02.02.2007, 09:23 Uhr

Zehn Dinge, die Sie über Itil wissen sollten

Die IT Infrastructure Library (Itil) bietet ein Modell dafür, wie die IT ihr Geschäft im 21. Jahrhundert betreiben sollte. Computerworld bietet einen Crashkurs.
IT-Machtbereiche und technische Silostrukturen haben ausgedient, denn auf dieser Basis kann die IT ihre Services nicht länger anbieten. IT-Organisationen, die das nicht akzeptieren, werden entweder ausgelagert oder sie finden sich unter externer Kontrolle, beispielsweise durch den Finanzchef oder den Leiter einer Geschäftseinheit, wieder. Die IT muss deshalb darüber nachdenken, welchen Beitrag sie zum Business leisten will und wie sie sich künftig selbst organisiert. Den Weg weisen können IT Service Management (ITSM) und Information Technology Infrastructure Library (Itil).
Schon 1989 dämmerte dem britischen Office of Government Commerce (OCG) die Erkenntnis, dass die IT immer wichtiger für das Business werden würde - und dass es keineswegs klar sei, wie IT-Services bereitgestellt und gemanagt werden sollten. Kurze Zeit später veröffentlichte das OGC die erste Itil-Ausführung: 44 Bände dichter Prosa als Versuch einer integrierten Sammlung von Best-Practice-Empfehlungen für das IT-Management.
Die 2001 erschienene Version 2 reduzierte den Umfang auf neun Bände, von denen keiner wirklich leichte Lektüre darstellt. Eine dritte Ausführung, die mehr direkten Nutzwert verspricht, ist derzeit in Arbeit. Sie wird im Laufe dieses Jahres erwartet.
Das Tempo, mit dem sich das Geschäft heute verändert, die technischen Fortschritte, Regulierungen seitens der Behörden und die Tatsache, dass Services heute gleichermassen über den ganzen Globus hinweg bereitgestellt werden müssen, zwingen die IT, sich effektiver zu organisieren. Ungeachtet ihrer Verheissungen bedeutet die Itil-Einführung aber immer noch ein gewaltiges Unterfangen.
Computerworld bietet eine kleine Starthilfe. Die zehn wichtigsten Dinge, die Sie über Itil wissen sollten:

Zehn Dinge, die Sie über Itil wissen sollten

1. Was Itil dem Unternehmen bringt

Primäres Ziel ist es, IT-Dienstleistungen zu erbringen, die den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen. Richtig implementiert, kann Itil die Kundenzufriedenheit erhöhen, den Overhead in der IT-Organisation verringern und die Betriebskosten senken. Weniger Aufwand bei der Entwicklung von Prozessen, eine höhere Produktivität, ein gezielter Wissenseinsatz, eine verbesserte Kommunikation sowie eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit sind weitere Punkte.

Zehn Dinge, die Sie über Itil wissen sollten

2. Welche Itil-Bücher man lesen muss

Glücklicherweise muss man nicht alle neun Itil-Bücher lesen. Denn das Kernwissen ist in zwei Bänden zusammengefasst. Sie heissen «Service Support» und «Service Delivery». Service Support führt fünf Schlüsselprozesse ein:
- Incident-Management
- Problem-Management
- Change-Management
- Release-Management
- Configuration-Management
Der Service-Desk wird als eine Funktion, nicht als ein Prozess betrachtet. Trotzdem ist er in diesem Itil-Band ebenfalls behandelt. Und zwar als zentraler Kontaktpunkt, an den die IT-Kunden Störungen melden oder Anfragen schicken können.
Incident- und Problem-Management sind für Itil zwei unterschiedliche Dinge. Das Incident-Management kümmert sich darum, den normalen Geschäftsbetrieb nach einem Störfall so schnell wie möglich wiederherzustellen. Im Gegensatz dazu konzentriert sich das Problem-Management darauf, die Ursache der Störung zu finden und zu beseitigen, also zu verhindern, dass sie wieder auftritt. Diese Trennung hat den Vorteil, dass die Services nicht so lange ruhen müssen, bis die Wurzel des Übels entdeckt ist. So kann ein schneller Workaround entwickelt werden, um die geschäftlichen Folgen so gering wie möglich zu halten. Itil konzentriert sich darauf, erst einmal das Business zu bedienen und dann - im Hintergrund - nach Ursachen zu fahnden.
Change-Management ist der Prozess, der Veränderungen an der IT-Infrastruktur selbst koordiniert und kontrolliert. Sein Ziel ist es, saubere Zulassungen, Autorisierungen sowie Qualitässicherungsschritte zu erreichen.
Release-Management bezieht sich auf die Implementierung von Veränderungen in den IT-Systemen. Neu für die meisten IT-Organisationen dürfte die Idee sein, Veränderungen in Releases zu packen, um das Business möglichst wenig zu beeinträchtigen.
Configuration-Management befasst sich mit den Prozessen für Logging, Tracking, Controlling und Verifizierung von Informationen, welche die Infrastrukturkomponenten (Configuration Items, kurz CI) und ihre Beziehungen beschreiben. Diese Informa-tionen werden in einer logischen Datenbank, der CMDB (Configuration Management Database) gespeichert.

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3. Die Configuration Management Database

Diese Datenbank dient als Blaupause dafür, wie die gesamte IT-Infrastruktur aufgebaut sein sollte, wie die unterschiedlichen CI - beispielsweise Hardware, Software, Incidents, Service-Level-Agreements (SLA) und Dokumentationen - miteinander zusammenhängen und wie das Metasystem funktioniert. Damit ermöglicht es die CMDB, Infrastrukturinformationen schnell aufzufinden und auf dieser Grundlage effektive Management-Entscheidungen zu treffen. Unter Idealbedingungen hat jede CI konfigurierbare Attribute. Um den Verwaltungs- und Maintenance-Aufwand zu verringern, sollte die CMDB nach Möglichkeit so entworfen werden, dass sie Informationen über die CI automatisch aufspürt und die Veränderungen in Echtzeit verfolgt.

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4. Service Delivery und Service Support

Der Service-Support-Band zeigt auf, wie effiziente IT-Services betrieben und aufrecht erhalten werden können. Das Service-Delivery-Buch hingegen stellt heraus, wie sich solche Services erreichen und verbessern lassen. Es unterscheidet ebenfalls fünf kritische Prozesse:
- Service-Level-Management
- Availability-Management
- Capacity-Management
- IT-Service-Continuity-Management
- IT-Financial-Management
Service-Level-Management umfasst Planung, Koordination, Monitoring und Reporting von SLA. Es manifestiert sich in der ständigen Beobachtung der Services, um sicherzustellen, dass sie kosteneffizient bereitgestellt werden und dass sie ihre Ziele nicht verfehlen. Itil hat auch das Konzept des Servicekatalogs eingeführt, der alle Services der IT für das Business auflistet und quasi mit Preisschildern versieht.
Availability-Management koordiniert, entwirft, misst und managt die Verfügbarkeit der IT-Infrastruktur, wobei es alle Aspekte der Infrastuktur und der unterstützenden Organisation einbezieht. Es integriert lose gekoppelte Techniksilos, damit die benötigten Services in der nachgefragten Qualität und zum vereinbarten Preis geliefert werden können. Dieser Prozess vereint Schlüsseldisziplinen wie Verlässlichkeit, Zweckdienlichkeit, Wartbarkeit, Sicherheit und Reaktionsschnelligkeit der Services. Zudem ermittelt dieser Prozess die jeweiligen Servicerisiken und identifiziert die notwendigen Abstriche.
Capacity-Management betrachtet die Kapazitäten, die Leistung und den Durchsatz der IT im Verhältnis zu den Erfordernissen und Zielen des Business. In der Vergangenheit haben die meisten IT-Organisationen die Kapazitäten nach deren Nutzung ausgerichtet. Itil geht den umgekehrten Weg: Die IT ist gefordert, zunächst die Business-Treiber ausfindig zu machen, die sie dann mit Hilfe von Modellen und Projektierungen in Service-Workloads überträgt, bevor sie sie schliesslich in der IT-Infrastruktur umsetzt.
IT-Service-Continuity-Management legt die Grundlagen dafür, dass sich die IT-Services im Katastrophenfall rekonstruieren lassen. Itil lenkt den Blick der IT weg vom technischen Wiederanlauf und hin zur Wiederherstellung der Services. Zugleich werden die Continuity-Pläne der IT mit denen des Business in Einklang gebracht. Im Endeffekt lässt sich so eine unternehmensweit einheitliche Disaster-Recovery-Policy koordinieren, entwerfen, planen und auch testen.
Der IT-Financial-Management-Prozess sorgt für die Budgetierung sowie die Be- und Verrechnung der Services. Heutzutage können nur wenige Organisationen tatsächlich sagen, welche Services sie bereitstellen, ganz zu schweigen davon, welche Kosten jeweils verursacht werden. Dies ist einer der Gründe, warum die IT in den Vorstandskonferenzen so wenig zählt. Indem sie ihre -Kosten und ihren Beitrag zum Unternehmensergebnis spezifizieren lernt, kann sie endlich Marktdynamik und moderne Geschäftspraktiken für sich reklamieren.

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5. Die anderen sieben Itil-Bücher

Sind die Basiskonzepte der ersten beiden Bücher erst verdaut, bieten die restlichen Itil-Bände eine Menge weiteren Lernstoff.
- Die Einführung («Introduction») stellt den Itil-Ansatz für das Service-Management im Detail vor.
- «Planning to Implement Service Management» beschreibt, wie ein Unternehmen die Vorteile identifiziert, die es aus Itil ziehen kann.
- «ICT Infrastructure Management» behandelt kritische Punkte wie Netz-, Operations- und System-Management sowie Com-puterinstallation und Akzeptanz.
- «Applications Management» konzentriert sich auf die Softwareentwicklung sowie auf die Unterstützung des Lebenszyklus, die Anforderungsdefinition und den Test von IT-Services.
- «Business Perspective» besteht eigentlich aus zwei Büchern. Eines richtet sich an die IT-Mitarbeiter, das andere an Business-Manager.
- «Security Management» diskutiert das Vorgehen in Sachen Sicherheit aus der Itil-Perspektive.
- «Software Asset Management» liefert Best Practices für das Software- und Lizenz-Management.

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6. Weshalb Itil erst jetzt - nach mehr als 15 Jahren - plötzlich so populär geworden ist

Ein immer grösserer Teil der IT-Budgets wird von den Betriebskosten aufgefressen, so dass die IT-Abteilungen nur rudimentär sagen können, welchen konkreten Beitrag sie zum Unternehmenserfolg beisteuern. Itil kann das ändern. Es gibt Anleitung für die Implementierung von Miniprojekten, die spezifische Geschäftsziele adressieren - mit messbarem Ergebnis. Hinzu kommt, dass heute viele IT-Anwender von aussen auf die Systeme zugreifen, beispielsweise als Kunden der Business-Einheiten. Wenn ein System ausfällt, ist der Schaden für das Unternehmen deshalb weit grösser als in der Vergangenheit. Die Frequenz der Veränderungen in Business, Technik und gesetzlichen Anforderungen steigern sich von Tag zu Tag. Und Itil ist derzeit der einzige vernünftige Plan für ein Infrastruktur-Management aus Sicht der IT-Services.

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7. Itil ist nicht nur etwas für Grossunternehmen

Von Itil wird jeder IT-Diensterbringer profitieren, der ein Unternehmen in einer Umbruchsphase oder den Kunden eines solchen Unternehmens bedient. Beispielsweise kann eine kleine IT-Abteilung, die ständig mit Netzausfällen zu tun hat, mit Hilfe des Problem-Management-Prozesses nach den Ursachen forschen, um künftige Störfälle vorhersagen und rechtzeitig beheben zu können. Ein mittlerer Betrieb mit einer komplexen IT-Infrastruktur wird vielleicht eher das Konfigurations-Management nützlich finden. Und ein Grossunternehmen, das eine Firmenübernahme oder eine Konsolidierung plant, wird feststellen, dass sich dieser Gewaltakt mit konsistenten, wiederholbaren Prozessen, wie sie in Itil beschrieben sind, schneller und kostengünstiger bewältigen lässt.

Zehn Dinge, die Sie über Itil wissen sollten

8. Wie man loslegen sollte

Vor der Einführung eines Services-orientierten IT-Managements gilt es, sich das nötige Know-how anzueignen. Das Exin (European Examination Institute for Information Science) und das Iseb (Information System Examination Board) bieten offizielle Zertifizierungsstandards und Examen an. Die entsprechenden Kurse und Seminare werden von zertifizierten Schulen wie beispielsweise der IFA, der Digicomp Academy oder der Migros Clubschule durchgeführt. Zudem haben fast alle grossen - sowie einige kleinere - Hardware- und Software-lieferanten Itil-Schnellbleichen im Angebot, in denen man sich einen ersten Überblick verschaffen kann.
Eine neutrale Itil-Anlaufstelle in der Schweiz ist das IT Service Management Forum (ITSMF). Dieses hat sich unter anderem die Ausbreitung des Itil-Gedankenguts sowie die Förderung des Austauschs der Anwender auf die Fahne geschrieben.

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9. Welchen Anbieter man wählen sollte, wenn man auf externes Know-how angewiesen ist

Für Itil-Beratung und -Implementierung gibt es eine Vielzahl von Anbietern. Da das Thema relativ jung ist, hat sich bislang kein Marktführer herauskristallisiert. Treffen Sie Ihre Entscheidung aufgrund von Erfahrungen und Empfehlungen, nicht wegen eines Firmennamens. Fragen Sie nach Referenzen, Zertifikaten und vermeiden Sie 0815-Lösungen; sie funktionieren selten gut. Itil hat viele Facetten, und es gibt keinen Königsweg zur Implementierung. Der beste Ansatz für ein Unternehmen hängt von seinen Zielen und den individuellen Problemen ab. Sorgen Sie daher dafür, dass die Berater bereit sind, eng mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um ihre speziellen Bedürfnisse zu verstehen und ihre Lösungen daran anzupassen.

Zehn Dinge, die Sie über Itil wissen sollten

10. Was Itil mit ISO 20000 zu tun hat

Itil dreht sich hauptsächlich um Prozesse. Es bietet keinerlei Messkriterien an. Der erst kürzlich veröffentlichte ISO-Standard 20000 hingegen dient als Grundlage für ein Benchmarking des IT-Service-Managements. Folglich lässt er sich nutzen, um die IT-Services zu verbessern. Er definiert die Anforderungen an die Service-Provider innerhalb und ausserhalb des Unternehmens und hilft bei der Einordnung des hauseigenen IT-Service-Management-Standards.
ISO 20000 legt spezifische Kriterien fest, die sich messen und beurteilen lassen - beispielsweise hinsichtlich Umfang, Art und Definition der Services, Planung und Implementierung eines neuen oder veränderten Service beziehungsweise des Service-Managements, Anforderungen an das Management-System sowie Service-Delivery-, Beziehungs-, Kontroll-, Beschluss- und Release-Prozesse.

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Fundamentale Veränderungen

Das alte IT-Betriebsmodell spiegelte die Informationstechnik als eine zentrale Back-Office-Funktion mit einer beschränkten Anzahl von Plattformen wider. Es entspricht nicht mehr den Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Itil gibt den IT-Organisationen Mittel an die Hand, mit denen sie ihren Betrieb auf der Grundlage der bereitgestellten Services - anstelle von technischen Silos -managen können. Die Unternehmen, die davon Gebrauch machen, werden mit höherer Kundenzufriedenheit und verringertem Aufwand belohnt. Itil ist keine Universallösung für alle IT-Probleme. Aber es bietet ein fundamental verändertes Konzept dafür, wie die IT künftig ihr Geschäft betreibt. Die Zeit ist reif dafür.

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Links

Michael Goodwin, Randy Steinberg



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