02.11.2006, 09:12 Uhr

«Webservices sind heute schon Alltag»

Zum ersten Mal findet die Europäische Fachkonferenz für Webservices (Eco WS) in Zürich statt. Computerworld sprach mit dem Organisator, Professor Abraham Bernstein von der Universität Zürich.
Professor Abraham Bernstein von der Universität Zürich organisiert die Europäische Fachkonferenz für Webservices.
Computerworld:Herr Bernstein, an wen wendet sich die Konferenz?
Bernstein:Sie wendet sich traditionell an Praktiker und Forscher. Letztes Jahr trafen sich die rund 110 Teilnehmer - je die Hälfte aus der Wirtschaft und Forschung - im schwedischen Växjö. Um dieses Beisammen von Wirtschaft und Forschung zu fördern, haben wir auch diesmal in Zürich ein attraktives Programm aus wirtschafts- sowie forschungsorientierten Vorträge zusammengestellt. Ergänzt werden die gemeinsamen Veranstaltungen, wie das CIO-Panel und die Tutorien zu aktuellen Themen.
Computerworld: Welche Themen der Konferenz stossen auf das grösste Interesse der Teilnehmer?
Bernstein: Bei den Tutorien und Workshops zeigt sich bisher ein etwa gleich grosses Interesse für alle Themen: semantische Webservices, SOA mit Webservices, neue Forschungsrichtungen in Webservices. Verwendet man die eingereichten Referate als Messlatte für die Popularität der Themen, so zeichnet sich ein klareres Bild ab. Mehrere Beiträge befassen sich mit den praktischen Hindernissen und Vorteilen von Webservices und serviceorientierten Architekturen. Sie versuchen Fragen zu beleuchten wie: Welches sind die praktischen Benefits von SOA und Webservices? Woraus sollte man bei einer Webservice-Implementation achten? Wie kann man Legacy-Systeme mit Webservices einbinden?
Auf der Forschungsseite dominieren Themen wie Architektur und Design von SOA, automatische Komposition von Webservices zu komplexeren Dienstleistungen oder automatische Webservice-Discovery.
Computerworld: Welche Themen respektive Entwicklungen rund um Webservices halten Sie persönlich für die interessantesten -momentan?
Bernstein: Hier möchte ich wiederum zwischen den praktischen und den wissenschaftlichen Entwicklungen unterscheiden. Im industriellen Umfeld ist sicherlich die mit der Einführung von Windows Vista erfolgende Umstellung auf die neue, auf Webservices basierende Windows Communication Foundation ein grosser Schritt. Auf einen Schlag wird sich auf jedem Windows-PC Webservice-Technologie befinden und, unterstützt durch die immer breiter gestreuten Softwaretools, wahrscheinlich auch vermehrt benutzt werden. Gleichzeitig werden immer mehr industrielle Erfahrungsberichte zu SOA- respektive Webservice-Im-plementationen veröffentlicht. Das gibt Praktikern konkrete Beispiele und Best Practices an die Hand, um zu entscheiden, ob und wie sich der Einsatz dieser Technologien lohnt. Genau diese Themen werden Experten im Business-Track der Konferenz ansprechen und diskutieren.
In der Forschung geht es nun endgültig darum, den Vorteil der losen Kopplung von SOA-basierten Systemen auszuloten, mit dem Ziel festzustellen, wie diese eine dynamische Adaption auf sich verändernde Umstände zulässt. Deshalb wurden auch mehrere, übrigens hervorragende Beiträge zu den Themen Service-Discovery und Composition für Vorträge ausgewählt.
Computerworld: Wie unterscheiden sich Webservices von früheren komponenten-orientierten Softwarearchitekturen, ich denke da etwa an OO oder Corba?
Bernstein: Der Hauptunterschied liegt in der Art und Weise, wie Dienstanbieter und Klienten gekoppelt sind. Diese ist bei Webservices typischerweise sehr viel loser und flexibler. Dies ist insbesondere bei so genannten zustandslosen Webservices der Fall, weshalb diesen unter anderem auch durch den Ansatz von «Rest» - das Akronym steht für Representational State Transfer - in letzter Zeit sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Computerworld: Wie ist der Zusammenhang zwischen Webservices und Schlagwörtern wie «Web 2.0» oder «Semantic Web»?
Bernstein: Zum Web 2.0 ist ein ganz direkter Zusammenhang ersichtlich. Viele der Web-2.0-Applikationen rufen im Hintergrund irgendeine Art von Webservices auf. Es sind bei Ajax (Asynchronous Javascript and XML), einer der Haupttechnologien beim Web 2.0, ja gerade die asynchronen Aufrufe von Webservices, welche die Desktop-artige Performanz über das Web ermöglichen.
Beim Semantic Web ist die Verbindung zwar nicht ganz so stark, aber trotzdem vorhanden. So gibt es einen ganzen Forschungsbereich, in welchem es darum geht, die Semantik von Webservices - also deren -tatsächliche Funktionalität - mit Semantic-Web-Technologien zu beschreiben. Die -Organisation W3C diskutierte gerade in -einer solche Erweiterung des Webservice--Beschreibungsformats.

«Webservices sind heute schon Alltag»

Computerworld: Wie intelligent wird das Web der Zukunft sein? Wie intelligent -können vernetzte Computer überhaupt -werden?
Bernstein: Nun, das Web der Zukunft kann uns in verschiedener Hinsicht sicherlich intelligent erscheinen. Ob es dies tatsächlich ist, ist eine andere Frage, und die ist schon fast philosophischer Natur. Nehmen Sie die Fähigkeit von Computern, Schach zu spielen, als Analogie. Vor fünfzig Jahren hielt man einen Computer, welcher besser Schach spielt als ein Grossmeister, für intelligent. Heute wird dies oft eher als «Brute Force» bezeichnet. Das, was viele als intelligente Software bezeichnen, ist meiner Meinung nach nichts anderes als angewandte Statistik.
Computerworld: Wie steht es um die Standardisierung von Webservices? Gibt es möglicherweise sogar schon zu viele Standards, die eine Rolle spielen?
Bernstein: Eine sehr gute Frage. Für viele der für die Integration notwendigen Schnittstellen hat das W3C schon Standards verabschiedet oder ist in der Endphase solcher Diskussionen. Manch einem mögen dies zu viele Standards sein, und dies kann dann wiederum eine Hemmschwelle sein, um überhaupt in die Technik einzusteigen. Die praktische Verwendung der Standards wird, wie meist, von der Unterstützung der Softwaretools sowie deren Nützlichkeit abhängen. Ob diese gegeben sind, muss die Zeit zeigen.
Computerworld: Erfordern Webservices völlig neue Programmiermodelle und -techniken? Werden andere Fertigkeiten als korrektes Codieren wichtiger?
Bernstein: Darauf gibt es wohl keine eindeutige Antwort. Um gute Webservices implementieren zu können, brauchen wir weiterhin handwerklich gute Entwickler, welche es verstehen, soliden Code zu schreiben und zu testen. Auf der anderen Seite benötigen gerade Modelle wie Rest und SOA häufig andere Softwarearchitekturansätze. Sich in diese Denkweise einzuarbeiten, könnte schon ein gewisses Umdenken erfordern.
Computerworld: Bietet die IT-Industrie heute genug geeignete Tools an, um die Entwickler zu unterstützen?
Bernstein: Viele Tools unterstützen das Entwickeln von Webservices ganz direkt, so dass es nicht nötig ist, alle notwendigen File-Formate bis ins letzte Detail zu kennen. So unterstützen die meisten Softwareentwicklungsumgebungen - Eclipse oder Visual Studio etwa - das Generieren von Stubs für den Aufruf oder den entsprechenden Konfigurationsdateien für das zur-Verfügung-Stellen von Webservices. Die Frage ist mehr, wie es um die Unterstützung der Konzipierung dieser neuartigen Softwarearchitekturen geht. Da sehe ich eher Defizite.
Computerworld: Beeinflussen Webservices meinen Alltag heute schon in irgendeiner Form?
Bernstein: Auf jeden Fall. Wenn Sie via Internet einkaufen, dann wird die Abwicklung Ihrer Zahlung oft über Webservices geregelt. Wenn Sie eine Web-2.0-Applikation verwenden, dann werden im Hintergrund meist Webservices aufgerufen. Alle grossen Webfirmen wie zum Beispiel Amazon und Google bieten Webservice-Schnittstellen zu ihren Dienstleistungen an.
In einer IDC-Umfrage vom Dezember 2004 unter knapp tausend Entwicklern stellte sich heraus, dass 58 Prozent der Teilnehmer in Firmen arbeiten, welche Webservice-Technologien aktiv verwendeten. 14 Prozent hatten Pilotprojekte am Laufen, 12 Prozent steckten in einer Evaluationsphase. Ich bin mir sicher, heute wären diese Zahlen höher.
European Conference on Web Services

Eco WS 06: Die Eckdaten

Termin: Montag, 4. Dezember 2006: Tutorial/Workshop Day
Dienstag, 5. Dezember und Mittwoch, 6. Dezember: Konferenz mit Sessions, unterteilt in Business Track und Academic Track
Veranstaltungsort: Technopark Zürich
Kosten: Regulär 995 Fr., verschiedene Ermässigungen
Online-Info: www.ifi.unizh.ch/ecows06
Catharina Bujnoch



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