07.07.2010, 06:00 Uhr

Reibungsloser Datenfluss

Die Dinge im Fluss zu halten, ist das Geschäft des Schweizer Rohrreinigungsservice RohrMax. Bis zu 30?000 Formulare pro Jahr füllen die Aussendienstmitarbeiter beim Kunden aus - eine Datenflut, die manuell nicht mehr zu bewältigen war. Die Lösung: ein «lesender» Kugelschreiber und Spezialformulare.
Udo Renner ist als Fachjournalist unter anderem für die Kommunikationsagentur von Actimage tätig
Kontrollblätter, Protokolle, Checklisten: Insgesamt 30000 Papierformulare schickten die Servicetechniker bislang jedes Jahr in die Unternehmenszentrale. 30 000 Formulare, die dort einzeln eingescannt und in die Datenbank eingepflegt wurden. Dieser Prozess war nicht nur fehleranfällig, er dauerte manchmal auch mehrere Tage. So konnte das Unternehmen nur mit Verzögerung den eigentlichen Wartungsauftrag oder den Statusbericht für die Kunden ausstellen. «Durch den enormen Zeitaufwand für die Weiterverarbeitung der Formulare entstanden die entsprechend hohen Kosten», erinnert sich Reinhard Halbeisen, Leiter Organisation und IT bei RohrMax. Für das Unternehmen ist die ständige Verfügbarkeit von aktuellen Informationen ein Kernelement der IT-Strategie - nicht nur im Aussendienst, sondern auch für Kunden und Disponenten.

Der lesende Stift

Die Lösung des Problems fand der IT-Leiter schliesslich in einem Produkt des französisch-deutschen Technologiedienstleisters Actimage: Die ActiNote Integrated Solution Suite (AISS) besteht aus einem digitalen Stift zur Erfassung der Daten und einer integrierten Software-Plattform im Hintergrund. Der Stift unterscheidet sich äusserlich kaum von einem herkömmlichen Kugelschreiber, verfügt jedoch über eine Infrarotkamera und ein Funkmodul. Für die Formulare wird ein speziell entwickeltes Papier verwendet. Winzige Punkte darauf dienen als Raster, mit deren Hilfe der Stift die genaue Position und damit das Schriftbild erkennt. So kann er die handschriftlichen Notizen in den Formularen, abgehakte Checklisten oder eine Unterschrift «lesen» und speichern.
Dem Stift sind die Formulare für den Mitarbeiter zugeordnet, so weiss das System, welche Formulare der jeweilige Aussendienstler nutzt - und in welcher Sprache. Denn das Schweizer Unternehmen arbeitet mit Formu-laren in Deutsch, Französisch und Italienisch. Drei Sprachen bedeuten auch drei unterschiedliche Formulare, für die jeweils eine andere Schrifterkennungslogik hinterlegt wurde. Müssen Formulare geändert werden, übernimmt Actimage die Anpassungen, da die dahinterliegenden Workflows sehr komplex sind.
Per O.K.-Häkchen auf dem Formular werden die Daten gespeichert oder sofort drahtlos via Funkmodul an das Smartphone des Technikers übermittelt. Allerdings unterstützt das System hier nur BlackBerrry. Als Gründe dafür nennt Actimage die Verfügbarkeit der Server, die zentrale Verwaltung und den einfachen (Remote-) Service. Zudem entstünden über die BlackBerryWebservices überschaubare Kosten für den
Datentransfer. Je nach Bedarf lassen sich mit dem Smartphone weitere Medien an das ausgefüllte digitale Formular anhängen - beispielsweise Digitalfotos, die den Zustand eines Rohrsystems zeigen. Weitere Optionen sind GPS-Daten und digitale Zeitstempel, um zu belegen, wie lange und wo ein Mitarbeiter vor Ort war, oder Barcodes von zu bestellenden Ersatzteilen. Alternativ zum Smartphone lassen sich die Daten direkt vom Stift per Dockingstation oder via USB-Port über das Internet zum zentralen Server übermitteln.
Ein typischer Einsatz des «lesenden» Stifts ist die Datenerfassung bei der Kontrolle sämtlicher Abwasserrohrleitungen, Dolen und Schächte eines Gebäudes. Die kompletten Kontrolldaten werden in einem Zustandsprotokoll des Abwassersystems dargestellt. «Neben den einzelnen Checkpunkten erfassen wir mit dem Stift auch die Stammdaten der Kunden, die Unterschriften des Kunden und des Mitarbeiters», erläutert Aussendienstmitarbeiter Antonio Molino.
Herzstück der Anwendung ist die Software-Plattform im Hintergrund. Sie erhält die Daten vom Stift und verarbeitet diese weiter. Das System im Hintergrund macht das Zusammenspiel von Stift, Formularen, mobilem Endgerät sowie Firmen-ERP möglich und schlägt so die Brücke zwischen handschriftlicher und digitaler Welt.
Nachdem das System das digitale Formular in Empfang genommen hat, werden die Daten validiert und verifiziert. Die Software prüft, ob alle einzelnen Informationsbausteine, die das jeweils verwendete Formular vorsieht, also Bilddokumente, Zeitstempel, GPS-Daten oder E-Mail-Adressen, vorhanden sind. Nach abgeschlossener Prüfung und Bearbeitung leitet die Software die Daten an das Dispositionsmodul Satwork weiter. So liegen die Daten schon wenige Minuten, nachdem sie per Stift vom Aussendienstmitarbeiter übertragen wurden, zur Weiterverarbeitung im Unternehmen.

Wettbewerbsvorteil Schnelligkeit

Die Formulare für alle drei Sprachen wurden in 40 Manntagen in enger Zusammenarbeit zwischen RohrMax und Actimage entwickelt. In der Einführungsphase konnten beide Seiten Erfahrungen sammeln, die zur Weiterentwicklung beigetragen haben. «Die Lösung hat bei uns einiges auf den Kopf gestellt», resümiert Halbeisen, «die Arbeitsprozesse sind sehr viel schneller geworden». Dies erweise sich vor allem im Vertrieb als entscheidender Vorteil. Die technischen Berater sind in der ganzen Schweiz und in Süddeutschland unterwegs und erstellen bei potenziellen Kunden Diagnosen zum Zustand der Rohrsysteme. «Früher konnte es oft mehrere Wochen dauern, bis ein Angebot erstellt war», so der IT-Leiter. Heute liegt ein fehlerfreier Zustandsbericht kurz nach der Erhebung in der Firmenzentrale vor. Die Mitarbeiter füllen die Checklisten direkt vor Ort aus, erstellen den Bericht und lassen diesen vom Kunden validieren. Darüber hinaus können sie auch ein Angebot vor Ort erstellen. Sobald dieses Angebot vom Kunden unterschrieben ist, dient es als Bestellung und wird sofort ins firmeneigene Informationssystem übertragen.

Arbeiten wie gewohnt

An der gewohnten Arbeitsweise vor Ort mit Stift und Papier hat sich für die Servicetechniker nichts geändert. «Eine Schulung war nicht notwendig», erklärt Antonio Molino. «Wir haben die Technik von heute auf morgen genutzt.» Mit dem Einsatz der neuen Lösung ist die Auftragsabwicklung einfacher, schneller und vor allem günstiger geworden. «Die vollständige Bearbeitung eines Formulars hat uns früher 12 Schweizer Franken gekostet - heute sind es Fr. 3.50», erklärt IT-Leiter Halbeisen.
Bevor die Entscheidung für Actimage fiel, hat die IT etliche andere Lösungen mit mobilen Endgeräten getestet, allerdings ohne zufriedenstellendes Ergebnis. «Wichtig war für uns eine direkte Anbindung an eine Datenbank, damit die Daten elektronisch weiterverarbeitet werden können», so Halbeisen.

Zusatznutzen fürs Marketing

Die verbesserte Datenerfassung führte zu mehr Produktivität, höheren Umsatzraten und zufriedenen Kunden. Zudem sind über die detaillierten Einzeldaten aus der Datenbank nun Auswertungs- und Abfragemöglichkeiten vorhanden, die früher nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand zu bewerkstelligen waren. Damit hat beispielsweise auch die Marketingabteilung ein ganz neues Steuerungsinstrument zur Hand.
Projektdaten

- Einführung AISS: März bis Dezember 2006, fortlaufende Anpassungen

- Nutzer des mobilen Systems: derzeit 23 Aussendienstmitarbeiter

- Digital versandte Formulare pro Woche: 550

- Zusätzlich übertragbare Medien: Bild und Tondokumente, GPS-Daten, Zeitstempel, E-Mail-Adressen, Barcodes, RFID-Tag

- Zeiteinsparung Datenerfassung: 20%

- Zeiteinsparung Verarbeitung: 70%

- ROI: nach ca. 2 Jahren
Udo Renner



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