28.03.2007, 09:09 Uhr
Konvergenz - die nächste Revolution
Etablierte Techniken wie Festnetztelefonie, Mobildienste, Breitband- und Kabelmedia-Anwendungen kamen bisher unabhängig voneinander auf den Markt. Jetzt steht deren Verschmelzung an.
Willy Pillinger, Partner bei Accenture, leitet die Bereiche Telecom und Hightech in der Schweiz.
Konvergenz. Ein Begriff, der die Strategien aller Telekommunikationsanbieter beherrscht. Und zugleich Triebfeder für eine komplette Kehrtwende des Marktes. Bisher verfolgten die Anbieter von Telekommunikationsdiensten den Ansatz, etablierte Techniken vom Festnetz bis zu den kabelgebundenen Media-Services möglichst fokussiert und unabhängig voneinander auf den Markt zu bringen. Ausdruck dieser Strategie war die rechtliche Aufspaltung von Unternehmen wie Swisscom oder Deutsche Telecom einerseits oder die Beschränkung auf einzelne Sparten wie etwa bei British Telecom oder Vodafone andrerseits.
Jetzt kommt die Wende hin zur Strategie der Konvergenz. Die anvisierte Verschmelzung von Kommunikationsdiensten wird zu einer nachhaltigen Veränderung auf Anbieter- wie Abnehmerseite führen.
Erklärt wird der aufwändige Richtungswechsel damit, dass die Kommunikationstechniken in den letzten zehn Jahren zwar eine enorme Durchdringung des privaten und geschäftlichen Marktes erreicht haben. Doch diese eigentliche Vollversorgung war bisher in «Technologie-Silos» implementiert, welche sich gegenseitig nur schwer integrieren lassen. Folglich müssen für gleichartige Services mehrere Verträge abgeschlossen und parallele Infrastrukturen bereitgehalten werden. Abhängig vom Zugang können gewisse Services nur eingeschränkt genutzt werden.
Diverse Ebenen der Konvergenz
Dabei war schon früh absehbar, dass eine einheitliche, offene Kommunikationsarchitektur möglich und wünschenswert ist. Aber erst heute ist die Zeit reif für deren Einführung. Die Konvergenz hat begonnen, und das gleich auf mehreren Ebenen.
Inhalte und Endgeräte:
Für alle Informationsformen haben sich Standards entwickelt, (beispielsweise HTML, JPEG, MP3, MPEG), welche von Endgeräten jeder Form wie PC, Laptop oder PDA unterstützt werden. So sind quasi beliebige Inhalte auf jedem Endgerät darstell- und verarbeitbar.
Zugang zum Netzwerk: Die einstige Trennung von mobiler und ortsgebundener Kommunikation löst sich auf. Ob über Kabel, ADSL, Wifi, GSM oder UMTS; der Anwender kann über jeden Zugang auf das Hauptnetzwerk, das «globale Internet» zugreifen. Das Netzwerk:
IP und darauf aufbauende Services entwickeln sich zum de-facto-Standard für jede Form von Networking. Heute ist von einer vollständigen Ablösung der bestehenden Netze durch IP-basierte Architekturen auszugehen. Die Umstellung erfordert grosse Aufwendungen, insbesondere von den Telecom-Anbietern,und wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist Voip (Voice over IP). Einmal aufgesetzt, kann praktisch jede Form von Endgerät für Gespräche eingesetzt und an jedem Ort der Welt der am besten geeignete Anbieter und Zugang gewählt werden.
Kostenreduktion als Nebeneffekt
Das Beispiel Voip zeigt, wo die grossen Auswirkungen konvergenter Netze liegen werden: Bei Services, Applikationen und Inhalt. Steht ein gleichförmiges Netz mit universellen Zugangspunkten und Endgeräten zur Verfügung, kann prinzipiell jeder Anbieter jeden Service jedem Anwender an jedem beliebigen Ort zur Verfügung stellen. Das ist die Revolution der Konvergenz. Die unmittelbaren Folgen für Unternehmen und Anwender sind offensichtlich: Mehr und neue Services und Anbieter, mehr Wettbewerb, tiefere Preise.
Obwohl heute viele Unternehmen angeben, Voip und verwandte Services im Einsatz zu haben, sind wesentliche Implikationen noch immer nicht erkannt.
Unternehmerischer Mehrwert:
Voip-Migrationen werden vor allem durch Kostenvorteile begründet. Vernachlässigt werden dagegen Anwendungen, die einen Mehrwert für das jeweilige Unternehmen generieren können. Dies, weil derartige Applikationen bisher weitgehend unbekannt sind. Die Integration solch «intelligenter» Applikationen in zeitkritische Unternehmensprozesse kann und muss aber zu gesteigerten Wertbeiträgen der gesamten IT führen.
Wahl des Anbieters:
Das offene und rapide wachsende Feld der Service-Anbieter wirft die Frage auf, welche Player als künftige Technologiepartner in Frage kommen und wie sie auszuwählen sind. Der Kampf um die entsprechende Positionierung ist schon voll entbrannt. Eine fundierte Marktbetrachtung ist unumgänglich.
Interne Veränderungen:
Konvergenz findet keineswegs nur in der Aussenwelt statt. Die in den Unternehmen bestehenden Silos von IT und Telekommunikationswelt werden zusammenfliessen, die Telekommunikation wird zu einem weiteren Bestandteil der IT. Diese Veränderung betrifft einerseits die Infrastruktur, indem beispielsweise Sicherheitskonzepte entsprechend zu erweitern sind. Sie hat aber auch organisatorische Veränderungen zur Folge, die gerade in grossen Unternehmen nicht einfach zu bewältigen sind und daher von der Führung frühzeitig gesteuert werden müssen.
Diese Überlegungen zeigen, dass Konvergenz nicht als Kostenoptimierung der Infrastruktur, sondern vielmehr als strategisches Thema für das Unternehmen verstanden werden soll. Nur unter Mitwirkung von Unternehmensleitung, Business und IT werden signifikante und dauerhafte Verbesserungen der Performance und der eigenen Marktposition zu realisieren sein.
SaaS als weiterer Schritt ins Offene
Die Folgen der Konvergenz betreffen aber nicht nur Kommunikationsthemen. Das Beispiel SaaS (Software-as-a-Service) illustriert, wo heute schon stark wachsende Einsatzpotenziale identifiziert worden sind. Über konvergente Infrastrukturen wird der universelle Zugriff auf Business Services möglich. Applikationen werden nicht nur unternehmensintern bereitgestellt, sondern zur Nutzung bei spezialisierten Anbietern «On-Demand» bezogen. Die Vorteile sind offensichtlich: Umfangreichen Entwicklungs- und Betriebsaufgaben von Software, mit entsprechenden Investitionen und Risiken, stehen Leasing-Konzepte gegenüber, die drastisch verkürzte Einführungszeiten und reine Operativkosten versprechen.
Konvergenz ist ein strategisches Technologiethema für jeden Unternehmer. Global verteilte Wertschöpfungsketten, kurze Reaktionszeiten und der anhaltende Margendruck erfordern die entsprechenden, neuen Telekommunikationsdienste.
Willy Pillinger