11.05.2006, 13:59 Uhr
Firmen verschenken Einsparpotenzial
Eine Studie zum Thema Product Information Management kommt zum Schluss, dass Schwei zer Unternehmen Einsparpotenzial verschenken.
Thomas Lucas-Nülle ist Geschäftsführer von Lucas-Nülle Consulting & Partner, Nicole Scheidegger ist Partnerin bei Dr. Pascal Sieber & Partners.
Zentrale Datenpflege ist in vielen Unternehmen noch nicht an der Tagesordnung. Das bestätigt jetzt eine Studie von Dr. Pascal Sieber & Partners und der Unternehmensberatung Lucas-Nülle Consulting & Partner, die sich mit den Chancen und Potenzialen von zentralen Produktinformationssystemen beschäftigt. Dazu wurden 189 Schweizer Unternehmen über ihre Einschätzung von Product Information Management (PIM) befragt. Die Antworten wurden mit den Angaben von Unternehmen, die bereits erfolgreich eine PIM-Lösung implementiert haben (so genannte Best-Practice Unternehmen), verglichen. Das ernüchternde Ergebnis zeigt, dass viele der 189 befragten Unternehmen das Potenzial und die Einsparungsmöglichkeiten einer PIM-Lösung noch nicht erkannt haben und ihre Produktdaten stattdessen dezentral pflegen. Die geringe Anzahl von PIM-Installationen liegt nicht zuletzt daran, dass Unternehmen sich an unterschiedlichen Stellen innerhalb der Organisation mit Produktinformationen beschäftigen: Entsprechend schwer tun sich die verschiedenen Abteilungen, einen zentralen Verantwortlichen für die Einführung einer Lösung zu bestimmen.
«Diese Studie verdeutlicht die enormen Kosten- und Zeiteinsparungen durch eine PIM-Lösung. Umso erstaunlicher ist es, dass erst wenige Unternehmen eine installierte PIM-Basis haben», wundert sich Ariel Lüdi, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Hybris-Gruppe. «Scheinbar ist das Wissen über PIM und seine Vorteile über verschiedene Abteilungen verstreut, so dass es keinen zentralen Verantwortlichen gibt. Ziel dieser Studie ist es, Klarheit in die Begriffe und die technologischen Ansätze von PIM zu bringen und den Einstieg in das Thema mit einem Leitfaden zur Projektvorgehensweise zu erleichtern.»
Was ist PIM?
Unter PIM versteht man die Bereitstellung von Produktinformationen für den Einsatz in verschiedenen Ausgabemedien beziehungsweise Vertriebskanälen sowie für unterschiedliche Standorte. Voraussetzung dafür ist die medienneutrale Verwaltung, Pflege und Modifikation der Produktinformationen in einem zentralen System, um jeden Kanal ohne grossen Ressourcenaufwand mit konsistenten akkuraten Informationen beliefern zu können.
Der Bedarf an PIM entsteht durch die derzeit gängige Praxis der Datenhaltung und -verwertung: Informationen liegen in einem Unternehmen häufig nicht zentral gebündelt vor, sondern verstreut bei Mitarbeitern und in Abteilungen - etwa in der Entwicklungsabteilung, im Warenwirtschaftssystem oder im Vertrieb und Produktmarketing. Dabei werden Daten in unterschiedlichen Formaten abgespeichert oder sind nur als Druckversion verfügbar. Diese Informationen werden in verschiedenen Umgebungen und Kontexten verwendet - beispielsweise im Verkaufskatalog für eine detaillierte Produktbeschreibung mit Preisangabe oder in der Logistikabteilung für Angaben zu Grösse und Gewicht zur Frachtkostenberechnung.
«Die dezentrale Verwaltung von Produktinformationen in Unternehmen verstellt den Weg zu einem Einsparpotenzial», sagt Ariel Lüdi. «Unternehmen ohne PIM-Lösung verschenken oft wertvolle Wettbewerbsvorteile durch fehleranfällige Doppelarbeit bei der Pflege von Produktinformationen.»
Dass diese verstreute Art der Datenhaltung alles andere als vorteilhaft ist, liegt auf der Hand. Ein Lösungsansatz ist der Einsatz eines PIM-Systems: Darin werden einkaufs-, produktions- und kommunikationsrelevante Daten zentral und medienneutral gepflegt und verwaltet, um sie für die Mehrfachnutzung über verschiedene IT-Systeme, Sprachen, Ausgabemedien und Publikationen hinweg bereitzustellen. Es bietet zudem Lösungen zur effizienten Datenübernahme, -verwaltung, -anreicherung und -ausgabe.
Schlechte Datenpflege
Der Nutzen von PIM-Lösungen kommt im Industriebereich besonders zur Geltung: Unternehmen wählen im Einkauf durchschnittlich aus rund 8600 Artikeln. Kommt eine PIM-Lösung zum Einsatz, lässt sich leicht eine Auswahl mit mehreren 10000 Artikeln verwalten, belegt die Studie. Aber nicht nur auf der Einkaufsseite sind erhebliche Verbesserungen zu erreichen. Gerade auf der Sell-Side ergeben sich neue Möglichkeiten. Im Bereich der Produktdatenpflege gehen die Unternehmen davon aus, dass rund 40 Prozent der Produktinformationen mehrfach gepflegt werden. Im Vergleich dazu beträgt die durchschnittliche doppelte Datenpflege in Unternehmen mit einer PIM-Lösung nur rund 12 Prozent.
Diese Reduzierung drückt sich in dem von den Unternehmen geschätzten Zeitaufwand zur Produktdatenpflege aus. Sind es im Durchschnitt der Industrieunternehmen jährlich rund 176 Minuten je Produkt, so reduziert sich dieser Aufwand bei den Unternehmen, die den Einsatz von PIM perfektioniert haben, auf rund 25 Minuten pro Jahr und Produkt.
Ebenso markant ist der Sprung, wenn der Aufwand zur Erstellung und Pflege der Artikel im Internet betrachtet wird. Hier verringert sich der jährliche Pflegeaufwand durch die Verwendung einer zentralen Datenerhaltung (Einstellen: 30 Minuten, Pflege: 10 Minuten) auf einen Bruchteil im Vergleich zum Durchschnitt (Einstellen: 87 Minuten, Pflege: 50 Minuten). Weitere Optimierungspotenziale im Industriebereich bestehen bei der Printausgabe. Hier produzieren die Best-Practice-Unternehmen ihre Kataloge in knapp der Hälfte der Zeit (acht Wochen verglichen zu ehemals 14 Wochen), als das durchschnittliche Unternehmen tun. Dazu kommt eine enorme Kostenersparnis: Im Durchschnitt wenden Unternehmen ohne ein zentrales System 312 Franken für die Erstellung einer Katalogseite auf und produzieren im Schnitt Kataloge mit 531 Seiten, während Unternehmen mit aktiven PIM-Installationen einen Katalog von 384 Seiten für durchschnittlich 100 Franken pro Katalogseite produzieren. Im Vergleich zum Durchschnitt ergibt sich so ein mögliches realisierbares Einsparungsvolumen von über 81400 Franken.
Mit Verstand einführen
Die Kernfrage, ob und wann sich die Einführung einer PIM-Lösung rechnet, ist nur individuell je Unternehmen und Situation zu beantworten. Allgemein lassen sich - unterstützt durch die Ergebnisse der PIM-Studie - folgende Kriterien als Voraussetzungen festhalten:
Verkaufssortiment - Je größer das Sortiment, desto lohnenswerter ist PIM: Ab 1000 Artikeln macht sich die zentrale Produktinformationsverwaltung schnell bezahlt.
Sortimente für e-Procurement - Auch im Einkauf stellt die Sortimentsgröße ein Argument für PIM dar. So haben 52,5 Prozent der befragten Unternehmen ein Sortiment mit mehr als 1000 Artikeln in diesem Segment zu managen. Ab dieser Größenordnung kann es typischerweise sinnvoll sein, sich mit speziellen Lösungen für die Buy-Side zu beschäftigen.
Internationale Ausrichtung - Je weiter die Globalisierung voranschreitet, desto wichtiger ist die Internationalisierung von Informationen. PIM kann hier dafür sorgen, dass die gleichen Daten in unterschiedlichen Sprachen vorliegen.
Kataloge als Hauptmedium - Wo immer die gedruckte Broschüre oder der Printkatalog das Medium der Wahl ist, lohnt sich PIM. Denn normalerweise gibt es nur selten Neuauflagen: 59,3 Prozent der Unternehmen produzieren weniger als vier Kataloge und nur 14,8 Prozent mehr als zehn Kataloge im Jahr. Hier kann PIM die Bearbeitungszeit und Kosten entscheidend drücken, um stets aktuelle Versionen bieten zu können.
Thomas Lucas-Nülle , Nicole Scheidegger