«Man kann auch von der Schweiz aus die Welt erobern»

Wie Start-ups von Innosuisse gefördert werden

Auf der anderen Seite erfährt die Schweiz einen Start-up-Boom. Hochschulen und Initiativen der Privatwirtschaft eröffnen Inkubatoren und veranstalten Gründerwochenenden mit dem Ziel, Innovationen zu fördern und zu vermarkten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Allein im vergangenen Jahr wurden gut 43'000 Unternehmen ins Handelsregister eingetragen. Das sind über fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Mittlerweile existiert ein ganzes Start-up-Ökosystem mit Institutionen, die sich dafür engagieren, das Interesse am Unternehmertum zu wecken, und die nötige Unterstützung hierfür bieten. Wenn man sich das Crypto Valley im Raum Zug ansieht, zeigt sich, wie viel momentan passiert. Gemäss der Plattform startups.ch kletterte die Zahl der Gründungen im Crypto Valley letztes Jahr um fast ein Fünftel.
«Wir müssen die Lust auf das Unternehmertum stärken.»
Quelle: Werner Rolli
Damit kommen gut fünf Prozent aller neu gegründeten Firmen in der Schweiz aus dem Raum Zug. An einer Veranstaltung hiess es jüngst, dass es in der Schweiz rund 600 Start-ups gibt, die auf Basis der Blockchain-Technik neuartige Lösungen entwickeln. Da geht richtig was! So etwas gab es früher nicht. Für Innosuisse sind natürlich nur jene Start-ups interessant, die auch im Bereich wissenschaftsbasierte Innovationen tätig sind. Aber auch hier läuft einiges. In der ersten Hälfte dieses Jahres befanden sich gut 200 Start-ups in einem Innosuisse Coaching, rund 140 bewarben sich um eines. Wenn wir die Nachfrage nach Coachings und den entsprechenden Dealflow betrachten, sehen wir, dass unsere Anstrengungen Früchte tragen. Es sind überdies auch häufig Beispiele für Studierende, die das Abenteuer Unternehmertum wagen und ausprobieren.
Es gibt Fachleute, die sagen, wir bräuchten noch viel mehr Start-ups hierzulande, um international mithalten zu können.
Es gibt sicher in einigen Bereichen Optimierungspotenzial bei den Rahmenbedingungen für Jungunternehmen. Zum Beispiel sind Steuerfragen für Jungunternehmen von zentraler Bedeutung. Die Politik hat sich aber mittlerweile diesen hochkomplexen Fragen angenommen.
In welchen Bereichen sehen Sie sonst noch Nachholbedarf?
Firmengründungen sind in der Schweiz noch sehr aufwendig und zeitintensiv. Und obwohl Investitionen stetig zunehmen, ist die Aufnahme von Wachstumskapital für Schweizer Unternehmen immer noch relativ schwierig.
Was halten Sie von der von Bundesrat Johann Schneider-Ammann ins Leben gerufenen Swiss Entrepreneurs Foundation?
Das Kapital für den Anfang kann man noch leicht auftreiben. Aber ab der zweiten Finanzierungsrunde wird es für Jungunternehmer schon schwieriger. Deshalb sind solche Angebote wichtig und ich hoffe, dass der Fonds bald operativ wird und erste Unterstützung leistet. Das Kapital ist hierzulande eigentlich vorhanden. Was fehlt, ist eine Kultur, dieses auch in Form von Venture Capital zu investieren. Hier benötigen wir auch einen Kulturwandel. Es braucht einen grundsätzlichen Willen von Investoren, Risikokapital bereitzustellen.
Eine weitere «Herausforderung» sind attraktive Jobangebote etablierter Firmen. Wie kann man da das Interesse an der Unternehmensgründung fördern?
Wir sind eine wohlhabende Gesellschaft. Es geht uns sehr gut und es gibt viele valable Job-Angebote. Daher ist es nicht selbstverständlich, dass sich junge Leute ins Abenteuer Start-up stürzen wollen. Hier müssen wir ansetzen und versuchen, die Lust auf das Unternehmertum zu stärken. Einen Beitrag, den wir dazu leisten, ist unser Sensibilisierungsprogramm. Hierzu zählen etwa Trainings mit Partnern an Hochschulen, an denen wir Studierende auf die Gründung eines eigenen Unternehmens ansprechen. Vielleicht muss man das Thema aber bereits auf der Gymnasialstufe ansprechen und bereits Schüler dafür begeistern. Hier gibt es noch viel Potenzial. Denn Start-ups sind im Kontext der digitalen Transformation von strategischer Bedeutung. Ich glaube, dass auch aufgrund der Digitalisierung und der dadurch einfachen Verfügbarkeit digitaler Technik mehr disruptive Produkte von Start-ups kommen als von etablierten Unternehmen. Das hilft etwa im Life-Sciences-Sektor, wo grosse Unternehmen durch Übernahmen von Start-ups die Produkte-Pipelines mit innovativen Produkten stärken können.
Hemmt das nicht die Entwicklung von Innovation, wenn die Grossen einfach die Kleinen schlucken?
Nicht in jedem Fall. Das kann durchaus eine Win-win-Situation sein. Insbesondere in den Life Sciences, wo es schwierig ist, ein Produkt bis zur Marktreife zu führen und den Vertrieb zu stemmen. Hier ist es für beide Seiten von Nutzen, wenn ein Start-up mit einem starken Partner Hand in Hand vorangehen kann. Es wäre aber falsch, wenn der Eindruck entstünde, dass wir als Förderer von Start-ups einfach das Futter für die Grossindustrie produzieren. Gerade in Fällen, in denen ein Unternehmen aus sich heraus wachsen kann, ist es schade, wenn ein Exit zu früh passiert und die Firma an einen Grossen verkauft wird.
Reichen die momentanen Gründungen, um die Schweiz im Ranking der innovativsten Länder an der Spitze zu halten?
Es ist sicher ein Effort nötig. Durch die digitale Transformation schreitet die Entwicklung rasant voran. Hinzu kommen die bereits erwähnten rückläufigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den Unternehmen. Wir stellen überdies immer wieder fest, dass Neuheiten zwar für die entwickelnde Firma selbst einen Mehrwert schafft, aber noch keine Innovationen sind, die den Gesamtmarkt oder gar die Gesellschaft verändern und voranbringen. Hier müssen wir unser Potenzial noch viel stärker nutzen, in Anbetracht der hohen Qualität der Forschung an unseren Hochschulen. So dass wir als Schweiz sicherstellen können, dass wir hochinnovativ bleiben.
Es ist in diesem Zusammenhang auffallend, dass beim Thema Innovation an Hochschulen meist von der ETHZ und der EPFL gesprochen wird, während von den zahlreichen Fachhochschulen, die eine hohe Praxisaffinität aufweisen und die mit der Wirtschaft kooperieren, weniger zu hören ist. Wie erklären Sie sich das?
Ein Grund ist, dass Fachhochschulen oft ein Mittelbau fehlt. Die Studierenden treten nach ihrem Studium meist in Unternehmen ein. Es fehlen Strukturen für Absolventen, die zunächst an den Fachhochschulen weiter forschen und Produkte entwickeln, die man dann zur Marktreife führen könnte. Es wäre schön, wenn dort vermehrt Spin-offs entstünden. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Auch an den Fachhochschulen passiert viel. 44 Prozent der Forschungspartner in den aktuellen Projekten sind Fachhochschulen. Sie weisen einen höheren Anteil auf als die eidgenössisch technischen Hochschulen und Universitäten.
Über Innosuisse
Die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung (Innosuisse) ist das Kompetenzzentrum des Bundes zur Förderung wissenschaftsbasierter Innovation in der Schweiz. Sie ist die Nachfolgeorganisation der vormaligen «Kommission für Technologie und Innovation» (KTI) und besteht aus dem Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung und dem Innovationsrat, der von einem rund 120-köpfigen Expertengremium unterstützt wird.
Für dieses Jahr verfügt die Agentur über Bundesmittel in Höhe von knapp 230 Millionen Franken. Aktuell fördert Innosuisse rund 1200 Innovationsprojekte und berät rund 200 Start-ups. Diese können aus den unterschiedlichsten Bereichen stammen.
Es werden neben technischen Projekten auch soziale Projekte gefördert. Massgebend ist ihr Innovationscharakter. Rund drei Viertel der an Förderprojekten beteiligten Unternehmen sind KMU mit weniger als 250 Mitarbeitenden. Die Reihe der Forschungspartner aus dem Hochschulumfeld wird angeführt von Fachhochschulen, gefolgt von den eidgenössisch-technischen Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstitutionen wie CSEM.



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