06.05.2016, 15:14 Uhr

Die grossen Profiteure freihändiger IT-Vergaben sind bekannt

Öffentliche Institutionen in der Schweiz vergeben freihändige Aufträge in Milliardenhöhe. Der grösste Profiteur ist Siemens, sagt eine Studie.
Über die Hälfte der IT-Projekte öffentlicher Institutionen wird freihändig vergeben. Zu diesem Resultat kommt eine gross angelegte Studie der Uni Bern, in der 2600 Projekte untersucht wurden, die zwischen 2008 und Mai 2016 auf der Beschaffungsplattform Simap.ch publiziert wurden. 1252 der untersuchten Projekte wurden demnach ohne Ausschreibung vergeben. "Erschreckend", sagt Matthias Stürmer, Leiter der zuständigen Forschungsgrupppe "Digitale Nachhaltigkeit" gegenber der Rundschau. "Die Hälfte der staatlichen IT-Aufträge geht nicht in den Wettbewerb. Viele Firmen werden so erst gar nicht angefragt, obwohl sie gute Produkte anbieten und vielleicht sogar günstiger und schneller liefern können.» Damit würden Milliarden ohne Wettbewerb an Anbieter fliessen, obwohl freihändige Vergaben eigentlich nur in Ausnahmefällen erlaubt sein sollten. Franz Grüter, Neo-Präsident der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit, fordert in der Rundschau Aufklärungsarbeit: «Wir müssen klären, wieso es zu freihändigen Vergaben kommt. In Einzelfällen mag das zulässig sein. Aber ich bin überzeugt, dass es viele Fälle gibt, wo man möglicherweise sogar sanktionieren muss.» GLP-Nationalrat Thomas Weibel will in der Sommersession einen entsprechenden Vorstoss einreichen.

Wer sind die Profiteure?

Klickt man durch die ffentlich zugnglichen Forschungsergebnisse, stechen fünf Firmen als grosse Profiteure ins Auge: Siemens, SAP, Oracle, AdNovum und Fabasoft. Zusammen haben sie seit 2008 über 100 Aufträge ohne Wettbewerb erhalten. Mit einem Gesamtwert von über 640 Millionen Franken. Mit Abstand der grösste Profiteur ist dabei Siemens, die 375 Millionen Franken durch freihändige IT-Vergaben erhielten. Zu denken geben auch die 25 freihändigen Vergaben an AdNovum. Nur bei zwei Zuschlägen musste sich der Zürcher IT-Dienstleister demnach im Wettbewerb durchsetzen, seit 2008 überhaupt nicht mehr. Eine ähnliche Situation herrscht bei weiteren bekannten IT-Dienstleistern wie Microsoft, Abraxas oder Oracle, die einen Grossteil ihrer Aufträge freihändig erhielten. Aber auch unbekanntere Firmen profitieren von der Tatsache, dass der Bund gerne mal die WTO-Ausschreibungen umgeht. DV Bern erhielt von 19 Zuschlägen 18 freihändig zugesprochen, mit einem Wert von knapp 30 Millionen Franken. Ebenfalls rund 30 Millionen Franken erhielt ABF Informatik aus Cham freihändig. Bei nur sechs Aufträgen. Wobei da auch auffällt, dass der eine nicht freihändige Zuschlag ledigliche einen Wert von einer Million Franken hatte.

Wer vergibt freihändig?

Ebenfalls gelistet werden die Auftraggeber. Die meisten IT-Freihänder hat demnach der Kanton Bern vergeben. 94 seit 2006. Im Gesamtwert von 94 Millionen Franken. Deutlich am meisten Geld für IT-Aufträge vergaben aber die SBB unter der Hand: Über 400 Millionen Franken. Auch das Bundesamt für Informatik, das Bundesamt für Strassen und die Stadt Zürich vergaben freihändige IT-Aufträge im Wert von über hundert Millionen Franken. Beim Bund wurden von 856 IT-Vergaben 564 Aufträge freihändig vergeben. Der Gesamtwert liegt bei über einer Milliarde Franken. Besonders gerne scheint das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement Aufträge freihändig zu vergeben. 23 von 29 Zuschlägen im Gesamtwert von 22 Millionen Franken gingen ohne Wettbewerb an einen Anbieter. In dieser Statistik auch gut dabei ist übrigens die Uni Bern, an der die Studie durchgeführt wurde. 22 von 29 IT-Aufträgen wurden freihändig vergeben, im Wert von 14,3 Millionen Franken.

Keine vorschnellen Schlüsse

Die Studienersteller sagen auch, dass die Zahlen teilweise mit Vorsicht betrachtet werden müssen, was mit der Zuschlagsplattform Simap zusammenhängt. Einerseits gibt es darauf zahlreiche Zuschläge, die gar keine Preise oder bloss Preisspannen der eingegangenen Angebote enthalten. Auch werden aus technischen Gründen momentan Fremdwährungen noch als Schweizer Franken behandelt. Dann sind einige Zuschlagssummen inklusive, die anderen exklusive Mehrwertsteuer angegeben und bei vielen wisse man gar nicht ob sie mit oder ohne Mehrwertsteuer angegeben sind. Gewisse ältere Zuschläge enthalten zudem bloss Stundensätze oder Stückpreise und verfälschen deshalb die Zuschlagssumme. Der wichtigste Punkt: Viele Zuschläge enthalten Optionen, die möglicherweise gar nie ausgeschöpft wurden. Und letztlich können die vertraglich vereinbarten Preise sowie nach Ausführung des Auftrags bezahlten Rechnungen auch nochmal von den auf simap.ch publizierten Zuschlagssummen abweichen, auch wenn dies eigentlich nicht Sinn der Sache ist. Die sich nun damit befassenden Politiker tun deshalb gut daran, die Projekte als Einzelfälle zu betrachten.



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