kaum mehr infrage gestellt, schiebt er nach
Es gehe darum, «aufzuzeigen, was mit einer solchen SaaS/PaaS-Lösung alles möglich ist, um entsprechende Skalen-­Effekte zu erzielen und letztlich agiler, kostengünstiger und effizienter zu werden». Bei solchen Diskussionen sei man dann schnell bei den Themen Citizen Development und Low-Code- respektive No-Code-Applikationen, die derzeit stark nachgefragt werden. ServiceNow erarbeite dafür ent­sprechende zukunftsträchtige Konzepte, sagt Badoux.
Doch bei all diesen Innovationen, bleibe beim SaaS-Bezug die Integration in bestehende IT-Landschaften von grosser Bedeutung: «Nicht alles und alle Applikationen werden auf einen Schlag in die Cloud verschoben» und man «muss Antworten haben und entsprechende Möglichkeiten aufzeigen, wie die bestehende IT-Landschaft, aber auch andere Cloud-Infrastrukturen oder Cloud-­Applikationen effizient eingebunden werden können».
“Es ist selbstverständlich, dass Cloud-Anwendungen die Möglichkeiten von KI, Virtual Agent, Collaboration oder auch Predictive Analytics bieten müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben und um sich überhaupt Plattform nennen zu dürfen„
Alain Badoux, ServciceNow
Andere Fragen betreffen Probleme wie ESG (Environmental Social Governance) oder CSR (Corporate Social Responsibility), die ServiceNow intern wie auch seitens der Kundschaft zu lösen sind. Man brauche Antworten auf die Frage, «wie können wir unsere Kunden unterstützen, die Daten, Reports und Workflows auf einer Cloud-Plattform effi­-zient umzusetzen. Gleiches gilt für die Lieferantenkette», so Badoux. Zu beachten sei dabei, dass Unter­nehmen derzeit ganze Lieferketten neu beurteilen oder umbauen und somit auch neue Anforderungen an das ­Management der Lieferketten und die entsprechende IT-Unterstützung stellen. «Da sind Workflows gefragt, die über verschiedene vorhandene IT-Systeme und Applikationen hinweg funktionieren und entsprechenden Einblick in die Lieferketten geben.» Auch gehe es hier wie immer bei der Cloud ­darum, «schnell Verbesserungen, Effizienzsteigerungen sowie ­Flexibilität anstossen zu können».

Nicht alles ist Cloud-nativ konzipiert

Während ServiceNow schon in der Plattformwelt unterwegs ist, sieht das bei KMU etwas anders aus. Diese ­fragen beim Cloud- und Hosting-Spezialisten EveryWare ­derzeit insbesondere Modern-Workplace-Lösungen nach, so CEO Kurt Ris. Bezogen würden meist hybride Modelle, bei denen «globale Public-Cloud-Services mit eigenen ­Data-Center-, Netzwerk- und Private-Cloud-Plattformen kombiniert werden».
“Für Teile einer bestehenden IT-Landschaft kann es im Kontext des jeweiligen Unternehmenszwecks strategisch sinnvoll sein, diese nicht aus einer Public Cloud heraus zu betreiben„
Kurt Ris, EveryWare
Dabei betont Ris beim Cloud-Einsatz die Integration in die bestehende IT. Je nach Applika­tions­landschaft und Unternehmenstyp komme dieser eine sehr grosse Bedeutung zu. Eine Core-Trading-Plattform, die seit Jahren spezialisiert entwickelt wurde und mit hochsen­sitiven Daten in Echtzeit jongliert, könne man nicht «mal eben so in die Public Cloud stellen», ­illustriert er die ­He­rausforderung.
Nicht alles sei Cloud-nativ konzipiert. Für Teile einer bestehenden IT-Landschaft könne es im Kontext des Unternehmenszwecks strategisch sinnvoll sein, diese nicht aus einer Public Cloud heraus zu betreiben, plädiert er für einen differenzierten Blick. Public-Cloud-­Services seien eben meist standardisierte Services mit ­einem definierten, fixen Funktionsumfang und ein­geschränktem Customizing. Technisch sei mittlerweile ­vieles umsetzbar und für eine breite Zielgruppe verfügbar, wenn auch teils nur ­vermeintlich: «Der Teufel steckt im ­Detail», so Ris. Es sei eben abzuwägen, was optimal passe.
Quelle: ICT Analytics (2021: n = 270, 202: n = 310) Computerworld Top 500/2022
Doch auch Thomas Reitze, Geschäftsführer von T-Systems Schweiz und Channel-Chef Alpine-Region, meint, dass im digitalen Zeitalter noch vieles von der Cloud-Reife in den Unternehmen abhängig sei.
Unstrittig bestehe ein Trend hin zu Multi Clouds, wobei «mehrere Public Clouds parallel im Unternehmen koexistieren und entsprechend im Zusammenspiel der Gesamtinfrastruktur orchestriert ­werden müssen». T-Systems arbeite dazu mit zahlreichen Partnern zusammen, beherrsche beispielsweise die Multi-Cloud-Orchestrierung für sämtliche Hyperscaler, kooperiere zudem auch mit spezialisierten Anbietern von Tools für digitale Identitäten oder solchen, die auf Big-Data-Analytics oder KI as a Service spezialisiert sind.
“Wir nähern uns Schritt für Schritt dem Ziel, dass die für digitale Geschäftsprozesse benötigten IT-Dienstleistungen zur Laufzeit in der richtigen Grösse am richtigen Ort in 'no time' zur Verfügung stehen„
Thomas Reitze, T-Systems Schweiz
«Wir nähern uns Schritt für Schritt dem Ziel, dass die für digitale Geschäftsprozesse benötigten IT-Dienstleistungen zur Laufzeit in der richtigen Grösse am richtigen Ort in ‹no time› zur Verfügung stehen», so Reitze. Die Cloud sei dafür wesentlich und für die dort «laufende Software gilt zunehmend ein Cloud-agnostischer Ansatz, damit Anwendungen und Workloads nahtlos zwischen verschiedenen Plattformen verschoben werden können». Für ­entsprechend entkoppelte Services sei die Auto­matisierung der Schlüssel, gehe sie doch ­einher mit der Standardisierung und mit einer Vielzahl von State-of-the-Art-Konzepten wie beispielsweise GitOps, API-Management, Self-Services oder Everything as a Code. Im «Digital Age» gehe es eben nicht mehr nur darum, schnell und sicher zu mehr Ressourcen zu kommen. Man wolle aus Daten Informa­tionen gewinnen, um neue Geschäfts­applikationen oder gar Geschäftsmodelle zu etablieren, so der T-Systems-Mann.

Cloud ist zwar commodity, aber nicht jeder ist Cloud-ready

Allerdings ist das alles nicht unbedingt neu. Der Plattformgedanke habe nicht erst jüngst im Markt Fuss gefasst, betont Florian Köppli, der die Schweizer Nieder­lassung von Nutanix verantwortet. Schon vor über einem Jahrzehnt habe man mit HCI begonnen und einen hyperkonvergenten Stack gebaut, den Hypervisor integriert und danach die Netzwerk-Mikrosegmentierung sowie die KI-unterstützte Betriebsverwaltung.
So habe man heute eine Plattform, die alle Typen von Storage unterstützt (Block, Files, Objects) sowie DBaaS und integriertes Kubernetes anbietet. Laut Köppli existieren «ganze Blueprints von ­Applikationen in einem Marketplace», die in den Business-Units als Selfservice-Angebote abgerufen werden können. Nur bis es so weit sei, würden in fast allen Fällen die Unternehmen durch verschiedene Phasen gehen: ­«Zuerst die Infrastrukturmodernisierung, dann der Aufbau einer Private Cloud und schlussendlich eventuell die Public-Cloud- oder Multi-Cloud-Phase.» Wichtig sei dabei, niemanden in eine Ecke zu drängen: «Wir lassen dem ­Kunden die Wahl seiner Hardware, seines Hyper­visors, sind ­offen gegenüber Drittanbietern und funk­tionieren auch als Brücke in die Public Cloud.»
“Besonders für Software- und Technologieunternehmen, aber auch für alle anderen Schweizer KMU, ist die gleichzeitige Nutzung mehrerer Clouds - Multi Cloud - nicht mehr wegzudenken„
Max Wellenhofer
Es verwundert daher nicht, wenn Max Wellenhofer, Senior Business Development Manager bei Cyberlink, erklärt, dass die Private Cloud mit IaaS respektive PaaS und Express Routes als Dreh- und Angelpunkt eines breiten Serviceportfolios an erster Stelle stehe. «Besonders für Software- und Technologieunternehmen, aber auch für alle anderen Schweizer KMU, ist die gleichzeitige Nutzung mehrerer Clouds nicht mehr wegzudenken.» Dabei werden nicht selten Standortvernetzung und Private-Cloud-Services kombiniert, fügt er an, zumal hier die Vorteile offensichtlich seien: «Ein privates Netzwerk mit privater Cloud ­bietet inhärente Sicherheit und Cyberlink zeichnet sich dabei für beide Bereiche verantwortlich. Diskus­sionen über Verantwortungsbereiche gibt es nicht.»
Generell habe sich die Cloud-Nutzung als Commodity etabliert und technisch nehmen auch Anfragen für Services wie DBaaS, CaaS oder VDI zu, sind aber im Schweizer KMU-Markt noch am Wachsen. Diskrepanzen ergeben sich laut Wellen­hofer, weil einerseits einfach zu konsu­mie­rende Services er­wünscht sind, aber auf der anderen Seite eine indivi­duelle Cloud-Strategie erwartet wird.
«Das ist ein Spagat, den wir durch Aufklärung und ein­fache Kommunikation technischer Komplexitäten ver­suchen zu entspannen.» Eine wichtige Aufgabe sei das, auch wenn der Corporate-Markt heute gerne suggeriere, dass inzwischen alles ganz einfach als SaaS zu beziehen sei. Der Ansatz hinke in der Realität bezüglich Compliance und technischer Limita­tionen oft stark hinterher. Die meisten KMU erfüllen nämlich nicht die technischen ­Voraussetzungen für eine einfache Transition in die Cloud, sondern bedürfen entweder umfassender Aufklärung oder zumindest technischer ­Vorbereitungsmassnahmen ihrer bestehenden IT-Landschaft, um überhaupt erst «Cloud-ready» zu werden, so der Cyberlink-Mann.



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